Unterhaltungsblatt des Vorwärts

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haps Mittwoch, den 28. September.

( Nachdruck verboten.)

Um die Freiheit.

di

1898

der Dorfstraße anschlossen. Vor der Linde blieb sie stehen, hob den Stopf und blickte um sich, als ob sie aus einem Traum erwachte. Der Bann ihrer unheimlich glühenden Augen hielt die Leute stumm. Sie strich sich das greise

Geschichtlicher Roman aus dem deutschen Bauernfriege 1525 Haar aus der Stirn, stützte sich schwer auf den weißen

Von Robert Schweichel .

Stecken, den sie in der Hand hielt und fragte, indem sie sich nochmals langsam umschaute: Feiert die Freude Es war noch vor dem Morgenessen. Von den festen Ver- der Baufen? Ist das Jauchzen der Fröhlichen aus? ficherungen des Markgrafen beruhigt, lagen Frau Margarethe Jubeln sollt Ihr und springen; denn die Welt geht unter. und ihre Tochter nach den vielen in Kummer und Thränen Loset, wenn Ihr Ohren habt zu hören! Den Tod sah ich durchwachten Nächten in ihrem nach dem Hofe hinausgehenden reiten auf einem fahlen Pferde und er trug den Ornat eines Schlafgemach noch im Morgenschlummer. Sie vernahmen nicht Bischofs. Der Bischof von Würzburg war es, und die Hölle den dumpfen Trommelschlag, der die Einwohner zu einem neuen folgte ihm nach. Und ihm war Macht gegeben zu tödten- blutigen Schauspiel auf den Markt rief. Stephan von Menzingen, zu tödten mit dem Schwerte , mit dem Hunger und mit Dr. Deutschlin und der blinde Mönch bestiegen nach einander reißenden Wölfen. Und ich sah, wie sie tödteten, erbarmungs­das Schaffot. Geistlichen Zuspruch verschmähten sie. Nur los, dort, zu Würzburg in des Bischofs Stadt!" Sich hoch der blinde Mönch ergriff noch das Wort und sprach mit seiner aufreckend und mit gesteigerter Stimme schilderte sie wild weithinfchallenden Stimme, der die Rothenburger so oft auf phantastisch die Gräuel des Blutgerichts, deren Augenzeugin den Gassen und Plätzen gelauscht hatten: Brüder, seid sie am Morgen in Würzburg gewesen war, so daß den getrost, wir sterben für die Freiheit, aber die Freiheit stirbt Hörern das Blut in den Adern gerann." Ihr ächzet nicht mit uns!" Stehend empfing er den Todesstreich. und stöhnt?" fuhr sie fort. Aber also beschaffen ist die Ge­rechtigkeit Gottes und seine Barmherzigkeit mit uns armen Leuten." Sie lachte schrill anf.

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Nach ihnen fielen die Köpfe der vier Bürger und Hans Holmpach's, die vorläufig in den Thurm geschickt worden, sowie die dreier Bauern- Hauptleute, welche den Fuß- ,, Und wer bist Du?" fragte der alte Neuffer, der unter fnechten zufällig in die Hände gerathen waren. Sie alle der Linde saß, sein Grausen niederdrückend. Die schwarze starben, wie die Blutzeugen versicherten, mit der größten Hofmännin wandte ihm ihre Augen zu und fragte:" Weißt Standhaftigkeit. Und weil man eben bei der Henkersarbeit Du es noch, wer Du bist, alter Mann? Feuer, Thränen und war, so ließ der Rath gleich noch einen Schmied wegen Todt- Blut haben meinen Namen ausgelöscht." schtages, der Markgraf einen widerspenstigen Lanzknecht und Aber es ist die schwarze Hofmännin", rief einer, der ein Edelmann zwei seiner abtrünnig gewordenen Hinterfassen bei dem Fähnlein des langen Lienhart gestanden hatte. Da Töpfen. Das Blut floß wie ein rother Bach über den Markt und nannte Martin Neuffer ihr seinen Namen und lud fie ein, die abschüssige Schmiedgasse hinab. Auch diese Leichen blieben auf seinem Gehöft zu übernachten. Der Name machte sie fämmtlich bis zum Abendgeläute auf dem Marktplate liegen, aufmerksam, wahrscheinlich war es die Erinnerung an Simon worauf sie von dem Todtengräber zu den bereits früher Gerichteten gewesen, die sie unbewußt nach Ohrenbach geführt hatte. Sie in die Grube auf dem Judenkirchhof geworfen wurden.sah ihn nachdenkend eine Weile an, schüttelte dann aber den that Als der Markgraf Kasimir von Brandenburg von seinem Kopf und seufzte:" Ich kann halt gar nir mehr behalten." Spazierritte zurückkehrte, war das blutige Werk gethan. Die Was thut's?" ermuthigte der Alte sie. Komm jekt Betäubung und den Jammer der Frau von Menzingen und schon mit." Ich hab' Dich allbereits gekannt, wie Du der Ihrigen zu schildern, als sie das Entsetzliche erfuhren, wer noch jung warit, zu Niflashausen, und auch den Hans vermöchte es? Der Markgraf kam allein nach Rothenburg Böheim und Deinen Enkel."

zurück. Die schöne Herodias sette ihren Ritt im Geleit der Da schrie sie auf:" Verbrannt, gemordet, und der Bischof Reisigen nach Schloß Onolzbach fort, um nimmer wieder- lebt!"

