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den Rücken zukehrten, mir den haarigen Hinterkopf, der in fühl und, wie er später immer mehr erkannte, nicht genug den aufgestigten Händen ruhte, die abstehenden Ohren und schwungvoll war. den Stiernacken der Riesen, die traumverloren nach dem Die festlichen Veranstaltungen, durch die Antwerpen   in diesem Wasserspiegel des Hafens blickten, der durch den Mastenwald Jahre den dreihundertjährigen Geburtstag Rubens   feierte, hindurchschimmerte. eröffnete eine Kantate von Rombaut de Vyveloy, die heute Das in Entwurf und Ausführung fühne Bild machte in Abend auf der Place Verte im Freien aufgeführt wurde. Paris   gewaltiges Aufsehen und führte einen Atelierkrieg her- Laurent verfehlte nicht, sich zu dem feierlichen Aft rechtzeitig bei, wie man ihn gleich heftig seit Jahren nicht erlebt hatte. einzustellen. ( Fortsetzung folgt.) Marbol erivarb sich ebenso viel Bewunderer wie Widersacher, was immer ein gutes Zeichen ist. Einer der größten Bilderhändler der Chaussée d'Antin hatte das Gemälde an­gekauft, was in Antwerpen   nicht geringes Staunen und Miß­bergnügen erregte. Ein sonderbarer Einfall, sich die Porträts von drei schmierigen, zerlumpten, schlecht rasirten und durch unanständige Körperfülle den Geschmack beleidigenden Arbeitern auf den Hals zu laden! Als Ausdruck des ganzen Maßes seiner Entrüstung hatte Herr Dupoissy geschrieben, daß von dem Bilde der Duft von Schweiß, fauren Heringen und Zwiebeln, furz alle übelriechenden Dünste des Pöbel aus­gingen.

An der neuen Pariser   Ausstellung betheiligte sich Marbol mit einem nicht weniger fühnen Bilde, wofür ihm das Preis­gericht zur großen Bestürzung des Trosses der Neider und Leifetreter die große goldene Medaille zuerkannte.

Neue Romane.

" Die Wirklichkeit ist doch manchmal die reine Birch- Pfeiffer  !" läßt Wilhelm Hegeler   den Helden seines fröhlichen" Romans Nelly's Millionen"( Verlag F. Fontane u. Co., Berlin   1899) ausrufen. Das ist eine Art Selbstkritik, in derselben lachenden, un­gehen und kommen, wie man sie gerade braucht; die Wirklichkeit übt bekümmerten Weise vorgetragen, wie die ganze Erzählung. Alle ja in der That manchmal solch' gefälligen Wig. Es wird keinem Leser einfallen, mit dem Verfasser darüber zu streiten, ob diese Wirklichkeit jedesmal auch die Wahrscheinlichkeit für sich hat; es ist in jedem Falle viel vergnüglicher, die Dinge so zu nehmen, wie sie dargestellt werden.

