Mnterhallimgsblatt des Dorivärts Nr. 174. Dienstag, den 6. September. 1898 (Nachdruck verboten.) 701 Mm die Freiheik. Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525. Von Robert Schweichel  . Wilhelm von Grumbach  , der mit seinem Bruder eine Kammer im östlichen Schloßgiebel theilte, sah aus dem Fenster den Arbeiten zu. Sein Bruder lag auf dem Bette und ver- suchte, den verlorenen Nachtschlaf wieder einzubringen.An- genehme Aussicht das," sprach Wilhelm über die Schulter zurück,eines schönen Tages in die Luft zu fliegen oder in den Main   zu purzeln, wenn wir nicht früher vor Durst um- kommen." Verdursten? Ist halt nicht möglich," erwiderte der ältere Bruder phlegmatisch.Hab' mir mit dem Rotenhahn die Wein- keller angeschaut, könnten sie in etlichen Jahren nit leersaufen." Die Weinfässer nicht, aber den Schloßbrunnen, zumal es nimmer regnen will. Ist doch seit Wochen kein Tropfen vom Himmel gefallen." Hat nur auch schon Sorgen gemacht von wegen der Saaten," gähnte Hans von Grumbach.Mögen schlecht genug stehen, unsere Felder." Um unsere Felder brauchen wir uns schwerlich noch zu sorgen, die werden die Bauern ernten," antwortete Wilhelm mit bissigem Humor.Wir werden von Glück sagen können, wenn wir von unseren Burgen noch einen Stein auf dem anderen finden." Sein Bruder fuhr mit dem Oberkörper im Bette auf. Plagt Dich der Teufel? Ach, Unsinn," fügte er dann hinzu und ließ sich wieder in die Kissen zurückfallen. Wilhelni kam zu ihm und sagte mit gedämpfter Stimme: Wenn Du die beiden größten Esel sehen willst, so schau mich und Dich an. Denn das sind wir, weil wir hierherkommen, anstatt es wie der Henneberger und andere zu machen. Eine Schand' ist's, daß Edelleute bei Pfaffen zu Lehen gehen. Wenn unsere Vorsahren in ihres Herzens Einfältigkeit die Freiheit ihres Besitzes von den Kotten sich abschwindeln ließen, vielleicht für ein paar Seelenmessen, sollen wir darunter für alle Zeit leiden? Ich will's nit." Denk' an den Sickingen," warnte Hans, indem er sich auf den rechten Ellenbogen stützte.Wenn wir dazumalen dem Florian gefolgt wären, äßen wir heut' unser Brot im Elend." Damals war es allerdings schon zu spät dazu. Aber heut' liegt's anders und günstiger. Die Bauern haben die Macht, und was der Götz sich zutraut, das können die Grum- bachs auch wagen, sollt' ich meinen. Mir frißt es die Leber ab, daß wir diesen vor Hochmuth stinkenden Thüngens Hofiren müssen. Mein Eisen in ihren Bauch l Was meinst Du, Hans? Noch könnten wir's wenden." Laß' mich itzt schlafen; mir ist ganz dösig im Kopf," murrte Hans und drehte sich der Wand zu. Es lag nicht viel von brüderlicher Liebe in den feinen Zügen Wilhelm's, als er von dem Bette wieder an das Fenster zurücktrat. An seinem röthlichen Schnurrbart zupfend, schaute er brütend hinaus. Wie Hans vom Grumbach, so lag Simon Neuster zu Hcidingsfeld in seinem Quartier, das er bei einem Töpfer hatte, auf dem Bette, nicht Schlaf suchend, sondern fest schlafend. Auf einem Schemel zu seinem Fußende saß die schwarze Hofmännin, das Gesicht in die Hände gestützt. Sie hatte es eher bemerkt als er selbst, daß er verwundet, und war mit ihm gegangen, hatte die Wunde gereinigt und verbunden. Ein Streiffchuß hatte ihm das Fleisch des linken Oberarms aufgepflügt. An sich hatte er aber nicht eher gedächt, als bis er in Heidingsfeld   die Mannschaft mit einem Wort der Anerkennung für ihre Tapferkeit entlassen und für die Verwundeten, die sie mit sich hatten nehmen können, nach bestem Vermögen Sorge getragen hatte. Die schwarze Hofmännin hatte es ihm nicht vergessen, daß er ihrem Enkel zugethan gewesen; ihm verdankte sie, was sie von dessen letzten Tagen wußte, und aus aller Verwüstung und Verwilderung, die das unsägliche Leiden in ihrer Seele angerichtet hatte, züngelte das Flämmlein weiblicher Barm- Herzigkeit auf. Ein dumpfes, dem Donner ähnliches Rollen, das näher und näher kam, störte sie aus ihrem Sinnen auf. Sie erhob sich geräuschlos