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Der Frühstücksaustragen. Das Hauptgespräch bildet natürlich der haben in der Rolle des Wohlthäters ohne Vorurtheil wider das ge­Lehrer, an deffen handgreiflicher" Lehrmethode die älteren Brüder fallene Weib". Bald aber erwachen seine Klasseninstinkte. schon manche Erfahrungen gemacht haben.

Die Schulstunden sind vorüber; so sehr schrecklich waren fie garnicht gewesen. Nun geht es heim. Die älteren Brüder warten bereits auf die kleinen; allein diese sind jetzt stolz; sie haben in der Schule ihre alten Kameraden wiedergefunden, mit denen sie gemein­schaftlich den Weg nach Hause antreten wollen.

Der Heimweg ist gar zu schön. So viele Zuckerläden und Spielwaarengeschäfte. Mit sehnsüchtigen Blicken stehen die Kleinen vor den ausgebreiteten Herrlichkeiten.

Dort kommt eine Gouvernante; sie führt an jeder Hand ein elegant gekleidetes Kind: Zwillingsbrüder, welche heute gleichfalls zum ersten Male die Schule besucht haben. Vor dem Zuckerladen machen sie halt. Die kleinen Gemeindeschüler rücken schen bei Seite. Dann wählt sich jedes von den feingekleideten Kindern etwas von den ausgestellten Süßigkeiten; die Gouvernante geht in den Laden und bringt zwei große Düten heraus; dann zieht sie mit den beiden Kindern weiter.

Die anderen bleiben noch einige Zeit vor dem Schaufenster stehen und blicken mit stillem Verlangen der davoneilenden Gruppe nach. Dann seufzt einer von den Kleinen so recht aus tiefstemt Herzen auf: Du, die sind wohl reich?" Langjam schleichen die fleinen Kerle nach Hause. All ihr Jubel ist mit einem Wale ver­Stummt. Theater.

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Was

werden unsere Kreise davon denken?" fragt er. Jede Unbequem­lichkeit ist diesem Manne ohnedies verhaßt; und als Toni's kränkeln­des Kind erst gestorben ist, da ist nun bei ihm die volle Klassen­empfindung entfesselt. Man jagt die arme Toni hinaus, man will sie mit Geld abfinden, das bitterste Gnadenbrot möchte man ihr aufdrängen, und die Gequälte, Verbitterte geht freiwillig" in den Tod. Man wird hier mehr überredet, als durch künstlerische Schilderung von dieser Nothwendigkeit überzeugt.

Nur ein Familienmitglied, des alten Losetti unschuldige, junge Tochter, fühlt, was die arme Toni in den Tod getrieben hat. Wir haben ihr Gnaden erwiesen, wo wir hätten gut sein sollen," sagt sie.

Die Darstellung im Deutschen Theater kam dem modernen Wiener Trauerspiel sehr zu Hilfe. Sie brachte dem halbgelungenen Versuch Schmiyler's bei dem Premièrenpublikum wenigstens einen ganzen Erfolg. Allen voran sei Reicher mit seiner Meisterstudie des Deputirten und Professors Losatti genannt. Der Toni Weber des Fräuleins Else Lehmann hätte etwas mehr wienerische Weich­heit und Wärme genügt. -ff.

