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Die Wetterwand war höher heraufgezogen, und bereits ertönten die ersten die Luft dumpf erfüllenden Schläge des fernen Donners. Ein seltsames, trübes, phantastisches Licht gab der Natur ein un­heimliches Aussehen. Herr Tanzmann ging in einen leichten Trab über, wobei der lose Sand wie Wasser von seinen Stiefeln rann. Nun führte der Weg mitten durch eine Kiefernhaide, hier wurde das Gras, durch den Schatten der Bäume beschützt, grüner, die dürren Kiefern dagegen strömten, anstatt zu erfrischen, eine Backofenhize aus, die fast unerträglich war. Der Baumbestand war sehr lückenhaft, filberne Flechten umspannen die Stämme und die Zweige der Kiefern. Doch unter ihnen machte sich das Haidekraut breit, dessen liebliche Blüthen sich nun erschlossen hatten.

witter sehr schnell heranzieht. Er fand denn auch bald einen sandi-| zwei und mehr Keillöcher zu machen, wagerechte oder schräge Löcher gen Feldweg, der an öden Kiefernhaiden vorüber nach dem Dorfe von ungefähr 30 Zentimeter Länge, 10 Zentimeter Breite und 15 führte. Die Vegetation am Rande des Weges machte einen sehr bis 20 Zentimeter Tiefe. In diese Keillöcher werden eiserne Keile dürren Eindruck. Strohige gelbe Immortellen und staubige violette gesteckt und in allen Löchern durch gleichzeitiges Eintreiben vorwärts Natterkopfblumen hoben sich aus dem spärlichen grauen Grase und getrieben, bis der Block fich überall gelöst hat, da die Löcher genau der Thymian bildete zwar schön purpurrothe aber doch niedere, parallel dem Laufe der Adern gemacht sind. Am Stamatowuni werden magere, treisrunde Polster. Von Zeit zu Zeit kam Herr Tanzmann auch die großen Blöcke für die Architraven des Parthenon   gebrochen, an einer alten Silberweide vorüber, deren graue Blätter zu dieser der jetzt durch Erneuerung einzelner Theile vor der gänzlichen öden Landregion vortrefflich paẞten. Zerstörung gerettet werden soll. Es sind Böcke von ungefähr einem Meter Länge und über einen Meter Breite und Dicke. Giebt ein folcher Block unter dem Spizhammer einen glockenreinen Ton van sich, dann hat er nirgends hohle Stellen. Das Kubikmeter des ge= brochenen und roh behauenen Marmors wird einschließlich der Transportkosten für 150 Drachmen( Drachme= 67 Pf.) auf den Bauplatz geliefert. Bei außergewöhnlich großen Blöcken, wie denen für den Parthenon  , wird ein besonderer Preis vereinbart, der mit der Größe wächst. Sobald die Bahn hergestellt ist, die eine direkte Verbindung mit dem Biräeus herbeiführen soll, wo die Blöcke von den Waggons bis an Die am Staden liegenden Transportdampfer gebracht werden sollen, wird das Brechen in großem Maßstabe betrieben werden; denn Be­stellungen für das Inland und Ausland, besonders für Deutsch­ land  , sind reichlich vorhanden. Der Lohn der Arbeiter beträgt je nach ihrer Fähigkeit 3 bis 7 Drachmen; 7 Drachmen erhalten die Vorarbeiter und ersten Arbeiter, 3 Drachmen die, welche Reinigungs­arbeiten vornehmen. Ringsum haben die Arbeiter sich Laubhütten errichtet, alle mit der Oeffnung nach Norden; in ihnen bewahren sie ihre Kleider, Brot und Speisen, Wasserkrüge und sonstige Sachen, die ihnen für den Tag unentbehrlich sind. Sie arbeiten täglich 91/2 Stunden. Abends wandern alle nach dem in einer romantischen Schlucht gelegenen einfachen, aber luftigen Blockhause, wo sie eine gemeinsame Schlafstätte finden. Das ist das Leben der Arbeiter; wohl leben sie in der frischen gefunden Bergluft, aber die Sonne meint es im Sommer immer recht gut, und hat es geregnet, so entsenden die Sümpfe der marathonischen Ebene Miasmen, die das hartnäckigste Sumpffieber hervorrufen, das nur weicht, wenn der Befallene für einen Monat in die Brüche des Pentelikon geschickt wird. Bis dahin gelangen die Miasmen nicht; aber auch die Station Dionyson erreichen sie nicht. Die Hartnäckigkeit der Fieber hat auch ihren Grund in der schlechten Ernährung. Die Arbeiter essen die ganze Woche nichts anderes als eine Art Salat aus Zwiebeln, Knoblauch. Del und Essig, wozu in der gegebenen Zeit noch Tomaten kommen; da hinein wird das Brot getaucht. Dazu trinken sie meistens Wasser. Am Abend gehen sie vielleicht in die Schenke des Blockhauses, dort bekommen fie aber auch nur Sardellen und Käse, selten Refinatwein, aber meistens Masticha- oder Usoschnaps; ersterer wird aus dem Mastir­baume, letzterer aus den Weinreben bereitet. Fleisch essen sie nur an Sonntagen und hohen Festtagen.

