Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 181.
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Donnerstag, den 15. September.
( Nachdruck verboten.)
Um die Freiheit.
Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauerntriege 1525. Von Robert Schweiche I.
Er hob das Buch auf und den von einem Holzschnitt umrahmten Titel überblickend, äußerte er:„ Wenn ich mein gering' Latein zusammen nehme, so stehet hier: Ein wahrhaft goldenes Büchlein vom besten Stand des Gemeinwesens. Schade, daß es der große Mann bereits vor unserem Aufstand schrieb, sonst würde er sich nach keinem Fürsten umgeschaut, sondern erkannt haben, daß dieses goldene Büchlein nur durch die Erkenntniß, den Willen und die Kraft des Volkes zur goldenen Wahrheit werden könne."
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Merkwürdig, daß Wendel Hipler es für einen Scherz, eine Phantasterei hält," bemerkte Mar Eberhard nach denklich.
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sondern überall den fürzeren ziehen, wo sie mit ihr zusammen stoßen. Worauf vertrauet Ihr also? Auf die mit Euch verbündeten Städte? Der Landtag ist fehlgeschlagen. Rothen burg harret des Schwäbischen Bundes als eines Erlösers. dh sollte es nicht sagen, denn es ist meine Vaterstadt, Eine Blutwelle stieg ihr in die Wangen. Sie fuhr fort: Darum lasset vom Schwerte , so lange es noch Zeit ist. ch bitte, ich beschwöre Euch! Dentet an Eure Sicherheit!"
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,, Die ist nicht gefährdet," beruhigte er sie. Wünsche sind feine Thaten. Noch stehen wir im Felde und nicht die Feigheit, sondern das Schwert hat das letzte Wort. Doch warum versuchet Ihr es, schöne Feindin, mir mit Euren Bitten die Locken meiner Straft zu scheeren?"
So in einen scherzenden Ton übergehend, faßte er ihre Hand und sah ihr fragend in die Augen. Sie fenfte die Lider, schlug sie aber gleich wieder auf. Ein Gluthstrom überfluthete ihn und sie rief mit ausbrechender Leidenschaft:„ Weil ich Euch retten will; weil Ihr leben sollet!"
Mich wunderts nit. Er ist ein großer Politikus, aber Er ließ ihre Hand betroffen fahren. Sie achtete es nicht; nur ein Politikus, und hier ist mehr. Und hr, lieber ihre Leidenschaftlichkeit zerriß die Zügel und sie rief: Leben Dottor, seid auch noch etwas mehr, oder nebenher als ein für mich, denn ich liebe Dich. Ich habe im Hasse gegen Politikus ." Florian Geyer sagte es mit einem so eigen- Deine Partei Schutz vor meiner Liebe gesucht. Wie konnte thümlich heiteren Blicke, daß Mar ihn nicht mißverstehen ich Dich lieben, wenn ich sie haßte? ch müßte mich ja konnte und wider Willen roth wurde. verachten, wenn es so war. Vergebens rang ich. Meine Liebe schied Dich aus, schied Dich aus von allen."
Florian Geyer verließ ihn in einer angenehm erregten Stimmung, als auf dem Rathhausthurm die sechste Stunde angeschlagen wurde und er die Klosterkirche betrat. Im ersten Augenblick gewahrte er niemand in der Kirche. Bei seinen auf den Steinplatten flirrenden Schritten erhob sich jedoch vor einem der vier kunstvoll geschnitten Altäre eine dunkle Gestalt und schritt ihm zögernd entgegen. Sie trug einen schwarzen, mit Pelz verbrämten Seidenmantel und eine eben solche Stapuze, die aber zurückgeschlagen war, und Florian Geyer erkannte die schöne Gabriele.
„ Meine Botschaft muß Euch befremden, Herr Nitter," begann sie mit hochgerötheten Wangen und stockte.
Ritterlich kam er ihr zu Hilfe: hr begehret einen Dienst von mir, edles Fräulein, gebietet!"
" Ihr habt's errathen," antwortete fie freier. Den Dienst aber follet hr nicht mir, sondern Euch selber leisten. Er heißt: Vorsicht. Man möchte Eure Sendung an den Markgrafen von Brandenburg hintertreiben."
,, Dank der holden Warnerin," erwiderte er einigermaßen erstaunt, doch leugne ich nicht, daß es mir recht wäre, wenn ich die Hand nicht zu bieten brauchte, damit das Bündniß mit dem Markgrafen zu stande kommt. Denn Feuer und Wasser verbinden sich eher als Bauer und Edelmann."
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Armes Kind!" bemitleidete er sie. Sie aber rief mit glühendem Gesicht: Nicht Mitleid, Deine Liebe will ich, denn ich liebe Dich." Sie umschlang ihn mit beiden Armen und drückte die Stirn gegen seine Brust. Er wollte sich sanft von ihr lösen, allein sie hielt ihn nur um so fester und rief, die glühenden Augen zu ihm erhebend:" Ja, ich liebe Dich! Laß uns fliehen, irgend wohin, wo dieser wahnsinnige Aufruhr nicht tobt, und laß uns glücklich mit einander sein!"
