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ordentlich großen Unzuträglichkeiten, die durch das Wandern des Osterfestes, das ja mit dem Aequinoctium verknüpft ist, verbunden waren. Die große agrarische Bedeutung, die das Osterfest eben wegen seiner Verbindung mit dem Aequinocticum hat, dem Zeit­punft, der überall dringende Arbeit erfordert, war den Menschen deutlich zum Bewußtsein gekommen. Deswegen mußte das Aequinoctium ein unveränderliches Datum in jedem Jahre haben. Die vatikanischen Gelehrten löften die Frage bekanntlich so, daß sie zehn Tage übersprangen und die Schaltregel dahin ab änderten, daß in 400 Jahren 3 Schalttage ausfallen, indem nur die durch 4 theilbaren Hunderte Schaltjahre sind, die übrigen nicht. Nachdem also das Jahr 1600 ein Schaltjahr war, fiel in den Jahren 1700 und 1800 der Schalttag aus, und dasselbe wird in dem Jahre 1900 der Fall sein.

Die katholischen Länder nahmen den gregorianischen Kalender natürlich sofort an, und die protestantischen benutzten das Jahr 1700, um die Differenz gegen den verbesserten Kalender nicht weiter wachsen zu lassen. Nur bei den Bölkern des griechisch- russischen Glaubens blieb man bei der julianischen Zählung und hat dadurch jetzt bereits einen Unterschied von 12 Tagen gegen unser Datum erreicht. Im Jahre 1900 wird dieser Unterschied abermals um einen Tag wachsen. Es ist daher dringend zu wünschen, daß diese Ge­legenheit von den russisch  - griechischen Kulturvölkern benutzt wird, um die Kalender in Ordnung und in lebereinstimmung mit dem gre­gorianischen zu bringen.

Theater.

Im Schauspielhaus gab es am Mittwoch eine veritable neue Tragödie. Man führte mit starkem Erfolg Fulda'a Herostrat  " auf.

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Fulda   hat uns mit einem wißigen Märchen, dem Talisman" beschenkt. Diesmal bringt er eine wizige Tragödie. An ihr hat der findige Kopf mehr Antheil, als das erfinderische Genie; sie ist im theatralischen Sinn an guten Anschlägen nicht arm, aber sie weicht mitunter wie wehleidig der herben Tragik aus. Sie ergeht sich eher spielerisch in ihr, als daß sie sie ausschöpfte. allem, sie lebt eher von der Klugheit, die in ihrer Weise sich ein Problem zurechtlegt,( es sich eventuell auch anders zurechtlegen fönnte), als von der Empfindung, die in ein Problem bis zu seinen Tiefen untertaucht.

Alles in

Auf der wirklichen herostratischen Legende baut fich Fulda's Tragödie auf. Man sollte meinen, diese Legende könnte nur schwere, Am Ende ist aber den grübelude Dichtergeiſter beschäftigen. geheimnißschwersten Vorgängen mit rationalistischer Forsche beizu tommen. Geschwindigkeit ist keine Zauberei; man erklärt, man er­läutert und, wenn man seinen Witz einigermaßen anstrengt, ist das dunkele Räthsel gelöst.

Nichts ist ungeheuerlich, will man es menschlich begreifen. Bielleicht hat diese ethische Idee dem Autor vorgefchwebt, und da er selber sich müht, tünstlerisch zu gestalten, so mußte es ihm nahe­Wenn einige Gelehrte jener Länder verlangen, daß vorher auch liegen, die heroftratische That aufs tünstlerische Gebiet zu verlegen. der gregorianische Kalender nachgeprüft und verbessert werden solle, Man wird aus verlorener Ehre Verbrecher, aus verrathener Liebe damit nicht in späteren Zeiten von neuem Aenderungen nothwendig Menschenfeind: und so kann das verstiegene, unbefriedigte Kunst­werden, so muß man das zurüdweisen; denn das gregorianische streben in einem fieberdurchglühten Hirn zum Kunstfrevel umschlagen. Mit der graufigen Einfachheit der Legende ist es dann freilich Jahr schließt sich dem wahren tropischen Jahr so genau an, daß erft in einigen tausend Jahren ein Fehler bemerkbar wird. vorbei. Hier ist die Ehrbegier an sich in krankhaften Wahnsinn ver­Uebrigens ist auch das tropische Jahr nicht ganz unveränderlich, wandelt; eine seelische Machterscheinung, die auch manches dunkle und in den nächsten 1000 Jahren kommt sein wesentlich bestimmender Verbrechen unserer Tage begleitet. Bei Fulda   spielen sentimentale Faktor, das sog. Aequinoctialjahr der nördlichen Halbkugel, dem Liebesmotive hinein. gregorianischen Jahr immer näher.