Der Himmel wurde finsterer, und der Donner ließ sich lauter vernehmen. Herr Tanzmann rannte immer schneller, dabei scheuchte er einen Rehbock auf, der schnell über den Weg setzte und wieder zwischen den braunen Stämmen der Kiefern verschwand. Kurz vor dem Dorfe verließ der Weg wieder den Wald und führte durch eine vollständig vegetationslose Sandwüste, ein Terrain losen Flugfandes, das sich stetig ausdehnte und die Fluren ringsum begrub. Jetzt freilich lag der Sand ruhig da, es dauerte aber kaum eine Minute, so konnte Herr Tanzmann die Thätigkeit dieser kleinen Sahara   be­obachten. Die Wolkenwand rückte näher heran und ihr voran ging ein heftiger Windstoß, der rauschend über die Gegend strich. Wie mit Millionen Händen schüttelte er die Wipfel der Bäume, die Stengel der Blumen, die Halme der Gräser, und nun faßte er die Sandkörnchen und trieb sie als dicke Staubwolfe vor sich her. Die ganze kleine Sandwüste war in wirbelnder wallender Bewegung, in der Herr Tanzmann wie im Pulverdampf verschwand. Und während die feinen Körnchen vom Winde weit weggetragen wurden, rollten die schweren surrend am Boden hin, um an den umliegenden Fluren hängen zu bleiben und so das Terrain der Wüste zu vergrößern. Nun kam das Gewitter heran. Der Donner wurde lauter, blendende Blitze durchzuckten die Luft in gebrochenen Strahlen und gellende Schläge folgten ihnen. Es fing an in großen Tropfen zu regnen. Nun sauste Herr Tanzmann in Karriere dahin, er wollte um jeden Preis mit dem Wetter um die Wette laufen und ihm zuvor­kommen. Im Nu war er auf der breiten Dorfstraße ange­kommen, und nun ging es in mehr gesittetem Trabe vorwärts. Er eilte an Akazien vorüber, die bereits mit braunen Hülsen be­hangen waren, an dichtkronigen Kastanien, unter denen grüne stachelige Früchte in Menge lagen, an Gehöften, an Gärten vorüber, in denen die Astern und Georginen schon blühten und die Kletter­bohnen sich um drei Meter hohe Stangen rantten. Der Regen ward stärker und die Gewitterschläge dröhnten mit unaufhörlichem Knattern und Rollen. Bevor aber Herr Tanzmann das schüßende Wirthshaus erreichte, hatte er noch ein Abenteuer mit zwei wild gewordenen Schweinen zu bestehen, die aus einem Bauernhofe aus gebrochen und von einer Schaar Weiber und der Dorfjugend verfolgt, Herrn Tanzmann gerade in die Beine getrieben wurden. Herr Tanzmann wollte die Thiere aufhalten, er faßte das eine am Ohr, es entlief ihm aber quiekend, während der Wind ihm seinen Hut entführte, zum Gaudium der gesammten Zuschauerschaft. Herr Tanzmann rannte seinem Hute nach, holte ihn einmal schon ein und trat mit dem Fuße darauf, der Hut aber entwischte dennoch wieder, eilte weiter und blieb erst an der Thür des Wirthshauses liegen. Da hatte denn Herr Tanzmann nichts weiter zu thun, als dem treuen Gefährten seiner Fahrten zu folgen.

Curt Grottewig.

