5blatt des VorwärtsTienstag. den 20. September.1898ZlnterljNr. 184.(Nachdruck verboten.)80] M,n die �Urviszeii.Geschichtlicher Noman aus dem deutschen Bauernkriege 1525Bon Robert S ch K> e i ch e l.■ Florian Geyer nahm den großen, mit dem Rathsiegelversehenen Brief, öifnete ihn und las. Eine zornige Rothestieg in sein Gesicht; dann lachte er kurz auf und sprach, nach-dem er zu Ende gelesen hatte, mit Ironie zu Liesegang, derwie eine Schildwacht dastand:„Vermeldet dein wohl-weisen Rathe, daß ich, der hochgeborene edle Herr und RitterFlorian Geyer von Geyersberg, es mir zur höchsten Ehreschätzen werde, den Staub dieser gastlichen Stadt von denFüßen zu schütteln."„Werd' es pflichtschuldigst vermelden," antwortete derBote und ging steif zur Thür hinaus.Florian Geyer reichte den Brief Stephan von Monzingenund sagte:„Da leset! Der Rath weiset mich aus; morgenfrüh soll ich die Stadt Verlasien."„Hölle und Teufel, das waget der Rath?" sichr Stephanvon Menzingen auf und schlug mit der geballten Faust aufdas Schreiben.„Brauchet Ihr einen Beweis, daß er bundesbrüchig ist,hier habt Ihr ihn," äußerte Florian Geyer, und sein Gast-freund schnob:„Und ich will's ihni in die Zähne rücken! Erund das ganze Stadtjunkerthum sollen hinweggeblasen werdenwie Federn vom Wind."Gleiches gelobten die Bürger, die der lange Lienhart imRothen Hahnen bei ihren Feiertagsschoppen fand. Allerdingswaren auch sie über die fürchterliche Niederlage bei Ingolstadthöchlich bestürzt; der lange Lienhart richtete jedoch ihrenMuth wieder auf, indem er ihrer Zaghaftigkeit den Helden-muth der Schwarzen im Dorf und Schloß Ingolstadt gegenüber-stellte, auf den Beistand der Haller und Gaildorfer deuteteund seine Ueberzeugung aussprach, daß die RothenburgerBauern wieder auf sein würden, sobald sie sähen, daß dieStädter endlich Ernst machten. Die Hauptsache aber sei, daßFlorian Geyer noch lebe und nicht daran denke, sein Schwertwegzuwerfen. Das übrige that der Wein, und mancher Becherward auf das Wohl Florian Geyer's gestürzt.Der lange Lienhart war vorsichtig genug, mit dessen Ab-sichten, in die er auf ihrer langen Wanderung ein-geweiht worden, nicht offen herauszugehen. Unumwundensprach er erst davon, als er später mit dem Metzger FritzDalk, dem Gerber Jos Schad, dem Weingärtner HansMack und noch ein paar ebenso entschlossenen Männern wie sieallein war. Sie wollten eher ihr Leben lassen, als daß diePatrizier und Protzen für sich die Fettaugen von der Suppeschöpften.„Aber itzt, wer hilft mir zu einem Gaul?" fragte derlange Lienhart noch, ehe sie sich trennten.„Ich und derFlorian, wir haben beid' unsere Rösser nit mehr aus demSchlosse retten mögen."Fritz Talk versprach ihm, daß er eines zu jeder Stundein seinem Stall finden würde. Er hielt auch sein Wort undder lange Lienhart trabte am nächsten Morgen aus demKvbolzellcr Thor, vorüber an dem Wallfahrtskirchlein undüber die steinerne Brücke, die in drei Stockwerten die Tauberüberspannte, gen Schwäbisch Hall.Neuntes Kapitel.Noch am Abend des zweiten Pfingstfeicrtages beriethenErasmus von Muslor und Konrad Eberhard mit dem Bürger-meister und ihren vertrautesten Gesinnungsgenossen. Nachden schweren Niederlagen d'r Bauern bei Königshofen undIngolstadt glaubten sie der Furcht vor jenen ledig sein zudürfen und Konrad Eberhard drang mit der ganzen Schärfeseines Wesens darauf, die Maske der Brüderschaft, welchedurch die Abberufung der beiden städtischen Vertreter von derVersammlung zu Würzburg bereits sehr durchscheinend ge-worden, ganz fallen zu lassen. Man entschloß sich dazu. Diebeiden Räthe und derAusschuß wurden zur gemeinsamen Sitzungberufen und Georg Bermcter trug vor, daß die Bürgerschaftnunmehr vor allen Dingen an ihre eigene Sicherheit zudenken habe. Man müsse daher unverzüglich den Frieden mitdem Schwäbischen Bunde suchen und zu diesem BeHufe eineGesandtschaft an den Truchseß von Waldburg schicken.