HwterhaltimgMatt des vorwärts Nr. 187. Freitag, den 23 September. 1898 (Nachdruck verboten.) 831 Vm die �eeiheii. Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernkriege 1525 Von Robert Schweichel . Er war nicht abergläubisch; dennoch dünkte ihn der Traum ein gutes Anzeichen. Es kam dazu, daß die Würz- burger sich allem Anscheine nach tapfer hielten, sonst hätten sie seinen Rath ja befolgt, und er schöpfte daraus die Hoffnung, daß sie sich behaupten würden, bis der lange Lienhart mit dem Entsatz erschien. Das dürfte jeden Augen- blick sich ereignen. So schied er denn nach dem Frühmahl in gehobener Stimmung von den Seinigen, um auch noch die nördlichst an der Wern gelegenen Walddörfer zu organisiren. Ueberall hatte er die Bauern zum Kampf entschlossen ge- funden. Frau Barbara trat mit dem Kinde auf dem Arme auf den Balkon und sah ihm nach, bis ihn der Wald auf- nahm, dessen höchstes laubumlocktes Haupt sonnig aus dem Blättermeer sich erhob. Seine ungewöhnlich heitere Stimmung hatte auch ihr sich mitgetheilt und die Nachwirkung eines bösen Traunies zerstreut, aus dem sie sein Morgen- kuß geweckt hatte. Sie hatte geträumt, daß er und sie mit dem Kinde von Feinden umstellt waren, so daß ein Entrinnen unmöglich war; da hatte er sein Schwert gezogen, um erst sie, dann den Kleinen und zuletzt sich selbst zu erstechen. Schon hatte sie die funkelnde Schwertspitze auf ihr Herz gerichtet gesehen, da war sie von seinem Kusse er­wacht. Sie hatte ihm den Traum nicht erzählt. Etwa eine Stunde später kam ihr Bruder zu ihr auf die Stube und fragte nach Florian. Tlls er hörte, daß derselbe in den Gramschatzer Wald gegangen sei, machte er:Hm l Hm l Er hätte nicht gehen sollen wenigstens nicht alleinl" Warum denn nicht?" fragte seine Schwester verwundert. Weil mir zu Ohren gekommen ist, daß seit gestern Nach- mittag allerlei Gesindel in der Gegend ausgetaucht ist, auch im Dorf Rimpar . Nun, Dein Mann ist ja immer gut bewaffnet." Daniit entfernte er sich wieder, die Schwester in Un- ruhe zurücklassend. Nach kurzem Besinnen ließ sie durch die Wärterin Wendel zu sich bescheiden. Sie wollte ihn ihrem Gatten zu dessen Schutz nachschicken. Wendel," redete sie ihn an, sobald er kam,hast Du auch davon gehört, daß sich im Dorf und der Umgegend seit gestern allerlei Gesindel hat blicken lassen?" Er schüttelte seinen ergrauten Kopf.Von Gesindel ist mir nichts bekannt, Herrin. Ich war just im Dorf. Es ist in dieser Nacht der Reitersbub von dem Ritter Hans von Grumbach dagewesen und zwischen Tag und Thau wieder fortgeritten. Ter soll erzählt haben, daß Würzburg über ist." Frau Barbara schrie erschreckt ans.Seit gestern Morgen. Ja, hat der Junker Wilhelm der gnädigen Frau denn davon nichts erzählt? Weil ich wußte, daß auch aus dem Dorfe etliche sind in Würzburg gewesen, so Hab' ich dort erfragen wollen, ob's auch wirklich an dem ist." Und es ist wirklich wahr?" fragte Frau Barbara in der schrecklichsten Erwartung. Leider ja, Ew. Gnaden," bestätigte Wendel mit einem traurigen Kopfnicken.Und es ist über alle Maßen grausig gewesen. Wer nit den Aufruhr mit dem Tod hat büßen müssen, solche sind aus der Stadt gewiesen worden. Weiße Stäbe haben sie halten müssen. Das hat ein Zeichen des Friedens sein sollen. Vor der Stadt ist aber da» Fußvolk raubgierig und blutdürstig über sie gefallen, hat ihnen ihre Hab und die Kleider vom Leib gerissen und sie mißhandelt, so daß ihrer nit viel init dem Leben davon gekommen sind. Dies haben sie mir in Rimpar erzählt, waren auch gar übel zugerichtet worden." Frau Barbara hatte für seinen weiteren Bericht kein Ohr gehabt. Daß Würzburg in der Gewalt des Truchseß war, bohrte und wühlte in ihrem Herzen. Sie begriff nicht, warum ihr Bruder ihr davon nichts gesagt hatte. Hatte er sie schonen wollen? Zartgefühl gehörte jedoch nicht zu seinen Eigenschaften, wie sie ihn kannte. Aber Florian mußte es ungesäumt erfahren, damit er seine Zeit nicht unnütz verlor. Sie bat Wendel, ihm nachzugehen, um ihn von der Einnahme Würzburgs zu benachrichtigen. Er würde ihn in den Dörfern an der Wern finden, und sie be- schrieb ihm den Weg