Kleines Feuilleton.

In den Marmorbrüchen am Pentelikon. Schon im griechischen Alterthum war der pentelische Marmor berühmt. Heute befinden sich die Marmorbrüche am Bentelikon im Besiß einer eng­lischen Gesellschaft. Die Station derselben, Dionyson, liegt unge­fähr in der Mitte einer ausgedehnten Fläche, deren Nord- und Süd­grenze die Kammlinie des Pentelikon und des Stamatowuni bilden. Für 300 000 Drachmen hat die Gesellschaft das Recht er­worben, überall Marmorbrüche, Straßen und Eisenbahnen, Wasser­leitungen und Brunnen anzulegen, Häuser zu erbauen, Arbeiter Kolonien zu gründen. An dem Stamatowuni arbeiten, wie die Köln  . 3tg." mittheilt, vom März bis Ende Juli in 6 Brüchen etwa hundert Arbeiter. Hier tritt der Marmor nicht als fortlaufendes Ge­stein auf, sondern in ungeheuren Blöcken bis zu 50 Stubikmetern und darüber, zwischen denen dann eine Erdschicht von braunrother Farbe liegt. Das Brechen der Blöcke geschieht noch auf die einfachste Weise mit dem Keil. Nachdem der Block, der in Angriff genommen werden soll, an der Oberfläche gereinigt ist und vom Vorarbeiter die nöthigen Weisungen über das Wo und Wie des Beginnens gegeben sind, be­ginnen die Schläger je nach der Länge des zu brechenden Blockes

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Literarisches.

-1- Alexander Moszkowski  : Satyr", Kleine Hu­moresten in Prosa und Versen. Berlin   1898. Vita, Deutsches Verlagshaus. Es ist nichts Bedeutendes, was der Verfasser seinem Publikum in dem vorliegenden Buche vorsetzt; meist sind es alte, abgebrauchte Einfälle, Karrikaturen und Witzchen, die frisch aufge­putzt werden und auf die verschiedensten Tagesneuigkeiten zur Ver­wendung kommen. Hin und wieder laufen auch einmal Verschen oder einige Profareihen mitunter, die zum Lachen zwingen, wie z. B. in Moderne Inquisition", Der Studio" und" Gymnastische Strophen". Sonst aber sucht man das Humoristische in diesen Humoresten vergeblich.-

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Medizinisches.

k. Künstliche Verdauung. Von dem Einfluß, den der Magensaft( das Pepsin) im Magen auf die Nahrung ausüben kann, ist im wesentlichen die Verdaulichkeit der letzteren bedingt, und diese ist wiederum von der größten Wichtigkeit für den Nährwerth der Nahrung. Um nun über die Vorgänge bei der Verdauung im Magen genaue Kenntniß zu erhalten, hat man versucht, eine künft­liche Verdauung herbeizuführen. In erster Linie handelt es sich dabei darum, möglichst genau dieselben Verhältnisse, wie sie im menfch­lichen Magen bestehen, herbeizuführen. Dies ist durch die Benutzung eines sogenannten Britofens vollständig gelungen. Der Bonner  Professor Finkler hat nun eingehende Versuche über die künstliche Verdauung angestellt, deren Resultate er in der Berliner Klinischen Wochenschr." mittheilt. Er benußte dabei Tropon   und es gelang ihm, bei richtig geleiteter künstlicher Verdauung etwa 99,54 pct. dieses Eiweißkörpers zu peptonifiren. Um die Richtigkeit der Re­fultate bei der künstlichen" Verdauung genau nachprüfen zu können, hat Finkler sehr interessante Versuche über die natürliche Verdauung des Tropons im Magen des Menschen gemacht. Eine Gelegenheit hierzu bot ein Mann, dem wegen einer schweren Speiseröhren- Erkrankung die Nahrung durch einen in den Magen eingeführten Schlauch zu­geführt werden mußte. Es wurden dem Patienten 30 Gramm Tropon durch den Schlauch in den Magen gebracht, und der Inhalt desselben nach einigen Stunden wieder herausgewaschen. Die Unter­suchung dieses natürlich" verdauten Tropons ergab dasselbe günstige Resultat wie die künstliche Verdauung, so daß man die Ergebnisse der letzteren über die vollständige Berdaulichkeit des Tropon als richtig ansehen darf.-