Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 175.

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Mittwoch, den 7. September.

Um die Freiheit. Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525. Von Robert Schweichel .

1898

( Nachdruck verboten.) der sich von des Doktors Gelahrtheit und Beredisamkeit viel des Fördersamen versprochen hatte, suchte zu vermitteln, aber seine Ermahnungen zu Frieden und Eintracht blieben ohnmächtig. Just um der Eintracht willen sollte Karlstadt ein Haus weiter gehen, rief ihm der Pfarrer Bubenleber ent Florian Geher blickte ihn überrascht an, dann drehte gegen; er trüge nur Seftirerei ins Lager. Jakob Köhl gebot er feinen Schnurrbart in die Höhe und antwortete:" Es mit seiner Stentorstimme Ruhe. Es sei halt genug des könnte mich fast mich fast gelüften, es zu versuchen, wenn Gezänkes; der Doktor möge den Staub von seinen Schuhen ich sehen muß, wie das Stillliegen hier die Leute schütteln, sie hätten ihn nicht gerufen und begehrten seiner nicht, ganz und gar verdirbt, und es in Würzburg mit jedem Tag und im Ausschuß hätte er nichts zu schaffen. ärger wird. Der Rath hat nichts mehr zu sagen und auch Ehrenfried Kumpf, welcher nach Würzburg mußte, um dem Bermeter und seinen Freunden entschlüpfen die Zügel Bürgermeister und Rath die Grüße der neugewonnenen mehr und mehr. Bruder Ambrofius predigt vergebens und die Bruderstadt Rothenburg zu überbringen, führte den Doktor Galgen bleiben leer. Aber im Ernst, der Zweck heiligt nimmer mit sich aus der Kirche. Das war das Ende von Karlstadt's die Mittel, auch nicht in politischen Sachen. Wenn ich mich Ausfahrt, die schon unter einem üblen Anzeichen begonnen wirklich der Gewalt bemächtigen wollte, so würde nichts hatte. Denn unter dem städtischen Geleit der Geschüße war anderes daraus entspringen, als neue Gewalt. Denn Unrecht ein Knecht, dessen Gemüth der neue Glauben nicht erfüllte, und Gewalt können sich nur durch Unrecht und Gewalt vielmehr es mit dumpfem Fanatismus verfinsterte. Wie der behaupten. So lange die Welt steht, haben sie noch unter dem Galgenthor des Doktors ansichtig geworden, war fein Volf zur Freiheit geführt. Im Gegentheil, die die Wuth über ihn gekommen. Sollen wir mit einem solchen Folge widerrechtlich angemaßter Gewalt war stets Bösewicht reiten?", war er ausgebrochen, und er würde neue Knechtschaft. Mag auch ein Mann vom lautersten Cha- Starlstadt vom Pferde gestochen haben, wenn Jörg Spelt rakter und in der edelsten Absicht der Herrschaft sich bemäch den Lanzenstoß nicht noch glücklich abgewehrt hätte. tigen, auch er ist nur ein Mensch, und wenn ihn nicht das Nun hatten die Bauernpfarrer den Doktor symbolisch Es ist also, daß die Pfaffen des neuen Machtgefühl berauscht, so verderben ihn seine Helfershelfer gesteinigt.

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und Gesellen mit ihren Schmeicheleien, Listen und Ränken, Papstes, als wie die des römischen voll blinden Eifers und um ihren eigenen Vortheil durch ihn zu erlangen. Und noch Ueberhebung in allen Stücken sind. Alle Weisheit vermeinen eines will ich Dir sagen! Jst wo in einem Volte das Freiheits- fie in ihnen zu haben und stinken doch vor Unwissenheit, daß gefühl erstorben, da mag sich wohl ein Ehrgeiziger die es ein Gräuel ist. Auf solchen Bäumen kann für die Mensch­höchste Gewalt anmaßen; ein zur Freiheit aufstrebendes Volk heit keine süße Frucht erwachsen." Mit folch' bitteren Worten läßt das nimmer zu. Meine eigenen Schwarzen würden mich nahm Karlstadt von dem Altbürgermeister Abschied und kehrte in Stücke hauen, wenn ich es versuchen wollte, und sie thäten mit dem Geleit aus Gattenhofen nach Rothenburg zurück. Die Wache am Galgenthor aber verweigerte ihm den Einlag und der Bürgermeister Bermeter entschied: wer ihn hätte heißen hinausgehen, der sollte ihn auch wieder hereinlassen. Stephan von Menzingen erfuhr es glücklicherweise, eilte an's Thor und befahl im Namen des Ausschusses, ihm zu öffnen. Fräulein von Badell gewährte dem Heimathlofen Herberge in ihrem Hause.

recht daran."

Simon blickte ihn befümmert an. Du wirst halt recht haben; ich will's Dir nachdenken," sagte er fleinmüthig. Fünftes Kapitel.