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Im Schauspielhaus wird eine neue Arbeit der Firma Blumenthal und Kadelburg aufgeführt, die nun hoftheater­fähig geworden ist. Auf der Sonnenseite" heißt der Schwant, der übrigens einem alten, schon vielfach gewendeten und aufgebügelten Kleidungsstück gleicht. Ein Baron, der all sein Geld Deutsches Theater. Es ist schlimm, wenn man in Deutsch - verjugt hat, wird durch Liebe furirt. Er lernt arbeiten und in der land einmal eingereiht und mumumerirt ist, dann kann es einem leicht Arbeit die wahre Sonnenseite des Lebens schäßen. Mit rührsamer so gehen, wie dem kleinen Toffel, der nach Jahren in sein Heimaths- Dankbarkeit freut sich das Publikum der ollen Kamellen. Mit dorf zurückkehrte und, wiewohl er ein starker Bursche geworden war, künstlerischen Dingen stehen derlei Handelsprodukte in keiner Be­vom erstbesten alten Weib der kleine Toffel angesprochen wurde. ziehung mehr. Ob sie nun zwanzig, ob fünfzig Mal in der Saison Arthur Schnipler, der Verfasser der Liebelei", dessen neues gegeben werden, das geht nur die Marktinteressenten des Theaters Drama Vermächtniß" am Sonnabend" im Deutschen Theater an, dem, wie der Börse, ein stehender Markt- und Kursbericht zu aufgeführt wurde, gehört ebenfalls zu den Abgestempelten. Ein wünschen wäre. Wiener Plaudertalent, graziös, ein wenig burschikos, in Leid und-r. Das Schiller Theater hat am Sonnabend mit Freund gern spielerisch; das Wesen seiner kleinen Dichtungen der Aufführung von Philipp Langmann' s" Bartel erinnert an die Weise des guten Wiener Walzers mit seiner auf- Turaser" einen seiner besten Erfolge errungen. Daß der starte jauchzenden Genußfreude und seinem verhaltenen Weh. So ungefähr Eindruck, den das Stück voriges Jahr im Lessing- Theater auf ein lautete der literarische Steckbrief des Mannes. Nun will aber Arthur blafirtes Publikum ausübte, auch hier erzielt wurde, will nicht viel Schnitzler heraus aus seiner Reihe, er möchte sein Beobachtungs­gebiet erweitern und flugs schallt ihm von mancher Stelle das Kommandowort entgegen: Stillgestanden! Das dulden wir nicht. Es ist die alte Geschichte!

Das Wagniß, die engeren Schranken, innerhalb derer Schnitzler bisher gewirkt hat, zu durchbrechen, ist dem Wiener Poeten auf dem ersten Anlauf nicht gelungen. Wenigstens nicht durchaus. Auf einen vortrefflichen Aufbau folgen künstlerisch arme Flächen. Die warme Gestaltungskraft läßt nach, die kühlere Berechnung waltet vor. Trotzdem möchte man dem Manne, der den ersten Aft im Ver­mächtniß" geschrieben hat, zurufen: Schreite vorwärts, unbeirrt!

Freilich, schon an der Voraussetzung des Dramas läßt sich im Grunde rütteln. Wiederum klaffen alte Klassengegensäge im Drama. Das arme süße Mädel" hat sich in den Sohn aus gutem Hause verliebt. Aus der Liebelei ist eine tiefernste Sache geworden, und man könnte den jungen Herrn Dr. Hugo Losatti fragen: Warum die Heimlichkeit des Verhältnisses? Es haben um geringerer Dinge willen, als ein liebevolles Weib es ist, erwachsene Söhne sich von ihrem Hause losgesagt. Steckst Du selbst so tief in Deiner Klassenempfindung?

Indessen, wie die Sachen im Stüde liegen, ist die Zwitter­stellung der Geliebten Hugo's nicht unwahrscheinlich. Vielleicht war der junge Mann noch nicht reif genug oder zum Entschluß noch nicht gedrängt worden. Vielleicht hatte er seine Vorbereitungen getroffen, als ihn ein schwerer Unfall betraf. Man hat faum die Familie Hugo's tennen gelernt, da wird Hugo tödtlich verlegt ins Haus ge­bracht. Er ist während eines scharfen Ritts unglücklich gestürzt und hat nur kurze Zeit noch zu leben. Nun drängt in ihm sich alles Er offenbart sich vor seiner Mutter. Seine Geliebte und sein vierjähriges Kind empfiehlt er sterbend seinen Eltern als sein theuerstes Vermächtniß. Sie sollen die verlassene Toni und ihr Kind halten und hegen, als wäre Toni Hugo's legitimes Weib geweien.