Manchmal bekommt sie so ein unhellenisches Gesicht, und wenn man will, ein modisches Gesichtchen. Das unhellenische soll uns hier nicht kümmern. Es ist gutes Dichterrecht, eine Legende neu zu prägen; und ein moderner Mann kann nicht anders, als sie mit modernem Geist erfüllen. So wurzelt Goethe's Iphigenie" in humanitären Begriffen aus dem 18. Jahrhundert.

Aber in einer anderen Beziehung kann man und sollte man jenen Völkern entgegenkommen, das ist in der Bestimmung des Osterfestes. Die gregorianische Schaltregel tönnen sie viel leichter annehmen, als das gregorianische Osterfest. Und auch für uns hat das Schwanken des Osterfestes sehr um 35 Tage Allein zur Neuprägung reichte Fulda's   poetische Muskelkraft erhebliche Nebelstände. Das Schuljahr z. B. ändert seine Länge um mehrere Wochen, und dieser und andere Mängel können garnicht be- nicht. Sein gewandter Sinn münzt Berse, die nach Boefie flingen. feitigt werden, sofern man nicht bei der Festsetzung der Ferien das Sie fließen leicht beschwingt, nicht selten in reizvoller An­Osterfest ganz außer acht lassen will. Schon 1582 hat sich der muth dahin; aber feins ihrer glatten Worte bohrt sich in Vatikan   mit der Frage des Osterfestes beschäftigt und die Er- die Seele. Es sind fertige Begriffe, mit denen Fulda   hantirt. Hlärung abgegeben, daß religiöse Bedenken seiner anderweitigen Diese Art sagt der durchschnittlichen Empfänglichkeit eines Publikums Regelung nicht im Wege stehen. Damals fiegte doch noch gerne zu, besonders wenn sie von bühnenkundiger Hand eingeleitet der Wunsch, es an die mondhellen Nächte zu binden. Heute wird, wie die Ludwig Fulda's   unzweifelhaft ist. Erst wenn der bei unserem entwickelteren Verkehrswesen ist dieser Umstand artige Dramen verklingen, merkt der Durchschnittshörer zum Schluß, von bedeutend geringerer Wichtigkeit, wenn es auch Gegenden giebt, daß er nicht durch feurige, sondern durch mittlere Temperatur ge­die unter einer anderen Festsegung leiden werden. Aber das fann gangen sei. gegenüber den sonstigen Vortheilen nicht in betracht kommen. Der Batikan wird hierin wahrscheinlich nachgeben und als Ostersonntag ohne Rücksicht auf den Mond den dritten Sonntag nach dem Frühlingsaequinoctium bestimmen; derselbe fällt dann stets in die Zeit vom 4. bis 11. April.

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Kleines Feuilleton.

t.

ist

Es giebt Künstler, denen das Kunstwerk leicht aufgeht, wie es bie Rafael und Mozarte gewesen sein sollen. Das ist eine An­nahme, deren Popularität durch andere Phänomene schwer ringender Künstlerschaft nicht beeinträchtigt wurde. An sie schließt sich Fulda  an. Man könnte dem Autor da freilich gleich vorweg entgegens halten: und noch viel mehr giebt es Leute und Leutchen, denen auf Anhieb wenig mißlingt, weil sie so gar wenig sich vorgenommen hatten. Ein rafaelischer Künstler indessen ist der lebensfreudige, glänzende Athener   Pragiteles, den der Nath von Ephesos   nach Jonien   lädt, um für den wunderbaren Tempel der Artemis ein neues Götterbildniß zu formen. Sein Mitbewerber der verschlossene, trotzige, von Ehrfucht verzehrte Herostrat. Ihm ist Artemis  , die allmütterliche, noch das überhohe, unheimliche Wesen; dem verfeinerten Bragiteles erscheint sie, wie die füße Frauenschönheit selber, wie das Vorbild der jungen Epheserin lytia, die Herostrat liebt. Beides, Schönheit und Liebesglück, sind dem Nebenbuhler des Herostrat zugefallen. Bei Pragiteles entdeckt Slytia ihr Herz, und Herostrat zertrümmert seinen eigenen Entwurf, Er erkennt als er des Pragiteles herrliches Bildwerk erschaut hat. den Abstand zwischen seinem Wollen und seinem Können und wie ein Barbar, der seinen Fetisch züchtigt, rächt er sich an der Göttin, die ihm nicht zu Willen war, die er durch heißestes Flehen nicht zu zwingen vermochte. Er zündet ihren heiligen, großen Tempel an und gewinnt die Unsterblichkeit der Infamie.

