Anterhaltungsblatt des JorwärtsNr. 171. Donnerstag, den 1. September. 1898(Nachdruck Verbote».)671 Um die Freiheik.Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1522.Bon Robert Schweichs 1.„Der Krieg ist also noch nit am End'!" seufzte dieBäuerin.„Aber wohl bald," tröstete Kaspar.„Denn itzt wird esalso recht zugehen, daß die Unseligen mit stärkerer Kraft zu-schlagen."„O," stöhnte Simon's Frau abermals,„wie diel Lebenwird's noch kosten! Ich wollt', daß Ihr Mannsleute es ein-mal aushalten müßtet wie wir, jeden Tag Euch zu fragen:lebt er noch oder ist er allbereits todt? Haben die Kindernoch einen Vater oder nit? Ihr würdet das Raufen wohllassen. Und es ist doch halt alles vergebens."„Nein, gewißlich nicht," versicherte Kaspar.„Unsere schwerenStücke, die morgen nach Würzburg abgehen, werden den Kehr-aus aufspielen. Und dabei sallt's mir ein. Der lange Lien-hart erzählte, daß der Rosenberger auch auf dem Marienbergist. Da Hütt' ich halt Lust, auch mitzuziehen."„Wcnn's blos dämm sein soll." äußerte Käthe mit einemleichten Achselzucken.„Nit blos darum. Ich bin hier, ich mein' in Rothenburg.keinem mehr was nütz."„Und an Deinen Vater denkst nicht?" fragte sievorwurfsvoll.„O, wohl, aber er wird nit dawider sein. Denn auch erbraucht mich nicht niehr. Von wegen dem Krieg ist mitHandel und Wandel überhaupt nicht mehr viel los, und wasunser Gcwerb als Tücher ist. das steht itzo ganz still."„Geh, glaub's ihm doch nit, daß er fort will." mischtesich Frau Ursel ein.„Er hat blos wieder seinen Spaß mituns."„Mit Nichten, es ist mein voller Ernst." versicherte Kaspar.Käthe schaute ihn mit ihren klaren Augen durchdringend an.Langsam sagte sie:„Freilich, wenn's so steht! Aber blosdarum?" Er hielt ihren forschenden Blick nicht aus, sondernwandte die Augen ab. Ihre braunen Wangen rötheten sichein wenig höher, aber sie schwieg. Wenn sie nur ein einziges �Wort gesagt hätte, aus dem er entnehmen können, daß seineAbsicht ihr leid thäte, so würde er dieselbe aufgegeben haben,niit tausend Freuden. Er wartete vergebens. Zwischen ihrenzusammenfließenden Brauen stand eine tiefe Falte. Sic er-ricth ja nur zu gut, was ihn wegtrieb; allein sie konnte ihmseinen Wunsch nicht gewähren, und er that ihr leid.„Nu, denn ist das noch so," meinte Frau Ursel köpf-schüttelnd und stand auf, um das Vesperbrot zu besorgen.Darüber kam Konz Hart in die Stube. Das warnicht mehr jene schlotternde Hungergestalt. die in denersten Tagen des Jahres mit Weib und Kind ausgetriebentvorden. Er war jetzt gut genährt und muskulös, sein Gesichtaber war unheimlich finster. Es erzählte die Geschichte seinesschweren Schicksals.„Was giebt's, Konz?" fragte Käthe.„Ja, schau," versetzte er und schob verdrießlich an seinerKappe hin und her.„Der Dorfmcister hat mich auch aus-gemustert, daß ich mit den Geschützen morgen nach Würz-bürg soll."„Aber ist das schlimm," rief Käthe.„Just wo wir mitdem Heu alle Hände voll zu thun haben! Aber was kannda einer machen? Was sein muß. das muß halt sein."„Freilich, das muß sein; aber der Donner soll d'rcin-schlagen, daß es just so trifft." entgegnete Konz mit ge-runzclter Stirn.„Nu, Käthe." mischte Kaspar sich ein,„wenn der Konz soschwer abkömmlich ist, ich wüßt' wohl einen Ausweg. Geh'zum Dorsmcister, Konz, und sag' ihm. daß ich für Dich ein-treten will und daß ich morgen in Gattenhofcn pünktlich zurStell' sein werde. Oder vielleicht, daß die Käthe mich lieberals Knecht für die Heumahd dingt?" Er lachte gezwungen.Käthe lachte nicht. Sie reichte Kaspar die Hand unddrückte ihm kräftig die seinige.„Da Du so wie so in Krieglvillst, nehm' ich's an," sagte sie und fügte mit einem warmen,von Mitleid leise verschleierten Blick hinzu:„Du bist gar gutund vielleicht— vielleicht kann ich's Dir später besser dankenals in dieser Stund'."