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nahmen ihm jede Hoffnung, das Mädchen für sich zu ge- haben wir eine Serie von Tagen hinter uns, wie fie um die Mitte winnen. Trotzdem stand er mehrere Male schon im Begriff, des Oktobers von 1848 bis heute noch nie beobachtet wurden. Und ihr einen Heirathsantrag zu machen. Gina ihrerseits stürzte fast scheint es, als sollten wir auch ferner um jede Schönheit unseres Einförmig trübe verhängt bleibt der fich mit wahrer Leidenschaft in den Vergnügungstaumel Herbstes gebracht werden. und bethätigte dabei einen solch' raftlosen Eifer, daß sie Herr Simmel, falte neblige Dünfte lagern in den Abendstunden über den Straßen. Es ist nicht die frische Kraft des Winters und von den Dobouziez himmelhoch beschwor, sich ein wenig Ruhe zu melancholischen Herbstreizen bleibt auch nichts übrig. Vor der Zeit gönnen und ihre Gesundheit mehr zu schonen. Sie war die in die Stube gebannt sind tausende von Kindern, die ohnedies in Berlin gefeiertste, umschmeicheltste und ausdauerndste Königin der so hundertfach im nothwendigen spielerischen Trieb, im Drang nach Gesellschaftssaison. freier Bewegung beengt sind. Und welche Stubenluft müssen fie meist athmen, vermengt mit Dünsten enger Arbeitsstätten und der Küche zugleich!

Wo immer sie einander begegneten, immer und überall behandelten sich Bergmans und Gina mit einer nicht von Herzen kommenden Vertraulichkeit, durch die sie einander über ihr geheimes Denken und Fühlen zu täuschen versuchten. Und beide zürnten einander auch wieder wegen dieser vor der Welt zur Schau getragenen Paradefreundschaft und der frivolen Liebeskomödie, die das wahre und echte Gefühl, das in ihnen lebte, berbergen sollte.

" Ich zähle in ihren Augen ja gar nicht!" sagte sich Door Bergmans, der sich so klein wie Herkules zu Omphales Füßen borfam. Sie betrachtet mich als Spaßmacher, der etwas plaisirlicher als die andern ist. Das ist alles! Ob sie wohl eine Ahnung von der Zaubermacht hat, die sie auf mich aus­übt? Schwerlich! Schade, daß ich nicht reicher bin, oder daß sie nicht ärmer und in anderen Lebensverhältnissen auf gewachsen ist! Ich hätte sonst längst schon um ihre Hand angehalten."

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1126 Regina lift unter diesen unklaren Verhältnissen nicht minder. Sie hatte sich endlich zu dem Selbstgeständniß be­quemen müssen, daß sie diesen Menschen" liebte, sie die wohl erzogene Tochter und Erbin des Namens der Dobouziez. Um nichts in der Welt hätte sie es gewagt, ihrem Vater das Geständniß dieser Liebe abzulegen. Aber übel nahm sie es Bergmans doch, daß er nicht ahnte, was in ihrem Innern borging.'07

( Fortsetzung folgt.)

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Neulich will ein Beurtheiler Berlins die Beobachtung gemacht haben, daß das Berliner Kind in der Oeffentlichkeit und im Spiel vornherein gebrochen, als wären seine Aeußerungen fiets von scheuer, wider Kindesart ruhig erscheine, als wäre seine Fröhlichkeit von gedrückter Empfindung begleitet. Es kommt immer darauf an, auf welchem Beobachtungsposten etwa steht. Gewiß

Wenn man

der

ist es, daß eine ganze Anzahl von Kindern in Berlin der Drill Drill ganz gehörig beherrscht. Ihren Gefichtern ist dann nicht jene Frühreife aufgeprägt, wie sie aus entspringen tann. ihnen im täglichen Noth entspringen Thiergarten oder sonst wo auf bevorzugteren Blägen begegnet, so scheinen sie alttlug in ihrer relativen Gemessenheit sagen zu wollen: Wir wissen schon, was sich für wohldressirte, manchmal puppenhaft tokett ausgeschmückte kleine Leute schickt. Sie spielen Gesellschaft", auch wenn sie untereinander sind. Wenn ihre ungezwungene Kind­lichkeit, die sich bei energischeren Temperamenten nicht völlig nieder­halten läßt, einmal doch losbricht und in einen Gaffenbubenstreich ausartet, so thut das Kerlchen so, wie ein bewußter Missethäter, als fühlte es, das harte Polizeiauge des Fräuleins" ruhe auf dämpfter Scheu hinterlassen, selbst dort, wo die Kinder truppweiſe ihm. Solche Art von Wohlerzogenheit kann leicht den Eindruck ge­auftreten.