Bruder Ambrosius hielt in der Kirche von Heidingsfeld einen Trauergottesdienst für die vor dem Marienberge Ge­fallenen ab. Er hätte gleich der 3000 thüringischen Brüder Ehrenfried Kumpf feierte dagegen auf dem Rathhause gedenken können, die selbigen Montags der Landgraf Philipp einen großen Triumph. Seine Begrüßungsrede gefiel männig­von Hessen , Ernst von Mansfeld und Georg von Sachsen lich über die Maßen, besonders weil er es aussprach, daß erschlagen hatten. Richtiger wäre, zu sagen: ermordet hatten; Würzburg durch der Bischöfe Tyrannei von dem Reiche abge­denn sie waren mitten im Stillstand, den sie den Bauern be- drängt worden sei, zu dem es einstmals gehört habe, und willigt hatten, über die dem Fürstenwort Vertrauenden her- deshalb das Schloß niedergeworfen werden müßte. Die Bürger­gefallen. 3000 erschlagen, 300 Gefangene gerichtet, Thomas schaft erwählte ihn in ihrer Freude zu ihrem Schultheißen , Münzer und sein Freund Pfeiffer in der Gewalt der wort- und als solcher faß er fortan im Inneren Ausschusse, Spelt im brüchigen Herren! Aber noch wußte man davon in Heidings- Bauernrathe. feld nichts. Bruder Ambrofius bezeichnete die Gefallenen in seiner tief ergreifenden Predigt als Blut zeugen der Freiheit. Er verglich sie mit den Märtyrern des Christenthums, ohne deren Leiden und Tod dasselbe nie zum Siege gelangt wäre. Also werde auch dem seit Jahrhunderten gernechteten Volfe aus folchem Blute der Baum der Freiheit erwachsen.

Der Altbürgermeister hatte Heidingsfeld kaum durch das Mainthor verlassen, als ihm zwei bewaffnete Bauern auf schäumenden Pferden entgegengeraft tamen. Er wollte die Männer anreden, aber sie eilten ohne Aufenthalt an ihm vor­über. Es waren Jörg Mehler aus Ballenberg und Hans Müller, genannt Flux, der Hauptmann des Heilbronner Fähnleins. Mit hochrothen Gefichtern von dem schnellen Nitt Mit dieser Verheißung entließ er die tief erschütterten traten fie in die Stirche, wo sie der lange Lienhart mit dem und erhobenen Zuhörer, für welche die Kirche sich viel zu scheltenden Zuruf begrüßte:" Ihr seid mir auch die rechten flein erwiesen hatte, so daß viele vor den offenen Thüren Brüder, daß Ihr erst jetzt kommt. Weil Ihr bei dem Sturm hatten stehen müssen. Die Hauptleute und Räthe des Aus- auf den Marienberg nit dabei waret, lohnte es Euch nit, die schusses blieben zurück. Denn derselbe hielt fortan feine Todten zu ehren. Was?" Sigungen in der Kirche von Heidingsfeld , da die Mainbrücke

Geh'," spottete Michael Hasenbart von Mergentheim , hättest Du vom Walfisch den Rachen, er wäre Dir nit weit genug, um Dich selbst zu rühmen."

Lieber," verfekte Hans Flur und nahm eine würdevolle unter den Kanonen des Marienberges lag. Florian Haltung an, nur ein Wörtlein braucht' ich zu sagen und Du Geyer und Pezold erstatteten einen kurzen Bericht sperrtest das Maul auf, als wie der Walfisch, da er den Jonas über ihre Gesandtschaft, Ehrenfried Stumpf überreichte das verschlang." Rathsschreiben, das ihn und Georg Spelt als Vertreter Rothenburgs im Ausschusse beglaubigte. Nunmehr fühlte sich Dr. Karlstadt zum Worte gedrungen. An die Predigt des Bruders Ambrosius anknüpfend, begann er darzulegen, wie Hans Flur mußte es leiden, daß sich auf seine Kosten mit der politischen Freiheit allein nichts errungen wäre, wenn ein schallendes Gelächter erhob. Jörg Mezler aber rief: Nu, nicht das gesammte Leben im Geiste der ersten Christen- lasset das Ugen: Just als wir reiten wollten, brachten die gemeinden erneuert würde. Das gerieth ihm übel, war er Heilbronner zwei Gefangene ein, die wir erst verhören mußten. doch von Luther geächtet. Die Pfarrer fürchteten den Es waren zwei Boten von Frauenberg. Der eine, den fie Einfluß seiner Lehren auf ihre Bauern und fielen ihm den langen Wilm hießen, kam von Heidelberg zurück; daher mit lautem Geschrei in die Rede. Sie bedürften der andere wollte zum Bischof. Sie waren sich in Waldbüttel­seiner Ermahnungen nicht und wollten vollends von seinem brunn begegnet, faßen im Wirthshaus und schwägen mit christlichen Kommunismus nichts hören. Ehrenfried Stumpf, leinander von ihren Geheimnissen."