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deptam Luftballon.

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zitteriges Licht ergoß, schlug plötzlich das dumpfe, verworrene Gemurmel einer schleppenden Klageweise an sein lauschendes Klapp, flapp tönt es eben neben mir; unser liebenswürdiger Ohr, das schärfer wie sonst wohl für alle Sinneseindrücke empfänglich war. Anfangs dachte er an ein Froschkonzert, Reisebegleiter, Dr. Biedermann, so entnehmen wir einem Berichte aber da fiel ihm auch gleich wieder ein, daß dieser Peſtgraben der N. 3. 3." über die jüngste, von Sitten aus unternommene kein Leben athmendes Geschöpf beherbergte. Je näher er Spelterini- Fahrt, hat bereits eine Reihe von Bildern auf der licht­kam, desto klarer und schärfer klang das Geräusch an sein Ballaſt aus!" ruft Kapitän Spelterini; nochmals zwei; noch mehr!" empfindlichen Platte für immer festgehalten. Höher! Zwei Säde Ohr, und als er um die Ecke schritt und auf einen in der Nähe wir steigen langsam auf 1500, dann 2000 Meter. Welch' wunderbare der Fabrik gelegenen kleinen Plate angelangt war, wurde ihm Pracht! Keiner von uns ist eines Wortes fähig. Unter uns liegt die Erklärung des Räthsels. das ganze herrliche Rhonethal, die flankirenden Höhenzüge sind stellen­weise in wundervoller Klarheit sichtbar, weiter draußen gegen Süden die Savoyer- Berge in lückenhaftem Wolfenmeer, die tiefblaue Schale des Genfer See's grüßt zu uns hinauf. Das arme Wort ist nicht im ftande, auch nur ein schwaches Spiegelbild zu geben von all' der großartigen Schönheit, die sich von Moment zu Moment dem trunkenen Auge entrollt. Nur die rapid fallende Linie des Registrir- Barometers läßt die rasch steigende Bewegung des Ballons erkennen, die mit bei­spielloser Sanftheit, unter völliger Abwesenheit jeglicher Luft­bewegung, eine unendlich angenehme Ueberraschung bietet. Die Vega hat fast genau nordwestliche Richtung: 11 Uhr 43 Minuten, das Baro­meter marfirt bereits 4500 Meter Höhe, und die Lufttemperatur ist auf-10 Grad Celsius gesunken; trotzdem durchaus kein Frost- oder Kältegefühl! Senkrecht unter uns liegt der Glacier de Zanfleuron  dem Rorbrand, an einent eisernen Galgen aufgehängt, furrt friedlich der Diablerets", wieder ein prachtvolles Bild. Weit draußen vor mein Aspirations- Thermometer. Es wird mittels eines durch Uhr­werk getriebenen fleinen Ventilators einem Dauerstrom der um­gebenden Luft ausgesetzt und dient zur Ermittelung der wahren Lufttemperatur. Die Ablesung der Thermometer- Stala geschieht durch ein kleines Fernrohr, das sicher am Korbrand befestigt ist, mir jeden Augenblick den Stand des Quecksilberfadens abzulejen gestattet.

Im Hintergrund einer kleinen, am Treffpunkt zweier Straßenzüge errichteten Nische thronte nach Antwerpener Sitte die holzgeschnitzte, buntbemalte Figur der Madonna, die an die hundert kleine Kerzen und Talglichte mit einem flimmern­den Heiligenschein umstrahlten. Die nachtschwarze Dunkelheit der schlecht beleuchteten Straße gab dieser Illumination noch einen besonderen phantastischen Reiz. Das Poſtament der Statue war so niedrig, daß die züngelnden Flämmchen der Lichtdochte, die in der Stille der schwülen Nacht leise knisterten, das Muttergottesbild, vor dem sonst nur ein bescheidenes Lämpchen brannte, nur schwach erhellte. Und im Schatten dieser fümmerlichen Beleuchtung fniete zu Füßen der Madonna ein dichtgedrängter Haufen von Frauen in schwarzen Mänteln und weißen Hauben, die die Kugeln des Rosenkranzes durch die Finger gleiten ließen und mit der kläglichen, tonlosen Stimme des Armen, die ihres Lebens Jammer erzählen, Gebete murmelten.