Nordseekrabben. Die Tariffommission der deutschen Eisen­bahnen hat sich in ihrer jüngsten Sigung auch mit den Garneelen( Nordseekrabben) beschäftigt, jenen fleinen, seitlich zu fammengedrückten, dünnschaligen Krebschen von röthlich- gelber Farbe, die in den Watten der Nordseeküste von der Küstenbevölkerung in großen Mengen gefangen werden. Einen wie bedeutenden Umfang Das Gewerbe der Garneelenfischerei angenommen hat, wurde bei der Berathung, ob Garneelen und Miesmuscheln in den Spezialtarif für bestimmte Eilgüter zu versetzen seien, auch ziffermäßig Klargestellt. Die fleinen Garneelen werden zu Düngezwecken verwandt und kosten nach einem Bericht der Köln  . 8tg." etwa 1 Bf. das Liter; die größeren werden sofort nach dem Fange in Salzwasser abgefocht und versandt. Die Hauptfangzeit liegt in den Monaten Mai bis November; der Preis schwankt je nach der Zeit und nach der Ergiebigkeit Im Theatralischen ist der Vorzug des Werkes zu suchen; also der Fänge und beträgt in der guten Zeit 15 Pf. für das Kilogramm. enthält es auch dankbare Rollen; das heißt Gestalten, in denen man An der Jade wurden im Jahre 1889 300 000 Liter, 1896 schon sich nicht vergreifen kann, weil ihre täppische Absichtlichkeit so deutlich 800 000 Liter eßbare Garneelen versandt. Der Fang an der oft zu erkennen ist. Da haben wir also den selbstgefälligen Rathsherrn friesischen Küste wird nach Angabe der Handelskammer für Ost- und Philosophen( von Herrn Ludwig gespielt); den sonnigen" friesland   auf 280 000 Liter geschäßt. Von den Stationen Norden- Sieger Bragiteles, den ein neues Mitglied von gewinnendem, ham, Barel   und Carolineninsel sind 1896 mit der Bahn im ganzen schlicht liebenswürdigem Temperament, Herr Christians, dar­383 589 Kilogramm versandt worden. Die Beförderung auf der stellte; den finster brütenden tragischen Struwelpeter Herostrat  , dem Eisenbahn geschieht in Körben. Eine schnelle Beförderung ist ge Mattowsty feine Kraft lieh; und die Naiv- Sentimentale zwischen boten, weil die Garneelen, deren Hauptversandtzeit in den Sommer den Männern im Wettfanipf( Frl. Popp c). fällt, leicht verderben. Infolge der hohen Eilgutfracht ist der Ver fandt mit der Bahn, auf weitere Streden nicht gut thunlich. Eine Ermäßigung der Fracht wird das Absatzgebiet erweitern. Aus diesem Grunde hat denn auch die Tariftommission beschlossen, Muschel­und Schalthiere aus der See( ausgenommen Austern, Hummern, Langusten und Schildkröten), frisch oder blos abgekocht", in den Spezialtarif für bestimmte Eilgüter aufzunehmen.-

Kunstgewerbe..

-ff.

Der Farbenschmelz im Tiefschnitt war eine in früheren Jahrhunderten sehr beliebte Art der Schmelzkunst, die dann aber fast ganz in Vergessenheit gerieth. Neuerdings hat ein Frank­ furter   Ziseleur, Ludwig lent, diese Technik wieder aufgenommen