Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 173.
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Sonntag, den 4. September.
( Nachdruck verboten.)
Um die Freiheit.
1898
Sie ließ ihn nicht ausreden, sondern verschloß ihm den Mund mit Küssen, indem sie ihn mit beiden Armen umschlang. Solche Betheuerungen ihrer Treue mochten ihm baß behagen,
Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525. denn sie mußte sie gar oft wiederholen. Endlich ging er;
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die schwarze Hofmännin hörte das Geröll des Weges unter seinen Füßen fnirschen und dann die Thür des Wirthshauses leise ins Schloß fallen.
Die schwarze Hofmännin harrte schlaflos des Morgens. Am späten Abend desselben Tages, an dem die Bauern Kaum graute er, so störte sie die Bauern in Hochberg mit gesandten in Rothenburg eingeritten waren, koste unter der dem Geschrei auf, daß ihre Hauptleute von denen auf dem Linde vor dem Wirthshause zu Hochberg ein junges Menschen Schlosse bestochen seien, um ihre Brüder zu verlassen und zu paar. Er hatte seinen rechten Arm um den Leib der Dirne verrathen. Georg Megler und Hans Flur versuchten umsonst, gelegt und sie seine Hand über den Hüften fest an sich ge- die Aufregung und Wuth, die darüber entstand, zu sänftigen. drückt, um sich noch enger an seine Brust zu schmiegen. Sie Vergebens schwuren sie, daß weder sie noch irgend ein Haupthatten einander lange nicht gesehen; denn der lange Wilm mann Geld vom Schlosse erhalten hätten. Die Bauern bediente auf dem Marienberge. Nun war er von dem Domprobst mächtigten sich der Geschüße des Grafen von Wertheim und nach Heidelberg geschickt und er benutte die Gelegenheit, um zogen mit ihnen durch den Kuhbachgrund. Ihnen voraus die Küsse der Liebsten mit auf den Weg zu nehmen. Die eilte die schwarze Hofmännin nach Heidingsfeld , und als jene ihm anvertraute Botschaft stat in dem hohlen Schaft des an dem Fuß des Nikolausberges antamen, strömten ihnen Spießes, der an der alten Linde lehnte. Ihr dicker bereits die dort lagernden Bauern in erhigten Schaaren entStamm aber und die Schatten der mächtigen Laubkrone ver- gegen, und alles legte Hand an, die schweren Geschütze auf bargen das Weib, das im Rücken des jungen Paares tauerte. Den Gipfel des Berges zu schaffen. Es war die schwarze Hofmännin. Sie hatte die Arme auf Unterdessen durchflog bereits das Gerücht von dem Verdie hochgezogenen Knie gestützt und das Gesicht in die knöchernen rath der Bischöflichen die Stadt und die schwarze Hofmännin Hände gelegt. Als sie erfahren, daß der Bischof von dem brauchte nicht, wie vorher die Bauern, so jezt die WürzMarienberge entflohen sei, war sie anfangs ganz betäubt ge- burger erst anzufeuern, über das Schloß zu fallen und alles, wesen und hatte es für unmöglich gehalten, daß ihrer Rache was Leben habe, zu erstechen, ehe die Hilfe einträfe, um die Krone noch im letzten Augenblick aus der Hand geschlagen welche ein Bote nach Heidelberg geschickt worden. Ein Theil sein sollte. Dann hatte sie ihr graues Haar zerrauft, die Brust der Bürgerschaft lief mit Schaufeln, Karsten und Spizhacken mit ihren Fingernägeln zerfleischt, wie eine Wahnsinnige herbei, um das Schloß zu untergraben. Ein anderer zimmerte geschrieen und mit schäumendem Munde Gott verflucht. unter den Bögen der steinernen Brücke, der einzigen, die da. Den Wirbelstürmen ihrer Seele gehorchend, trieb sie sich bald mals beide Ufer verband, Flöße, um eine gegen das Feuer gedeckte ruhelos um, bald hockte sie, so wie jeßt, stundenlang brütend vom Schlosse Verbindung herzustellen. Bei auf derselben Stelle. Wie unter den Odenwäldlern und Neckar - dem rechten Ufer, im Deutschen thalern, so war sie bald in allen Lagern bekannt, und der Haus und unter dem Bogen der Augustiner wurden FeuerRuf ihres Bündnisses mit überirdischen Mächten verschaffte fchlünde aufgepflanzt. Hans Bermeter entwickelte eine fieberihr überall ein mit Grauen gemischtes Ansehen. Die Feldkessel hafte Thätigkeit. Der Bürgermeister ließ aus allen Vierteln waren auch für sie gekocht, wenn sie Hunger hatte, und war die Domherren, die unter dem Schein der Bauernfreundlichkeit sie müde, so streckte sie sich an dem nächsten Lager in der Stadt geblieben waren, vor sich fordern und nahm feuer aus, oder sie schlief in den Ställen oder ihnen den Eid ab, bei jedem Auflaufe sich zu stellen, den sie troch in den Scheunen ins Stroh. Sie achtete nicht Tag Hauptleuten zu gehorchen und der Stadt Schaden zu wehren. noch Nacht. Die Linde, unter der des Wirthes Töchterlein mit dem langen Wilm flüsterte und koste, war ein Lieblingsplay von ihr; sie hatte hier einen freien Blick auf den Marienberg .
