Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 206.
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Freitag, den 21. Oktober.
( Nachdruck verboten.)
1898
Die jungen Herren Saint- Fardier sind sehr begehrt. Sie dußen alle Herren und sind in alle jungen Mädchen verschossen. Aber in erster Linie sind es doch die kleinen Vanderlings, die es ihnen besonders angethan haben. Die weit ausgeschnittene Sie alle aber sind sammt und sonders wohl erfahren in Weste dieser Salonlöwen ist so wenig zugefnöpft wie ihr allen Künsten des Handwerks, fie verstehen sich meisterlich auf Mund, der von wikigen Bemerkungen überfließt. Sie amüsiren die Kniffe und Schwindelmanöver, die das Geld der Anderen sich augenscheinlich aufs beste und geruhen, ihr Urtheil über in ihre eigenen Geldschränke hinüberleiten. Sie alle be- den Abend in die Worte zusammenzufassen, daß es fast ebenso fleißigen sich des Betruges und des Diebstahls, soweit schön wie auf dem letzten Balle beim Grafen d'Hamberclina sich die Sache im Rahmen des Gesetzes machen läßt, ist". Ihr würdiger Erzeuger, der sich in seinen Gesellschaftsund demzufolge sind sie auch alle untrügliche Meister anzug nicht sonderlich behaglich fühlt, schwadronirt und fuchtelt in der Kunst, dem Gesetz ein Schnippchen zu schlagen mit den Armen herum, als wenn er es mit seinen Fabrikund sich mit geriebenen Gaunerschlichen durch die Maschen arbeitern zu thun hätte.
des Strafgesetzbuches zu winden. Reich sind sie alle genug, Angela und Cora tragen, mit fecker, jungenhafter Unaber in ihrer unerfättlichen Geldgier möchten sie gern noch genirtheit die auffallenden, auf die effektvolle Blendwirkung immer re cher werden. Die jungen Erben tragen schon die berechneten Toiletten, die der Kombinationsgabe ihrer Mutter müde 2.bespanntheit zur Schau, die das Ergebniß vorzeitiger ihr Entstehen verdanken. Frau Vanderling, die Tochter Sorge und Aufregung ist. Sie haben schon die Greisenstirn eines reichgewordenen Kunsttischlers aus dem Faubourg stumpfsinniger Lebemänner, die in Genußsucht und verwickelter Saint- Antoine in Paris , sieht auf die Kaufleute Rechenarbeit ein Uebriges gethan haben. Obgleich sie sich im und Nichtpariser mit hochmüthiger Mißachtung herab. Gesellschaftssalon bewegen, beobachten sie einander trotzdem Nur Gaston und Athanafe Saint- Fardier de la mit aufmerksamen Blicken, als ob es sich für jeden darum Bellone, die doch wenigstens in Paris erzogen worden handelte, den anderen zu überlisten und hineinzulegen. waren, finden noch Gnade vor den Augen der Pariserin, Und wie bei den Männern, so trifft man auch bei den Frauen wie Frau Vanderling gemeinhin genannt wird. Kaum hatte dieselbe Gleichförmigkeit und berufsmäßige Aehnlichkeit. Nur sie bemerkt, daß die beiden Stußer ihre Töchter mit Ausdie Verschiedenheit des buntscheckigen Toilettenfirlefanz verdeckt zeichnung behandelten, als sie es sich auch angelegen sein und verkleidet das allen gemeinsame Wesen. Dice Mama's ließ, Angela und Cora zu entschlossenem Vorgehen anzuhalten. schwitzen in ihren enggeschnürten Korsetts, gallsüchtige alte Die kleinen, herausfordernden Fräuleins sind nicht umsonst Weiber scheinen eine anstrengende Fastenzeit durchgemacht zu bei ihrer Mutter in die Schule gegangen, die sich auf solche haben, obschon der Preis der blikenden Edelsteine, die auf fein eingefädelte Liebesintriguen wie eine gewerbsmäßige ihren Fezen funkeln und flimmern, ausreichen würde, ein Supplerin versteht, und lassen ihren schmachtenden Seladons halbes Hundert armer Familien zwei Jahre lang zu nähren. so wenig Ruhe, daß es fast so aussieht, als ob Was die jungen Mädchen anbetrifft, so begegnet man langen, das Bild den Jäger verfolgt. Ihr Vater, der bemageren, frühreifen, naiven, schlanken, drallen, blonden, rühmte Vanderling, eine Zierde der Antwerpener Juristenbrünetten, sentimentalen, lachlustigen und verzierten Mode- fchaft, überläßt seiner lieben Frau gern die Sorge, die Töchter puppen. Ihre Sinne find wohl verfeinert, aber ihr an den Mann zu bringen, er hat sich in das kleine SpielGefühlsleben begrenzt der engste Horizont. Um ihren zimmter zurückgezogen und berichtet seinen aufhorchenden ZuFreundinnen den Rang abzulaufen, befleißigen fie hörern zwischen zwei Whiftpartien ausführlich über die neueste fich in ihren gesellschaftlichen Beziehungen derselben Liebestragödie, deren Helden er demnächst vertheidigen soll. Raffinirtheit, die ihre Väter, Brüder und Männer bethätigen ,,, Eine ganz ungeheuerliche Geschichte im Genre Lord Byron , wenn es sich darum handelt, einem Konkurrenten ein Bein so etwas wie Lara oder der Korsar in die nackte Wirklichkeit zu stellen. Und ihre Unterhaltung? Sie bewegt sich in den übertragen!" bemerkt er, während er mit der Rechten feinen ausgefahrenen Geleisen banalsten Zeitungstratsches. langwallenden Apostelbart liebfosend streichelt, eine Gebärde, Die Gesellschaft hat sich inzwischen vollzählig eingefunden, die er einem alten französischen Advokaten, der als Verund Regina, die Schneiderin, Kantmerzofe, Friseuerin und bannter des Kaiserreichs nach Antwerpen gekommen war, abFelicitas mit allen Reizen geschmückt haben, durchschreitet am geguckt hat.