«Nu. denn geh' ich zum Dorsmcister," sagte Konz undverließ die Stube.„Ja, es hat itzt jeder seinen Willen, juch," rief Kaspar,so lustig, als ob ihm das größte Glück widerfahren wäre.—Mittlerweile waren Florian Geyer und Pezold, nachdemsie sich in ihrer Herberge der Panzer entledigt hatten.einer Einladung Stephans von Menzingen zum Mittags-mahl in seinem Hause gefolgt. Der Pfarrer Denner hattesich entschuldigt: er war zu seiner Pfarrgemcindcnach Leuzenbrunn geritten. Der alte Rektor Bessenmaycrund Valentin Jckelsamer, der lateinische Schulmeister, warendie Taselgenossen jener. Die Männer blieben unter sich.nachdem die Hausfrau sie willkommen geheißen hatte. Wennihr Gatte die Gäste bat, sürlieb zu nehmen, so wardieses nur eine höfliche Lüge. Denn sein verwöhnterGaumen hatte die Speisen und Weine ausgewählt. Erund der Schulrektor ließen jedoch allein den köstlichenDingen volle Gerechtigkeit widerfahren. Denn Florian Geyerhatte sich selbst zu einem Spartaner erzogen, um von allenmateriellen Bedürfnissen unabhängig zu sein, und ValentinJckelsamer. der unter beschränkten Verhältnisien erwachsenwar. achtete als Gelehrter die ihm fremd gebliebenen Ge-nüsse nicht.Der Schultheiß von Ochsenfurt nöthigte dem Gastgebermehr als einmal ein mitleidiges Lächeln ab durch seinen ge-sunden unterschiedslosen Appetit, mit dem er Speisen undGetränken zusprach. Auch hatte er weder Interesse noch Ver-ständniß für die Bemerkungen, mit denen der aufmerksameWirth nach Art der Feinschmecker die einzelnen Gerichte seinenGästen empfahl.„Eigentlich sollte man niemand trauen, derbei Tische ein zugeknöpftes Wesen behauptet," äußerte er,„denn wer könnte aus seinem Herzen eine Mördergrube machen,der von diesem saftigen Rehrücken genießet?"„Da gäbe es wohl manchen in den Rüthen, den ich auseine solche schmackhafte Probe stellen möchte." scherzte der Rektor.„Allerdings wäre es nöthig. den heimlich schleichendenVerrath zu enthüllen," pflichtete Stephan von Menzingenihm mit ernster Miene bei.„Schon vorgestern Abend, alsich die Freude hatte, den Bruder Geyer von Geyersberg vonAngesicht zu Angesicht kennen zu lernen, machte ich ihndarauf aufmerksam, daß der Innere Rath die bürgerlichenMänner, welche jüngst in den Aeußeren Rath gewählt worden,in den Augen der Bürgerschaft herabzusetzen bemüht ist, in-dem man ihnen Aemter übertrug, von denen sie nichts ver-standen, nichts verstehen konnten."„So ist's," bestätigte der Rektor und Pezold stieß seinenBecher mit dem Rufe aus den Tisch:„?ln den Galgen mitden Schleichern!"Valentin Jckelsamer fügte hinzu:«Wir haben es nurvorhin erlebt, wie der Stadtadel die Praktiken übt. in denenbereits das alte Griechenland und Rom erfahren waren.Nämlich, daß man Männer, deren man sich entledigen will,mit ehrenvollen Aufträgen aus der Stadt schicket."„Aber mit mir ist's ihnen mißlungen." lachte RitterStephan und strich sich den Schnurrbart zu beiden Seiten indie Höhe.Florian Geyer blickte mit seinen klaren Augen die anderenscharf an und fragte:„Soll ich das etwa so verstehen, daß aufdie Bundestreue Rothenburgs kein Verlaß sei?"Herr Stephan beeilte sich, ihn zu beschwichtigen.„Nichtdoch! Wenn ich auch sagen muß. daß Rothenburg nicht ehereine feste Säule der Freiheit sein wird, als bis die Ge-schlechter ganz und gar vom Regiment entfernt sind. Ichrede frei von der Leber weg."„Wahr," bestätigte der lateinische Schullehrer.«In unsererZeit sind nur noch demokratische Republiken möglich."„Darum bin ich der Ansicht, daß es gut wäre, wenn dieBauernschaft der Stadt gegenüber noch mehr sich kräftigte."nahm von Menzingen wieder das Wort.„Aber so trinketdoch I Eure Becher bleiben immer noch voll.— Meiner Treu,wenn ich es recht bedenke. ein Bündniß etwa niit einemFürsten wäre das richtige Ding. Versteht sich mit einem, dendie Stadt fürchtet."