Es war vorauszusehen, daß die Illumination vor Be­endigung der langen Fürbitte erlöschen würde.

hinaus zum Säntis durch lückenhaftes Wolfenmeer, ein gut Stüd Höher! Wir überblicken fast die ganze nördliche Schweiz   bis

Schon zeigten sich hier und da schwarze Pünktchen in dem flimmernden Lichterkranz. Und jedesmal, wenn ein Rahe gegen Chatel St. Denis  ; 12 Uhr 45 Minuten, wir sind schon Die Vega fliegt weiter nordwestwärts, direkt über den Rocher de Flämmchen zuckend zu ersterben drohte, erhob sich das Ge- über Montblanc- Höhe, und es fängt an, tälter zu werden; murmel zu heißerer Inbrunst, und lauter und schneller flüsterten 16 Grad Celsius, rufe ich Professor Heim zu. Unser guter Kapitän die bebenden Lippen die Gebetformeln, denn jedes dieser reicht mir ein Gläschen Henessy- Kognat, sonst mundet er trefflich, sterbenden Flämmchen versinnbildlichte den Armen die Seele aber jetzt schmedt er unangenehm bitter in dieser Höhe und brennt eines geliebten Bruders, eines Gatten oder eines Kindes. in der gänzlich ausgetrockneten Kehle. Hörten jene auf zu brennen, so that im selben Augenblick ein Sterbender seinen letzten Athemzug. So bedeuteten die flackernden Lichter, die eines nach dem anderen ausgingen, ebensoviele letzte Seufzer mit dem Tode ringender Menschen, und mit der zunehmenden Dunkelheit vergrößerte sich auch das Leichentuch, das die Opfer des Tages umschloß. Aber schmärzer noch als diese Todesschatten recte sich, wenige Schritte entfernt, die Fabrik wie der Tempel einer böswilligen Gottheit in die Luft. Und den unheimlichen Eindruck dieses düsteren Nachtbildes, dem Ort und Stunde geheimnisvolle Deutung gaben, erhöhte noch der scheußliche Unrathgraben, der, übelriechender als gewöhnlich, mit seinen giftigen Dünsten den Erfolg dieses Bitt- und Thränenopfers vereitelte.

Der fromnie Hymnus brach plötzlich schrill ab und erstarb in einem wimmernden Schluchzen. Auch das letzte der Lichter war erloschen. Der letzte der mit dem Tode ringenden Cholerakranten hatte die Augen zum ewigen Schlummier ge­schlossen.

VI.

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Berner- Oberländer- Riesen, Jungfrau, Mönch und Finsteraarhorn, find über das letztere ragen Rigi  , Pilatus   und Säntis hervor. Die theilweise in Wolfen  , aber doch erkennbar. 1 Uhr 30 Minuten, 6200 Meter! Wir stehen über Oron  , das Thermometer zeigt auf 20 Grad Celsius und das Barometer martirt faum noch 340 Milli­meter Luftdruck.

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In dieser enormen Höhe treiben wir eine volle Stunde lang dahin. Ich fühle, daß ich zusehends schwächer werde; zeitweise befällt mich eine starte Schlafſucht, aus der ich mich energisch aufraffent muß. Leichtes Herzklopfen stellt sich ein, ich fühle einen stechenden Kopfschmerz, die schon stark verdünnte Luft fordert gebieterisch ihre Rechte. In den Höhen von 5000 bis 6000 Meter ist lettere bereits so verdünnt, daß durch die Athmung nicht mehr die zur Er­haltung des Lebens erforderliche Menge Sauerstoff den Lungen zu­geführt werden kann, wie die unglückliche Fahrt des französischen  Ballons Le Zenith am 15. April 1875 gelehrt hat. Auf dieser Fahrt, bei der eine Höhe von 8000 Metern erreicht wurde, haben zwei der Luftschiffer, Sivel und Crocé- Spinelli, wegen Mangel an Sauerstoff ihr Leben eingebüßt. Es ist deshalb eine unerläßliche Forderung, genügenden Sauerstoff zur Einathmung in so großen Höhen mit hinauf zu nehmen.