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zufehren. Sie hatte alle Bande zerrissen, die sie an ihre Der alte Neuffer faßte ihre Hand und wollte sie mit Vaterstadt knüpften. Der Markgraf aber zog noch selbigen sich ziehen. Du mußt etwas essen und schlafen," sagte er Tages mit seinem Kriegsvolte ab, um anderwärts seines mitleidig. Sie aber riß sich los und rief: Wer fann Henferamtes zu walten schlafen bei dem Jammergefchrei des zertretenen Volks? Es läßt mich nit ruhen. Ich höre es immer, es erfüllt die Welt. Horch! Horch! Der jüngste Tag bricht an. Ich muß Gericht halten. Wehe! Wehe! Wehe!" Mit großen Schritten enteilte sie in die sinkende Nacht.

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Bereits am Tage nach seinem Einzuge in Rothenburg hatte er je ein Fähnlein Fußvolk und 150 Reiter nach Brett heim und Ohrenbach geschickt, um diese beiden Hauptherde der Revolution zu zerstören. Die Brettheimer stellten sich tapfer zur Wehr und es wurden ihrer viele erschlagen, auch Jörg Die Täuschung ihrer felsenfesten Ueberzeugung, dort, wo Metzler fiel eine traurige Sühne des Kleinmuthes, mit Hans Böheim einst verbrannt worden, hatte sie irrsinnig dem sie vor Königshofen sich zerstreut hatten, anstatt in die gemacht. Noch länger als ein Jahr sah man die Unglück­Schlacht einzugreifen. Das Kriegsvoll zog mit 600 Häuptern fiche im Lande umschweifen, dann war sie verschollen. Vich und 30 Wagen voll Beute aus dem in Flammen auf- Als der alte Neuffer zu Haufe von ihr erzählte, bemerkte gehenden Dorfe ab. feine Schwiegertochter, sie wundere sich, daß sie nicht auch Ohrenbach war das einzige Dorf des Rothenburger Ge- den Verstand verloren habe. Sie vermochte sich über den bietes, das auf die Aufforderung des Rathes an die Tod Simon's nicht zu fassen und wies jeden Trost ab. Der Landschaft, sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben, stumm Vater und Käthe hätten leicht ihr zusprechen, grämelte sie; geblieben war, trotzdem es durch den unseligen nächtlichen denn deren Verluste mögen den ihrigen nicht auf. Sie Sturm auf den Marienberg und die Schlacht bei Ingolstadt hätte nicht nur den Mann, sondern auch den Vater ihrer den größten Theil seiner waffenfähigen Männer eingebüßt Stinder verloren. Was nun aus diesen und ihr werden sollte? hatte. Durch Flüchtlinge der Schwarzen Schaar, die sich mit Sie hätte es ja von Anfang an gesagt, daß der Aufstand Florian Geyer durchgeschlagen hatten, kam die Kunde von schlecht ausgehen würde, der Bauer sich aber nicht bedeuten diesen Geschehnissen so wie von dem feurigen Heldentode lassen. Bei ihrem Hange, das Schwere sich noch schwerer zu Simon Neuffer's nach Reichardtsrode und Ohrenbach . machen, wühlte ihr Schmerz sich in eine an Feindseligkeit Und als ob des Schrecklichen noch nicht genug wäre, er- grenzende Bitterkeit gegen den Verstorbenen ein, daß er schien an demselben Tage, an dem der Truchseß von Wald- folches über sie und die Kinder gebracht hatte. Ihre Thätig­burg in Würzburg eingezogen war, die schwarze Hofmännin teit erlahmte darunter, so daß Käthe zu der äußeren Wirth­in Ohrenbach . Es war nach dem Abendgeläute und die schaft auch die Sorge für die innere so gut wie ganz Dörfler standen und faßen vor den Häusern wie übernehmen mußte. Warum sollte sie noch schaffen, fie bei der Linde, als die schwarze Hofmännin daherkam. Ihre mußten ja doch alle zu grunde gehen, jammerte Ursel. Kleider waren zerfekt und das graue Haar hing ihr in wirrer Der alte Neuffer trug den Verlust des Sohnes ohne zu Auflösung um das dunkelbraune runzelige Geficht. Sie war flagen, aber er verfiel sichtlich und sein stilles Leid schnitt barhäuptig, hatte den Kopf gesenkt und sprach unaufhörlich Käthe am wehesten ins Herz. Dazu lag oben auf der Kammer mit sich selbst, der Neugierigen nicht achtend, die sich ihr auf I noch einer, der zwar ihres Trostes nicht bedurfte, denn er lag