Sie achtete des Raunens der Verliebten nicht. Vielleicht nahm sie es für ein Aufrauschen der Linde. Jezt aber richtete sie horchend den Kopf auf; denn lauter als bisher sagte der Bursche:
Ade, herztausiger Schatz, ikt muß ich den Weg wieder unter die Füße nehmen."
„ Ach, ist das ein Kreuz!" seufzte Rösel. Wie lang soll's denn noch währen, bis wir für's Leben zu einander fönnen?"
Die welfen Lippen der Alten verzogen sich halb verächt lich, halb mitleidig. Immer dieselbe Jugendthorheit!
" Jezt hat's wohl am längsten gedauert," tröstete der Bursche. Die Herren sind gestern gar lustig gewesen und ich hab' auch aufwarten müssen. Da hat der Wein mehr aus ihnen gered't, als sie sonst über ihre Zungen lassen. Sie hoffen, daß dem Götz und dem Megler sein Haufen ihnen zufallen werde. Das soll ich wohl dem Bischof vermelden."
„ Geh', redt' nit so ungescheidt, Wilm," zweifelte Rösel. Wie sollt denn das möglich werden."
,, Nu, die Hauptleute gehen ja bei Euch ein und aus," antwortete er und nahm seinen Spieß zur Hand.„ Hast Du nit etwan bemerkt, daß sie mehr wie sonst darauf gehen lassen? Sie müssen viel Geld im Sack haben."
Das Mädchen schüttelte den Kopf, und er erklärte: Sie müssen Geld vom Schloß gekriegt haben, oder sie kriegen noch welches. Paß auf."
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Rösel schrie auf und Wilm rief, ihr den Mund zuhaltend: Willst mich gar verrathen? Sie haben droben davon geschwätt. Und noch eins, Rösel! Nu, wo sie Geld haben und Du läßt Dich vom Teufel verblenden"
Bleidenthurm am
Mittlerweile stürmten die Vorstädter unter Führung der schwarzen Hofmännin die Stiftskirche von St. Burkhard am Die gemalten Thor, das älteste Gotteshaus der Stadt. Fenster, Altäre, Heiligenbilder, Reliquienschreine, Meßgewänder fielen ihrer Erbitterung auf die Bischöflichen zum Opfer. Es wurde alles zerschlagen, zerrissen, zertrümmert.
Er
Götz von Berlichingen sprengte nach dem Neumünster , um die immer höher gehenden Wogen zu dämpfen. Das wüste Treiben bei der Stiftskirche entflammte feinen Zorn und mit feuerrothem Gesichte trat er in die Kapitelstube. Hizig rückte er den Räthen vor, daß sie derartigen Unfug litten. möchte lieber bei den Türken als bei ihnen sein. Es kam zu den heftigsten Auftritten. Jakob Köhl sagte es ihm auf den Kopf zu, daß er es mit denen auf dem Schlosse halte und Zwietracht zwischen den Haufen zu säen trachte. Göz hielt es für gerathen, sich davon zu machen.
Kanonendonner läutete den Sonntag Cantate ein. In der Stadt schlug es vier Uhr, als der Nikolausberg sein Feuer auf das Schloß eröffnete. Die Belagerten erwiderten es nicht, sondern ließen ihr sämmtliches Geschütz in die Stadt abgehen, und in wilder Flucht stoben die Menschen, die sich auf den Plätzen und Gassen angesammelt hatten, vor den einschlagenden Kugeln auseinander. Eine ganze Stunde lang spie der Marienberg seine Geschosse in die Stadt und überstreute die Gassen mit einstürzenden Rauchfängen, Dachsteinen, Mauerstücken und Balkensplittern. Inzwischen thaten aber auch die Geschüße am Pleidenthurm, bei dem Deutschen Hause, den Augustinern und auf den Stadtthürmen ihre chernen Schlünde auf. Den ganzen langen Tag über donnerte und krachte es auf dem Nikolausberge und in der Stadt, während die Bischöflichen ihr Pulver schonten. Die städtischen Geschüße bewiesen sich wirksamer als diejenigen auf dem Nikolausberge, von denen eine Falfonettfugel den Amtskeller von Lauda auf seinem Bette tödtete, während ein Schuß von den Stadtthürmen dent Kaplan des Bischofs das Leben kostete. Der Stadt fügte den