Mit Sauerstoff gesättigte Luft in kleinen Stoffballons für diesen 8wed mitzuführen, wie es bei jener unglücklichen Hochfahrt des Zenith geschah, ist nicht empfehlenswerth. Vielmehr wurden von der Bega mehrere mit je 500 bis 800 Liter reinen Sauerstoffs gefüllte 120 Atmosphären komprimirt war. Das Drud- Reduktionsventil der Stahlflaschen mitgenommen, in denen das kostbare Lebensgas auf Flaschen gestattet, den Sauerstoff unter beliebiger Pression bis zu zwei Atmosphären ausströmen zu lassen, worüber ein an dem Ventil­gehäuse angebrachtes Manometer Auskunft giebt. Ich sezze einen langen Gummischlauch an das Ventil und sauge das belebende Gas in langen gierigen Zügen in die Lungen. Der lästige Kopfschmerz, das zeitweise leichte Herzklopfen nehmen sofort ab, und ich fühle unmittelbar die erfrischende belebende Wirkung des Gases auf den geschwächten Körper.

Diesen Winter sollte Fräulein Dobouziez in die Gesell­schaft eingeführt werden. Mit Besorgungen und Einkäufen gingen die Tage hin. Gina hatte eine ganze Zahl kostbarer, mit raffinirtem Lurus gefertigter Toiletten bestellt. Die Mutter, die die Tochter begleiten und ihr als Ehrendame dienen mußte, fühlte in ihrem Herzen alte vergessene, gefallsüchtige Regungen wieder lebendig werden. Sie hatte den Ehrgeiz, sich wie ein junges Mädchen anzuziehen, helle, schreiende Farben zu wählen, und sich in der Wahl der Kleider und der Frisur nach der Tochter zu richten. Ihre unbändige Vorliebe für künstlichen Blumenschmuck und grellfarbige Schleifenarrangements ließ sie unaufhörlich in allen Modewaaren Geschäften der Stadt herumlaufen, wo sie alle Kartons durchwühlte und ein Kunter­bunt von Bändern, Straußfedern, Blumen und Besatzflittern Unterdessen sind unser Ballonchef Spelterini und die beiden um sich breitete. Wäre Regina nicht immer bei der Hand anderen Herren unablässig bemüht, die reizvollen Bilder der Um­gewesen, um die Verkäuferin bei seite zu nehmen und beim gebung durch die Sutter'schen Moment- Apparate auf der Platte zu Weggehen ein gutes Theil der von ihrer Mama ausgewählten firiren. Professor Heim notirt und zeichnet dabei eifrig; er befindet Sachen leise abzubestellen, die gute Dame hätte auf ihre Hüte Vor- fich, auch ohne Sauerstoffathmung, verhältnißmäßig ganz wohl; sein räthe gehäuft, die genügt hätten, den Hochaltar im Dom würdig Bart ist voll Eiszapfen, wachsgelb sein sonst sehr frischer, rosiger zu schmücken oder ein kleines Museum für Naturkunde   aus Teint. Ueber Spelterini's energische Büge legt sich eine tief duntele, zustatten. Es gab oft genug harte Kämpfe, bis es Gina, die schwarzbraune Färbung, seine sonore Stimme klingt hohl und dumpf. sich um nichts in der Welt lächerlich machen wollte, durch die uns alle umgiebt, jener eisig- stillen, ewigen Ruhe der höchsten Jetzt erst werde ich der unheimlichen, geisterhaften Stille gewahr, gesetzt hatte, die buntscheckige Ausstellung, mit der Frau Schichten des Luftmeeres, zu denen kein Geschöpf und kaum noch Dobouziez in den Kreisen der geldmächtigen Antwerpener ein Laut der Erde hinaufdringt. Das schwache Surren des Uhr­Gesellschaft Aufsehen zu erregen gedachte, einigermaßen zu wertes am Aspirations- Thermometer, das Tiden der Uhren in lichten. ( Fortsetzung folgt). unseren registrirenden Barometern unterbrechen kaum hörbar die