" Ihr seid von Euch," sagte Florian Geyer streng und machte sich aus den Armen der schönen Gabriele frei.„ Wie tönntet Ihr mir sonst die Feigheit zumuthen, meine Sache zu verlassen? Und aus Liebe zu Euch? Wisset Ihr denn nicht, daß ich Weib und Kind habe?"
Was liegt an Weib und Kind, was liegt an allem anderen, wenn wir uns lieben?" rief sie mit wogender Brust und brennenden Augen.
Das Blut stieg ihm bis in die breite Stirn hinauf, seine Brauen zogen sich zusammen und er rief mit starter Stimme: Jch aber liebe Euch nicht."
Sie starrte ihn mit iveit geöffneten Augen an und wurde kreidebleich. Er fuhr etwas milder fort:„ Besinnet Euch doch, daß Sie sah ihn mit großen Augen an. Das ist wahr und ich der unerbittliche Feind Eurer Kaste bin. Ich will Euer darum verstehe ich Euch nicht. Ihr selber seid ein Edelmann Geständniß nicht gehört haben. Lasset uns im Frieden und kämpfet mit den Bauern gegen Eure Standesgenossen." scheiden!" Er wollte ihr die Hand bieten. Sie zuckte zurüd, " Für die Freiheit wider deren Unterdrücker," versette er die Augen immer noch starr auf ihn gerichtet, die Arme schlaff mit ruhigem Ernst. herabhängend. Lebet wohl!" sagte er mit einem mitleidigen Blick auf sie und ging.
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Lautlos, wie vom Blik getroffen, sant sie hinter ihm zu
" Freiheit?" rief sie lebhaft. Was kann sie Euch bieten für alles, was Ihr darum aufgeben müsset? Wie kann es Euch verlocken, Euch zu einem Gleichen der armen Leute zusammen. machen? Diese rohen, schmutzigen, stinkenden Bauern Brüder zu nennen? Gesteht, daß Euch der Ehrgeiz verführt?"
O nein, davon weiß ich mich frei, welches auch sonst meine Fehler sein mögen," antwortete er schlicht." Es ist nicht mein Verdienst, daß ich als Edelmann geboren wurde, aber ich werde es mir selbst verdanken, wenn ich mir den höheren Adel der freien Menschenwürde erwerbe. Ein Höheres giebt es nicht, und darum ward dem Menschen das Leben, daß er nach ihr strebe und seine entwürdigten Nebenmenschen mit sich zu ihr emporhebe."
Die Wärme feiner Worte ergriff sie und es verrieth sich in ihren Augen, wie herrlich er ihr erschien. Aber sie vermochte es nicht, sich zu seiner Anschauung emporzudenken und fie gestand es, indem sie seufzte:" Sei es darum. Aber Ihr werdet den Bauer nie zu Euch emporheben. Ihr werdet untergehen, ohne das Ziel zu erreichen, wonach Ihr trachtet."
Mit starken Schritten, um die peinliche Aufregung zu dämpfen, in die ihn die Liebesraserei der schönen Gabriele verfegt hatte, maß er den Weg nach dem Hause Stephans von Menzingen. Ein Goldschmied, der zu des letzteren Partei gehörte, rief ihn bei den Rathhausbuden aus seinem Laden an, vor dem viele Bürger standen: Herr von Geyersberg, Ihr müsset es ja wiffen. It's denn wirklich wahr?" Was denn, lieber Meister?"
„ Das von der grausam blutigen Schlacht," mischte sich einer von den Bürgern ein.
Ja, und 4000 Bauern sollen todt liegen," ergänzte eine heisere Stimme, die einem offenbar schwindsüchtigen Hafner meister gehörte.
,, Auf diese Weise kommen wir nicht zum Ziel," wandte Florian Geher sich an den Goldschmied." Redet Ihr."
Dieser erklärte;" Die Sach' ist die, Herr Nitter, daß zuerst etliche Bauern in die Stadt gekommen sind und die haben es erzählt. Sie sind aus der Schlacht geflohen."
Er sah mit einem Lächeln auf sie hinunter wie auf ein Kind. Sie aber fuhr eifrig fort, indem sie zwei Finger ihrer weißen Rechte auf seinen Arm legte: O, glaubet mir, daß es unmöglich ist. Ich brauche es Euch ja nicht erst zu sagen, daß die Bauern der Macht der Fürsten nicht gewachsen sind, I Schlacht gedauert."
,, Bei Königshofen ist's gewesen," unterbrach ihn wieder einer seiner Mitbürger. Bis in die Nacht hinein hat die