Sonst aber wird man sich kaum über das ruhige Berliner Kind, das den Mund kaum aufzuthun wagt, sich verwundern können. Wer an die Mehrheit von Kindern denkt, denen schmale Gassenstreifen nur oder enge Höfe zu Tummelplägen angewiesen sind, der wird zu Auch hier anderen Anschauungen über das Berliner Kind kommen. in dieser Enge fehlt das voll- naive Behagen, das eine unbeobachtete Kinderwelt auszeichnet, selbst wenn sie im Freien bei größtem Tumult Räuber- und Gendarmenspiele aufführt oder feurige Schlachten

Sonntagsplanderci.ämpft.

Errafft, verspielt, aus dem Leben geschieden. Das ist im ge­Wo hinter dem Kind kein Schulmeister lauert, da erst wird das kind­brängten Sinne der Lebensinhalt Grünenthal's , an dessen Person liche Spiel zur Bethätigung freier kindlicher Kraft. Es ist einer der fich vor einem halben Jahre so romantische Ideen knüpften. schönsten, vielbeobachteten Züge der Pariser Bevölkerung, daß man Man hat ihn in der Beleuchtung eines großen Abenteurers sehen spielende Kinder nicht stört, ihnen gerne ausweicht, ihnen ein wollen. In fedem Griff erhascht er ungezählte Tausendmarkscheine; unbenommenes Asylrecht in der Gasse gewährt, auch wenn man in In er wirft mit Gold um sich wie ein Grandseigneur. Er lebt in Saus verkehrsreicher Gegend davon selbst ein wenig genirt wird. und Braus, wie die mächtigen Räuber der Legende. Es fehlen auch Berlin macht das spielende Kind so häufig den Eindruck eines Frei­die sentimentalen Buthaten nicht. Da ist einmal die Geliebte. Dann gelassenen, nicht eines Fielen. Es tollt dann gern wie ein Frei­der Friedhofftein, an dem ein Theil des geraubten Gutes begraben gelassener, in lärmend forcirter Luftigkeit. Da werden sie aus dem liegt, und das Grab des eigenen Kindes. Hof gedrängt; schreiend stieben sie auseinander. Oft stehen sie Jetzt ist das Drama Grünenthal zu Ende. Man weiß, daß mitten im Fabritslärm; für Kinder- Tummelpläge in größerer An man es nicht mit einem Abenteurer von fühnem Wurf zu thun lage ist ja so blutwenig in unseren Großstädten gethan. Sie hatte; daß die phantastischen Neigungen sich an dem Gedanken er müssen das findliche Organ überreizen, überanstrengen, unt machen. Dann flingt ihre gößten, was hätte ein abenteuernder Gesell von großem Zug geschafft, sich gegenseitig verständlich zu hätte er aus der Quelle zu schöpfen Gelegenheit gehabt, aus der Sprache wie ein gellender Diskant, sie überschlägt sich und Grünenthal , der Wunderliche, schöpfte. Er war fein Mensch der übermüdet bald, wird angeheifert oder dumpftönig. Auf der Straße impulsiven, raschen Entschlüsse. Selbst in den Tod ging er nicht, selbst werden die Unbequemen oft angefahren, angeschnauzt, aus­wie ein toller va banque- Spieler. Er wartete und wartete. Be- einander getrieben: jedenfalls wissen fie ewige Schulmeisterei und dantisch ängstlich harrte er, ob man ihm jede gestohlene Note schußmännische Aufsicht hinter sich. Die naive Unbefangenheit wird nachweisen tönnte, und erst als er einfah, daß ihm von für sie zerstört. Oft genug tann man zusehen, wie sie verscheucht ber Dieberei feinerlei heimlicher Profit bleiben und daß auseinander streben; respektlos, wie sie doch nun einmal find, rotten sie feine Buße länger dauern werde, als er im voraus an sich im Nu wieder zusammen und rächen sich für die Unterbrechung Dann nennt man sie rüde nahm, fchied er freiwillig aus dem Leben. Vor seiner That ein un- durch erneutes, erhöhtes Geheul. interessanter, höchst korrekter Mann und Hausvater, blieb er im Jungen", und zwischen diesen Jungen und den ganz ordnungs­Grunde auch nachher wenig interessant. Das Geld brennt nicht in liebenden Passanten bildet sich eine richtige natürliche Feind seinen Händen. Es entfeffelt teine Leidenschaften, es lodt ihn nicht schaft aus. zu ausschweifenden Plänen. Er liebte es schon früher, fleinen Es ist dem Kindesbedürfniß eben zu vielerlei entrückt und vor Mädchen nachzugucken. Das war seine einzige unreglementmäßige enthalten, als daß sich jene spielerische Armuth entwideln könnte, Aufführung, von der feine Ehegattin zu berichten weiß. Nun wird wie sie in natürlicher Freiheit sich entwickeln darf. Es giebt bei uns sein Gelüste Wirklichkeit; und an eine von den vielen hunderten arbeitbelastete Kinder, die nichts mehr vom kapriziösen, halb tän armer Mädchen, bie ,, beim Theater" ihr Glück machen delnden, halb hüpfenden Gang der Kinder übrig haben. Sie sind möchten, schmiegt er fich bedächtig sich als väterlicher Be- verdrossene Schleicher geworden. Der Berliner Schusterjunge mit