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bedeuten in einer Zeit, wo die soziale Frage selbst den verzopften Philister zuweilen arg im beschaulichen Genießen stört; und so hätte wohl auch eine mittelmäßige Darstellung an an dieser Stätte noch Spuren hinterlassen. Bartel Turaser ward im Schiller Theater aber gut gegeben, was um so mehr bejagen will, als einige der markantesten Rollen Künst lern überlassen waren, die sich bis jetzt im Ensemble dieser Bühne faum bemerkbar gemacht hatten. Wohl war anzunehmen, daß Herr. Pategg für die grübelnde Natur des Turaser der rechte Mann fein würde; eine angenehme Enttäuschung war es aber, daß der Schauspieler Gustav Olmer, ein Herr, dessen Name unseres Wissens am Sonnabend überhaupt zum ersten Male auffiel, den Ausstandsleiter Meigner in so einfacher und dabei scharfer Charakteristik gab, als ob er selber schon einen Streit geführt hätte. Da war keine Spur von dem polternden Bramarbas, in den die heutige Bühne sonst gerne in den wenigen Stücken, welche den Klassenkampf berühren, auch den verständigen Arbeiter einkleidet; der Kassenführer des Herrn Olmer erschien als der schlichte Mann, der ohne phrasenhaften Anstrich mit ruhigem Selbstbewußtsein seines verantwortungsvollen Amtes waltet. Erwähnt sei noch, daß das Weib des Turaser in Therese Leithner eine tüchtige Darstellerin fand, daß der Sohn der beiden von dem kleinen Bottstein rührend gespielt wurde, und daß Herr Eyben und Frau Röcke das alte Chepaar, welches die ab­gestorbene Zeit der verderblichen Resignation im Elend charakterisiren foll, in wahrheitsgetreuer Zeichnung gaben.

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Vortrefflich gelang die schwierige Versammlungsszene im zweiten Aft. Wenn wir am Schluß noch unsere Meinung dahin äußern, daß die Aufführung im ganzen wohl etwas weniger auf den senti­mentalen Ton hätte gestimmt sein können, so soll damit an sich die brave Leistung vom Sonnabend nicht im geringsten verkleinert werden. -ld. Die Neue freie Voltsbühne brachte am Sonntag Ignaz Auer hat neulich gesagt: Reichstags- Abgeordneter zu sein, eine Novität heraus: Die Agrarkommission" von Kurt ist wohl kein Vergnügen, aber gewiß auch feine Schande. In den Aram. Es ist eine Satire, eine aktuelle, die Regierungspolitik jungen Tagen unjeres Parlamentarismus war der Parlamentarier verhöhnende Satire. Doch ist sie zu einseitig auf den Ulf gerichtet, ein bevorzugter Mann in der Literatur. In der Gegenwartsliteratur um zu peitschen. Warme, ernste Töne, die auch die Satire haben pflegt es ihm ähnlich zu gehen, wie auf Voltsversammlungen. muß, soll sie erregen, fehlen gänzlich. Zwei Regierungsräthe Hugo's Vater, die saftigste, an individuellen Zügen reichste Gestalt gehen auf den jegt so beliebten Bauernfang. Die Bauern des des Stückes, ist zum Ueberfluß auch Reichstags- Abgeordneter. Hessischen Dorfes Hungerichenhain, die sich über Das soll den selbstgefälligen Dummtopf noch näher kenn zeichnen. Man könnte Auer's Ausspruch etwa dahin variiren: Ein Abgeordneter braucht gerade kein Kirchenlicht zu sein; aber ebenso wenig braucht er als selbstgefälliger Tölpel zu erscheinen. Uebrigens dem liberalisirenden Wiener Schwäger, der noch nie jemanden beachtet und bewundert hat, als sich selbst, steht die Marke Deputirter nicht uneben an. Es ist möglich, daß Schnitzler diese Charakterfigur erst durch das Ibsen 'sche Mittel sehen gelernt hat; wie er sie aber sah, wie er sie auf Wienerischem Boden auf die Beine stellte, das ist sein eigenstes Künstlerwerk und es ist nicht wenig.

Anfangs ist der alte Herr Lofatti noch gerührt und dünkt sich er­

eine sehr

schlechte Lebenslage zu beklagen haben, glauben, die Herren kämen, um zu untersuchen, ob sich der gewünschte Bau einer Eisenbahn nach ihrem Dorfe lohnen würde. Und um die Bahn zu erhalten, suchen sie bei den Regierungsvertretern die Meinung zu erwecken, als schwämme das Dorf nur so im Wohlstande.

Die versprechungsreiche, aber thatenlose Regierungspolitik wird gerächt, indem die Bauern die Regierungsvertreter hinters Licht führen. Das ist nicht allzu schwer bei der grenzenlosen Beschränktheit der vom Verfasser vorgeführten Räthe. Schulrath Diller ist einfach ein Trottel, während Herr v. Kripper wenigstens ein bischen der gouverne­mentalen Durchtriebenheit befißt. Die Darstellung des Bureaukraten als reinen Schwachkopfes ist leichtsinnig. Sie verführt dazu, seine