„Also das ist Eure Bundestreue gegen die Bauern?"erhob Stephan von Menzingen sich mit rollenden Augen.„Anstatt ihnen in ihrer Roth beizustehen, wollet Ihr sie feigeim Stiche lassen." Em Murren erhob sich, es hatte aber nurzur Folge, daß er seinen Vorwurf der Feigheit mit demZusatz wiederholte:„Sie krönet nur Euren Wortbruch;denn Meineid war es bereits, daß der Rath den Geyervon Geyersberg der Stadt verweisen ließ.— Schreietso viel Ihr wollt," fuhr er mit einer Löwenstimme fort, alsihn die Versammlung durch Geschrei und Lärmen am Weiter-sprechen zu verhindern suchte.„Es ist meine Pflicht als Ob-mann des Ausschusses, die Stadt vor dem Schaden zu be-wahren, den Ihr über dieselbe bringt. Denn durch EureHasenherzigkeit stürzt Ihr sie und Euch selbst ins Verderben,anstatt sie und Euch zu retten. Die Unterwerfung wird unsnichts eintragen als die Verachtung des Feindes, der unsnur um so ärger bedrücken wird. Unser Heil liegt in seinerAchtung. Wir müssen sie ihm abzwingen. Schon dieKlugheit gebietet es, selbst wenn Ihr nicht mannhaftkämpfen, sondern nur erträgliche Friedensbedingungenerhalten wollet. Rothenburg ist fest und stark genug, umdem Truchseß die Stirn bieten zu können. Vor unserenMauern wird er den leichten Lorbeer lassen, den er denkricgsunkundigen Bauern abgewonnen hat. Daher, so lassetuns die Stadt in den besten Vertheidigungszustand setzen,Kriegsvolk annehmen und uns mit aller Macht rüsten."Nicht seine Gründe, sondern die Kraft seiner Stimmehatte gesiegt, so daß es ruhiger und ruhiger geworden war.Jetzt brach der Lärm von neuem los, man wollte niemandmehr zum Worte kommen lassen.„Abstimmen! Abstimmen!"schrien die Gegner von Menzingen's, von den Sitzen auf-springend und mit den Füßen stampfend.Eine erdrückende Mehrheit erhob die Hände für den Vor-schlag Bermeter's und selbst von dem Ausschüsse stimmtennur wenige gegen denselben. Es sollte also um Entschuldigungund Gnade gebeten werden und Erasmus von Muslor,Konrad Eberhard und Thomas Zweifel, der Stadtschreiberund Chronist, wurden mit diesem Austrage an den Truchseßgesendet.Sie fanden ihn in Heidingsfeld im Pfarrhause.„Ei,kommt Ihr?" riefen ihnen die Fürsten, Grafen und Ritter,so bei ihm in der Stube waren, entgegen.„Kriecht Ihr zumKreuz? Es ist just Zeit, wir wollten sonst selbst kommen seinund Euch daheim gesucht haben."Der Truchseß selbst warf ihnen ihre Treulosigkeit gegenden Schwäbischen Bund und ihren Vertrag mit den Bauernmit den härtesten Worten vor. Demüthig ließen sie den Sturmüber sich ergchen, nur Thomas Zweifel beugte das Hauptnicht. Er gehörte seiner Gesinnung nach durchaus zu denAlten; aber er war ein Mann, ein ehrlicher, furchtloser Mann.Und unerschrocken trat er auch gegen die äußerst drückendenFriedensbedingungen auf, welche der Truchseß Rothenburg auf-erlegen wollte. Unterstützt durch die diplomatische Gewandtheit's Herrn Erasmus und nicht zum geringsten durch einalbernes Kredenzgeschirr, welches der Rath dem Truchseß durchdie Gesandten überreichen ließ, gelang es ihm, von den For-derungen manches abzuhandeln. Besonders gelang es, dieverlaugte Brandschatzung von 60000 Gulden auf den zehntenTheil herabzumindern. Dagegen blieb der Truchseß unbeugsamdabei, daß die Stadt dem Bunde die Bestrafung der Bauernüberlasse.Der Innere Rath krönte dann das Werk seiner Bot-schafter durch einen doppelten Mcisterzug der Perfidie. Erlegte nämlich die Brandschatzung nicht nach dem Vermögender Bürger um, sondern vertheilte sie gleichmäßig nach derZahl der Häuser innerhalb der Ringmauern, wobei auf jedesbewohnte Haus 7 Gulden entfielen. Den Nichtzahler trafStrafe der Verbannung auf 30 Meilen Weges. Da mußtenvon den Aermsten viele mit Weib und Kind hinwegziehen.und entledigte sich der Rath auf diese Weise des un-ruhigsten Elementes der Stadt. Mit dem Einziehender Steuer, die für die Wohlhabenden eine Kleinig-keit war, die Armen dagegen schwer drückte, wurde