und öffnete das Fenster, dem die dünne Haut einer Schweinsblase als Glas diente. Aber der Himmel war völlig heiter und jetzt erstarb das donnerartige Rollen in einem Jubelgeschrei. Es schien vom Marktplatze herzukommen. Darüber erwachte auch Simon.Bleib' Du ruhig liegen; ich will nachschauen, was es giebt," ermahnte ihn die Hofmännin und verließ ihn. Die Erschöpfung wiegte ihn bald wieder ein. Ein Poltern schwerer Tritte auf der Stiege zu seiner Kammer weckte ihn abermals. Dann that sich die Thür auf und hinter der Hofmännin erschienen der lange Lienhart und Kaspar Effchlich. Simon fuhr in die Höhe und rieb sich die Augen. Waren das Traumgestalten, oder wachte er? Ha, Bruderherz, was sind das für dumme Geschichten?" schlug die tiefe Stimme des Riesen an sein Ohr.Aber bleib' liegen! Wir wissen schon alles l" Und er drückte Simon in die Kiffen zurück. Das mit nur hat nix auf sich," versicherte Simon.Und auch der Kaspar ist da? Na grüß' Euch Gott   l Und bringt ihr die Stücke?" Freilich," rief der lange Lienhart, während Kaspar dem Vetter die Rechte schüttelte. Daß sie schon gestern hier gewesen wären," seufzte Simon.Ich Hab' mir den ganzen ausgeschlagenen Tag die Augen nach Euch ausgeschaut." Wären auch gegen Abend hier gewesen, wenn der Teufel sich nit ins Spiel gemischt hätte; muß überall dabei sein," schnob der lange Lienhart. Kennst etwan einen anderen, der die Welt regiert?» fragte herb die schwarze Hofmännin. Kenn' mich in denen Sachen nit aus," erwiderte jener, sie mit seinen Eulenaugen von der Seite ansehend.Mußt die Schwarzröcke fragen. Das aber war ein außer alle Maßen schändlich Spiel von ihm. Bricht kurz vor Röttingen   eines von den Stücken ein Rad und mußten wir darum bis heut früh dort liegen bleiben. Der Stellmacher   und der Schmied in Röttingen   werden an mich denken, so Hab' ich sie zur Eil' an- getrieben. Freilich, wie hätt' einer sich auch vorstellen mögen, daß Ihr stürmen würdet, ehe daß eine Bresche gelegt ist. ES ist halt zu dumm." Nu, laß' schon," mischte Kaspar sich ein, schob sich den Schemel ans Lager und begann Simon von den Seinigen und von Ohrenbach zu erzählen. Der lange Lienhart wandte sich an die schwarze Hof- männin, winkte mit den Augen nach Kaspar und sagte:Schau, der da war Deinem Hans sein bester Freund. Er kann Dir auch erzählen, wie ihn der Rosenbcrg erschlug: er war dabei." Ein langgezogener Seufzer zitterte über die welken Lippen der alten Frau, ihre Augen ruhten wie heiße Flammen auf dem Tnchschcerer. Nur Muth," fuhr der lange Lienhart fort.«Jetzt sind die Pfefferbüchsen zur Stell' und wollen wir die Bischöflichen pfeffern, daß sie aus dem Niesen nimmer herauskommen. Aber es ist halt Zeit, daß ich nach unserem Rothenburger  Fähnlein mich umthu'. Adies, Simon, derweilen." Die schwarze Hofmännin lehnte sich mit dem Rücken gegen das Fenster und hörte zu, wie Kaspar von Ohrenbach erzählte. Auch theilte er dem Vetter mit, daß er bei den Schwarzen eintreten möchte. Dieser freute sich besten und bot ihm an, seine Kammer mit ihm zu theilen. Sie sei zwar eng, aber ein Bett fände wohl noch Platz darin. Die schwarze gofmännin übernahm es, wegen eines zweiten Bettes mit dem uartierwirth zu reden. Nick,, lange, so knarrte die Stiege wieder unter schweren, klirrenden Schritten. Es war Florian Geyer  , der mit Tages- anbruch von Rothenburg   fortgeritten war. Simon Neuster wurde bei seinem Anblick dunkel roth. Er aber sagte freund- lich:Rege Dich nicht auf. Die Hauptsache ist, daß mir mein tapferer Leutingcr erhalten geblieben ist. Die Verluste werden sich ja ersetzen lassen." Simon athmete erleichtert auf; denn es hatte ihm vor der ersten Begegnung mit Florian Geyer   nicht wenig gebangt. Da steht gleich einer, der sich anwerben lassen will," sagte er, auf seinen Vetter deutend. Florian Geyer   musterte den- selben aufmerksam. Die nicht große, jedoch kräftige Gestalt fand seinen Beifall, er nickte Kaspar zu und verwies ihn