Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 209.
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Mittwoch, den 26. Oktober.
( Nachdruck verboten.)
Roman von Georges Eekhoud . Béjard ist mit gesteigerter Aufmerksamkeit um Gina bemüht.
,, So sind Sie denn also mit meinem Glück aufs innigste verbunden," sagte er nicht ohne Absicht. Ich freue mich, in dieser„ Gina", die mir gehört und die, wie ich nicht zweifele, ihrem Namen Ehre machen wird, ein klein wenig von Ihrer Person wieder zu finden. Die Engländer, unsere großen Lehrmeister in allen Handelsdingen, haben den Schiffen die Auszeichnung zu theil werden lassen, sie mit den Frauen in Verbindung zu bringen. Für sie haben alle Dinge ohne Unterschied den sächlichen Artikel, nur die Schiffe gehören dem schönen Geschlecht an..."
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" Ich komme mir neben der imposanten Matrone da recht flein und unansehnlich vor," antwortete Gina lachend. Es erscheint mir kaum glaublich, daß ich sie über das Taufbecken gehalten haben soll, es sieht wahrhaftig eher danach aus, daß fie mich in ihren Schutz nimmt. Und deshalb war ich auch vorhin so aufgeregt. Ich habe wirklich die Fassung verloren, es wurde mir schwarz vor den Augen
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Herr Dobouziez, der ob des Erfolges seines Töchterchens in freigebigfter Laune ist und der im übrigen stets darauf bedacht ist, sich dem Brauche anzubequemen und sich vor der Oeffentlichkeit nicht knauserig zu zeigen, hatte den Aufseher der Arbeitskolonne rufen lassen und überreichte ihm fünf Louisdor mit den Worten: Hier haben Sie ein kleines Taufgefchent. Vertheilen Sie das Geld unter Ihren Leuten und Tegen Sie es in Getränken an!"
Na, so was!" knurrte Saint- Fardier dem neben ihm stehenden Béjard ins Ohr.„ Die Kerle können sich so schon kaum noch auf den Beinen halten. Ich würde ihnen ein anderes Trinkgeld geben! Sie sollten mal sehen, wie ich Montags meine Arbeiter nüchtern zu machen pflege!"
Nachdem die„ Gina" einige Drehungen und Manöver ausgeführt hatte, um sich den Stennern und Neugierigen, die hier versammelt waren, im vortheilhaftesten Lichte zu zeigen, wendete sie und dampfte dem Hafen zu. Dort machte sie am Quai an dem für sie bestimmten Platz fest, um ihre Ausrüstung zu vollenden, ihre Bejagung, die Ladung und die Passagiere an Bord zu nehmen. Der Verabredung zwischen Rheder und Kapitän ensprechend sollte das neue Schiff in acht Tagen seine erste Ausreise antreten.
Dupoissy, den der mäßige Erfolg seiner Verse arg verschnupft hatte, war mit dem gefüllten Champagnerglas an das Wasser herangetreten und sah die Umstehenden mit dem Aufmerksamkeit heischenden Blick eines Artisten an, der sich an schickt, einen neuen Trick auszuführen.
Aller Augen wandten sich ihm zu. Der Mann aus Sedan hatte die Zeit dazu benutzt, Glas auf Glas hinumter zustürzen und sich einen kleinen Schwips anzutrinken und er innerte sich plötzlich der Eheschließung des Dogen mit dem Adriatischen Meer und der altheidnischen Opferspenden, die man dem Ozean darbrachte, um sich Neptun und Amphitrite geneigt zu machen.
,, Möge dieser Bacchustrank, den ich dem Beherrscher der Wogen spende, unserer herrlichen„ Gina" der Elemente Huld erkaufen."
Er sprach's, neigte sich, erhob sich in edler Pose auf einem Bein und schüttete den Inhalt des Glases in den Fluß. Dabei wäre der dicke Mann aber um ein Haar mit ins Wasser gefallen, wenn ihn Bergmans nicht noch im letzten Augenblicke am Rockschoß zu packen gefriegt hätte. Die Zuschauer gaben durch Beifallflatschen und fröhliches Lachen ihrer Freude über den vergnüglichen Zwischenfall lauten Ausdruck.
Unser Barde scheint wahrhaftig die Absicht zu haben, in der Schelde ein Bad zu nehmen," scherzte Frau Vanderling.
1898
Es ist ja wohl
jeden Dantes seinem Retter zur Antwort. nur dem reinblütigen Antwerpener erlaubt, die altüberlieferten Bräuche wieder ins Leben zu rufen?"
Wenn Sie's so verstehen wollen, meinetwegen!" er widerte Bergmans lächelnd. Die Herrschaften rüsteten sich zum Aufbruch und bestiegen die Wagen, die sie nach der Stadt zurückbrachten.