durch den Gramschatzer Wald so gut sie vermochte. Er möchte sich ein Pferd geben lassen; vielleicht holte er ihn noch vorher ein. An die Gefahr, auf die ihr Bruder gedeutet hatte, glaubte sie nicht niehr. Wendel versprach ihr zu eilen. Sie ging auf den Balkon, um ihn fortreiten zu sehen. Es dünkte ihre Ungeduld eine Ewigkeit, bis sie ihn die Burg verlassen und den Weg nach dem Walde einschlagen sah. Und wenn Florian nun erfuhr, daß alles verloren war, daß er umsonst ge- kämpft, umsonst das Lebensglück der Seinigen geopfert hatte! Sie preßte die Hände gegen ihre Schläfen, in denen das Blut dumpf pochte, auf das Herz, das ihr zu zerspringen drohte. Ruhe- und rastlos ging sie in der Stube auf und ab. und schaute wieder und wieder durch die Fenster und vom Balkon, ob er noch nicht käme. Und wenn er nun wiederkam, welch ein Wiedersehen, nachdem er in der Frühe so ahnungslos, so heiter, zuversichtlich von ihr Abschied genommen hatte! Die Wärterin brachte ihr das Kind, das nach der Mutter verlangte. Sie nahm es, aber sie vermochte nicht wie sonst es zu hätscheln, mit ihm zu tändeln und zu kosen. Es begann zu weinen und sie konnte es nicht mit ihrer Zärtlichkeit still machen wie sonst. Sie gab es der Wärterin zurück und hieß sie mit ihm in den Garten gehen. Ihre Gedanken aber knüpften an das Kind an, was sollte jetzt aus seinem Vater, was aus ihnen werden? Sie versuchte es sich vorzustellen; es gelang nicht. Es war alles dunkel und verworren außer ihr, in ihr, und sie saß und starrte auf einen Fleck. Und Florian kam nicht! Stunden verrannen auf solche Weise. Barbara wußte nicht, wie viele. Ein dumpfes Gewirr von Stimmen schlug an ihr Ohr. Sie hob lauschend den Kopf und eilte auf den Balkon. Aber sie sah nichts weiterals einen Haufen Menschen, der in das innere Burgthor drängte. Als sie in die Stube zurück- trat, vernahm sie, wie in der Burg Thüren geräuschvoll zugeschlagen wurden, und ein Laufen auf den Gängen und Stiegen. Sie öffnete ihre Stubenthür und jetzt stieg von unten dasselbe Stimmengewirr herauf, das sie vorher ge- hört hatte. Wie ein Pfeil flog sie die Wendeltreppe hinunter. Die große Halle im Erdgeschoß war voll Menschen. Bauern, männliches und weibliches Burggesinde. Das Murmeln und Summen verstummte bei Barbara's Erscheinen. Man wich scheu bei Seite und sie erblickte auf einer Trage ausgestreckt, wachsbleichen Angesichts ihren Gatten. Mit einem mark- erschütternden Schrei warf sie sich über ihn. Er war todt. Er war meuchlings erschossen, die Kugel des Mörders war ihm durch den Rücken in das Herz gedrungen. Ein Waldvogt hatte ihn auf seiner Streife am Fuße jenes Berges gesunden, den die Sonne am Morgen zuerst be- grüßt und dem sie am Abend ihren letzten Kuß zuhaucht. Die Leiche hatte zum theil in einem Sumpf gelegen, Blut- spuren verriethen, daß sie von der Mordstelle dorthin geschleppt worden, der Meuchelmörder aber, aus Furcht selbst zu ver- sinken, den Tobten dann hingeworfen hatte. Darauf deuteten die tiefeingedrückten Fußspuren am Rande des Sumpfes. Weitere Spuren von dem Thäter waren nicht aufzufinden gewesen. So berichtete der Waldvogt dem Junker Wilhelm. Seine Schwester erfuhr alles erst später. Man muß genauer nachforschen, ich werde selbst hin- kommen," sagte Wilhelm von Grumbach laut.Kein Zweifel, der Thäter ist unter dem Gesindel zu suchen, das seit gestern in der Gegend umherstrolcht." Mit Verlaub, gnädiger Herr," widersprach Wendel, das kann nit sein, ansonst würd' die Leich' ausgeraubt sein. Das hat ein böser Bub' gethan." Er hatte sich auf seinem Hinritte im Walde verirrt, und der Unterförster, auf den er gestoßen, ihn auf den rechten Weg führen wollen, so waren sie beide an die Unglücksstelle gekommen. Wilhelm von Grumbach begnügte sich, stumm mit den Schultern zu zucken und trat dann zu seiner Schwester, die bei Wendel's letzten Worten den Kopf erhoben hatte und sich verstört umschaute. Der Junker zuckte unwillkürlich bei diesem Blick aus ihren trockenen, heißen Augen.Gott wird den Mord nicht ungerochen lassen," sagte er.Fasse Dich, arme Schwester; überlasse mir die Sorge für den Tobten!" Und da