Arm ihres Vaters die menschenerfüllten Salons. Unter all Da ist auch Herr Freddy Béjard in Begleitung des unvermeid den ernsten Herren, die sich mit ihm in gleicher Stellung be- lichen Dupoissy, feines Schattens und Strohmannes, wie ihn finden, scheint Herr Dobouziez der jüngste und wenigft ver- die bösen Lästerzungen zu nennen belieben. Herr Dupoissy drießlichste, wenigstens heute Abend, wo der Widerschein des ist der Planet, der seine Wärme und sein Licht von der Sonne Vaterglücks die sonst von sorgender Arbeit verdüsterten Züge Béjard empfängt. Alles, was ist, verdankt er dem allmächtigen sonnig erhellt. Trotzdem hindert ihn diese freudige Erregung Rheder. Die Geschäftsfreunde würden in nicht geringe Vernicht, bei der Vorstellung seiner Tochter auf die gesellschaft- legenheit gerathen, wenn sie klipp und klar die Branche" be liche Rangordnung schuldige Rücksicht zu nehmen. zeichnen sollten, in der Eloi Dupoissy eigentlich thätig ist.
Bei Gina's Erscheinen geht ein Raunen und Murmeln" Macht" er in Getreide, Kaffee oder Zucker? Je mun, er beifälliger Bewunderung durch die Menge. Laurent würde macht" in allem und in keinem. Wenn man ihn allein trifft fich vor Entzücken nicht zu lassen wissen, wenn er die Kousine und ein Gespräch mit ihm anknüpft, wird er sich unheute sehen könnte! In dem aus Mousseline und weißer weigerlich nach zwei Minuten mit besorgter Miene nach dem Florseide zusammengefeßten Kleid, das eine Unzahl glitzernder Verbleib seines Herrn und Meisters Béjard erkundigen. Im KielSilberpünktchen übersät, Haar und Brustausschnitt mit Mai- wasser seines Gönners segelnd, ist es ihm geglückt, sich überall glöckchen und Vergißmeinnichtsträußchen geschmückt, erscheint Eintritt zu verschaffen. Dieser Handlanger schreckt vor keinem ihre regelmäßige Schönheit mit den untadeligen Linien als Auftrag zurück, mit dem ihn der allmächtige Rheder betraut. das Jdealbild der Vollendung, dessen harmonisches Ebenmaß Wenn der speichelleckerische Biedermann und aalglatte Schleicher einen Bildhauer um Sinn und Verstand bringen könnte. den Mund aufmacht, muß man unwillkürlich an einen fangesDiese großen schwarzen Augen, diese rothen feuchtschimmernden wüthigen Karpfen denken, der sich in Positur setzt, um ein Lippen, dieses edelgeschnittene Gesicht, das an eine antike Beranger'sches Lied anzustimmen. Dupoissy stammt aus Sedan Gemme gemahnt und von dem rebellischen Geloc des üppigen und will dort Tuchfabrikant gewesen sein. Zur weiteren Haares umrahmt wird, finden in den schwellenden Formen Charakteristik des Mannes sei noch erwähnt, daß er von dem des Nackens und der Schultern sinngefälligste Ergänzung. Kleinen Lande, das ihm Gastfreundschaft gewährt, in jenem Die kleinen toketten Bleistifte, die so hurtig über den nachsichtigen Gönnerton spricht, der im Munde der Vertreter fatinirten Elfenbeinkarton der Ballkarten eilen, haben inzwischen der großen Nation" fo verlegend flingt. Er glaubt sich im ihre Arbeit beendet. Die Schönen zeigen einander tuschelnd eigenen Haus, wie Tartuffe bei Orgon, mischt sich in alles, die Liste ihrer Tanzverpflichtungen, ärgern sich heimlich, den macht in Lokalpatriotismus, wettert gegen die böse moderne felben Ramen zu finden und trösten sich nur wieder bei der Literatur und verbricht hier und da einen Journalartikel. Wahrnehmung, daß dieser Name auf der Karte der lieben Freundin weniger oft vertreten ist wie auf der eigenen.
Dupoissy tanzt nicht, sondern rühmt, während sein Beschützer schneidig das Tanzbein schwingt und mit Regina