Für den Nachmittag war für das Arbeiterpersonal ein Ball auf dem Werftplay in Aussicht genommen.
Gnädiges Fräulein werden doch gewiß auch an der Belustigung der braven Leute theilnehmen?" wandte sich Bergmans schüchtern an Regina.
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Sie zog verächtlich das Mäulchen schief und antwortete: Pfui, das werde ich hübsch bleiben lassen! Für Volksbeglücker Ihrer Art schickt sich das, nicht aber für mich. Für Sie wäre Laurent just der rechte Mann!"
„ Wer ist das?"
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Ein sehr entfernter Vetter von mir entfernt im eigentlichen und bildlichen Sinne des Wortes, denn er be findet sich zur Zeit ein paar Hundert Meilen von hier in einer Erziehungsanstalt der, wie Sie, dem gemeinen Volk besondere Aufmerksamkeit schenkt. Nur kann er weder wie Ihr Freund Marbol die Entschuldigung geltend machen, das Gesindel zu malen und sich dafür Geld bezahlen zu lassen, noch hat er wie Sie die Aussicht, einmal Präsident der Republik und freien Stadt Antwerpen zu werden!"
Mit aller Absichtlichkeit hatte sie Paridael zum Vergleiche herangezogen, um Bergmans mit dem Schüler in eine Parallele zu stellen, die in ihren Augen wenigstens eine arg berlebende Bedeutung hatte. Sie trug es Bergmans nach, daß er sich während der ganzen Feierlichkeit so gut wie gar nicht um sie bekümmert und sie die ganze Zeit mit Béjard allein gelassen hatte.
" Zwischen unseren Anschauungen und Gefühlen bestehen mun einmal Gegensäge, die uns wie ein Abgrund trennen," dachte Door. Ich will gewiß das Unmöglichste versuchen, ihn zu überbrücken.... Sie ist doch verständig genug, und ich zweifle auch nicht, daß es ihr im Grunde nicht an Ehrlichkeit und gerechter Urtheilskraft fehlt, und wenn sie mich liebte, würde es mir unschwer gelingen, sie für meine Lebensarbeit und mein Lebensziel zu interessiren. Ich würde sie gewiß zu einer treuen Bundesgenossin erziehen. Ja, wenn fie mich nur liebte! Denn trotz all ihrem närrischen Hochmuth, ihrer dünkelhaften Prozigkeit und ihren Vorurtheilsschrullen bin ich der Meinung, daß sie in diese Gesellschaft nicht hineinpaßt. Sie ist mehr werth als ihre Eltern, oder hat wenigstens das Zeug, sich zu höherer Vollkommenheit zu entwickeln. Schade, daß ich unfähig bin, mit den geldmächtigen Bewerbern zu konkurriren, die ihr beständig den Hof machen!"
X.
Wieder war ein Jahr ins Land gegangen. Laurent erhielt endlich die Erlaubniß, für einige Wochen in die Heimath zurückzukehren. Dobouziez unterwarf ihn einem summarischen Examen, aus dem unweigerlich hervorging, daß der Junge es sich mehr als je hatte angelegen sein lassen, gerade die Gegenstände zu bevorzugen, auf die der Vormund am allerwenigsten Werth legte, oder sie in einer Weise zu pflegen, die den Ansichten des praktischen Kaufmanns schnurstracks. entgegenlief. So hatte er beispielsweise statt sich mit neueren Sprachen zu beschäftigen, deren Kenntniß für einen Handelsforrespondenten ein unbedingtes Erforderniß ist, über allerlei albernen literarischen Hirngespinsten gebrütet.
Herr, du meine Güte," polterte Vetter Guillaume, als wenn nicht schon gerade genug dummes Zeug in französischer Sprache geschrieben würde!"
Laurent war ein hochaufgeschossener, stämmiger Bursche geworden mit rothen Pausbacken und glatt zurückgestrichenem Haar, der sich einer geradezu pöbelhaften Gesundheit erfreute. Aber diese robuste Gestalt, diese plumpe und urwüchsige Physiognomie war die trügerische Außenform, die ein viel,, Nehmen Sie sich in acht, Herr Dupoissy, die alten gestaltetes, überaus eindrucksfähiges Innenleben verbarg. Ein Götter der Schelde wollen augenscheinlich von Ihrer Parodie überquellendes Liebesbedürfniß, eine blühende Einbildungsihrer Opferbräuche nichts wissen," bemerkte Bergmans spöttisch. kraft, ein leidenschaftliches Temperament und ein Herz, das " Freilich, freilich, ich bin ja ein profaner Eindringling, ein laut für Gerechtigkeit, und Wahrheit schlug, das waren die Fremder! Was?" gab der angebliche Tuchfabrikant spik statt Grundelemente seiner Wesensart. Seine nach außen zur