drückt

schüzer an. Dann lebt er mit ihr, im ganzen wie dem geflügelten Wig ist längst eine Mythe aus Vorväterzeit geworden. ein stillvergnügter, mur gutfituirter Kleinbürgersmann. Selbst Ab und zu regt sich's auch in dem beladenen Kind, es möchte auch der Gedante, daß seine Geliebte wirklich zum Theater gehen einmal aufspringen, aufjauchzen. Aber auch seine Lustempfindung tönnte, ist ihm zuwider und er wird ihr in aller getreu phi- hat etwas jäh Gewaltsames, fie sich schneidend liftrösen Aengstlichkeit die hundertfachen Gefahren der Bühne genau scharf aus und unvermittelt fällt das Kind wieder in seinen borgemalt haben. Nein, nein, der bescheidene Grünenthaler war von geradlinigen, gleichförmigen Trott zurück. Von den ganz Aus­feiner besonderen Gaunerrasse. Ihn hat die Gelegenheit einmal gestoßenen, deren Luftgefühl sich manchmal nur in einer Art von berführt und aus dem Gleichgewicht gebracht. Sein Leben ist dahin, Schadenfreude äußert, in einem Tritt wider einen Zughund, in einem seine That wird die Phantasie nicht weiter beschäftigen. Sie ist boshaften Spaß, ist hier gar nicht die Rede. Sie sind die jungen, durch den Ort interessant geworden, an dem sie geschehen konnte, verbitterten Zeugen und Antläger einer Gesellschaft, die sie der Ver­nicht durch sich selbst und nicht durch ihre Nachwirkungen auf den kommenheit überläßt. Ob sie Knaben, ob Mädchen seien, das tiefste Thater. Unglück hat ihnen eine Physiognomie verlichen. Ob sie sich zu jugend­lichen Banden vereinen und in Taschendiebereien ihre ersten Gehversuche im Leben machen, ob die Mädchen unter allerhand Formen nächtlichen Straßenbettel treiben oder zu vagiren anfangen, gemeinsam bleibt ihnen der unkindliche, fief mißtrauische Blia, der rund in der Welt

Die abgelaufene Woche hat uns rasch in alles winterliche Un­behagen mit rauhen Stürmen und frostiger Nässe gebracht. Im späten Sommer dieses Jahres haben wir etliche Tage erlebt, die zu den heißesten des Jahrhunderts gerechnet werden mußten. Run