Auf die Darstellung der Einzelheiten hat Hegeler, ein vorzüglicher Beobachter, viel Fleiß verwandt; was fehlt, ist der Blick für das Ganze, der über den Theilen nicht das Gesammte vergißt. Wenn auch die Bonzen der Malerei dem jungen Neuerer Jede Person wird in verschiedenen Verhältnissen, verschiedenen gegenüber in ihrer übelwollenden Haltung verharrten, so Stimmungen vorgeführt; aber niemals entwickelt sich die Person zur gaben seine Erfolge, die sich bald darauf in München  , Wien   Persönlichkeit. Es sind Charakterstudien, mit flüchtiger, wenn auch und London   erneuerten, den Sammlern und Bilderliebhabern treffsicherer Hand hingeworfen; das Bild, in das die einzelnen der großen Gesellschaft zu denken. Das Todtschweigen half Studien eingehen sollten, bleibt man uns schuldig. Noch fühlbarer nicht über die Erkenntniß hinweg, daß Marbol im besten wird der Mangel an bewußter Einheitlichkeit bei der Handlung des Romans. Nicht nur die Personen, auch die Ereignisse stehen im Zuge war, ein berühmter Mann zu werden. Wenn er als Beweismittel seiner Bedeutung Dienste einer birch- pfeifferischen" Wirklichkeit. Wären die gewalt­nur die ideellen samen, herbeigezogenen Elemente tunstvoll mit einander verbunden, Zeichen des Ruhmes, die Zeitungsartikel und den Beifall so wäre ja der Fehler zum gut Theil ausgeglichen; sie sind aber nur der Hungerleider und Schwarmgeister, deren Meinung lose aneinander gefügt. nicht zählt, gehabt hätte, hätte das die praktischen Leute ge- Freilich, das Bindeglied entschädigt für manches: der gute wiß nicht abgehalten, auch fernerhin die Achseln zu zucken und Humor, der in dem Buche steckt, hilft nicht nur den Dichter weiter, den unbequemen Störenfried mit einem geringschäßigen Wort wenn er keinen folgerichtigen Weg mehr weiß, er nimmt auch den abzuthun; aber von dem Augenblick an, wo er, wie sie selbst Refer mit, wenn der auch etwas weniger forglos als der Verfasser mit Goldstücken zu klimpern begann, bekam seine Angelegen- fich dem Führer anvertraut. Viel Geist und wig ist eigentlich nicht zu finden; dafür aber genug behagliche Komit. Wie ein junges heit ein ganz anderes Gesicht. Mädchen, ihren Reichthum nicht ahnend, plötzlich über Millionen ver fügt und dadurch den geliebten Mann verliert, um ihn zum Schlusse doch zu friegen, das ist so gemüthlich und lustig erzählt, daß man am Ende doch ganz froh ist, wenn die Geschichte einen guten Aus­gang nimmt: ein bischen mehr psychologische Vertiefung, und der fröhliche Roman würde zu einem tieftrauigen. Ende gut, alles gut! Das gilt in jedem Sinne für den neuesten Roman Hegeler's. Rittling in seinem Roman Sanitätsraths Türkin" Nicht so ganz will sich mit der hausbackenen Wirklichkeit Klaus ( im selben Berlag erschienen) zufrieden geben. Er möchte noch gern etwas Phantastisches, Fremdartiges hineintragen; darum läßt er einen flein­städtischen Sanitätsrath seine in Stonstantinopel geborene und erzogene Nichte in seinen mecklenburgischen Heimathsort nehmen; aus der Gegen­überstellung des Alltäglichen und des Besonderen sollen hier die Konflikte geschöpft werden, um dann in einer Liebesbeirath ihre Ber­föhnung zu finden. Leider ist es mit der Phantafie eine eigene Sache man muß sie haben, nicht erst ausflügeln. Daran scheitert auch der gut ausgedachte Plan des Verfassers. Wenn jemand laut Taufschein in Konstantinopel   geboren ist, Tann   er noch imuner dem deutschen   Spießbürgerthum ebenso gut angehören, wie irgend ein Bewohner eines beliebigen Provinznesites. Es sind also nicht einmal die Vorbedingungen des Konflikts gegeben; dazu kommt noch die äußerst mangelhafte psychologische Stunst des Verfassers, der nicht die Kraft und den Muth hat, seine, wenn auch nur vorgetäuschten Konflikte streng durchzuführen. Auch seine Schilderungen find matt und farblos. Es fehlt ihm die Liebe zu den dargestellten Verhältnissen und der Humor, der ihn darüber hinaushebt. Im ganzen ein Roman, sehr geeignet für ein provinglerisches Illustrirtes Journal"; es braucht wahrlich nicht zu fürchten, seine Leser damit aus ihrer beschaulichen Nuhe aufzuschrecken.

" Ja, ja, der Bursche versteht sein Handwerk, das muß ihm der Neid lassen! Man kann zwar seine Bilder nicht gut im Hause haben, wenigstens nicht in einem Salon, der auch den Damen zugänglich ist, aber ein geschickter Kerl ist er ein­mal und ein Schlauberger obendrein.... Der Plan war gar nicht so übel ausgedacht.... Daß er Sachen verbricht, die man kaum mit der Feuerzange aufzuheben wagt, thut nicht eben viel zur Sache. Wir empfangen ja auch in unseren Salons den braven Vanderzeepen, da jeder weiß, daß sich der Biedermann durch die Steckserei an die zweihundert Häuser, sein Palais an der Place de Meir, sein Schloß in Borsbeek und Gott weiß was sonst noch verdient hat. Wie Vanderzeepen ist es auch Marbol gelungen, den Stein der Weifen zu finden und das Geheimniß zu entdecken, aus Dreck Gold zu machen!"

Das Vorurtheil gegen Marbol schwand immer mehr. Die Fürsten der Finanzwelt begannen den Geächteten und Aussätigen von ehedem der Ehre des Grußes zu würdigen, ja sie wagten selbst seinen Namen vor den feuschen Ohren ihrer Gemahlinnen auszusprechen, was wenige Monate früher als Zeichen grober Unschicklichkeit gegolten hätte. Und da man seine Revolutionsmalerei" nicht gut loben fonnte, rühmte man dafür um so beredter die Geschicklichkeit und die kaufmännischen Fähigkeiten dieses Marbol, der es fertig be­Tommen hatte, Pariser Kunstproßen, zerstreuungslüsternen Yankees und spleenigen Engländern, die bekanntermaßen auf folche Ungeheuerlichkeiten versessen sind, seine widerwärtigen Pinseleien anzuhängen.

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Ganz modern giebt sich der im gleichen Verlage erschienene Roman Henny Hurrah!" von Ernst Clausen. Das

Der Musiker Rombaut de Vyveloy, Door Bergman's glänzende Elend der Offiziersfamilien soll hier geschildert werden. anderer Freund, erinnerte mit seiner hohen Figur, feinem Stinder gegeben, sie doch etwas lernen zu lassen, was, wie der Ver Den Müttern werden einige Mathschläge für die Erziehung ihrer gedrungenen Körperbau, seiner Löwenmähne und vollblütigen fasser versichert, nicht ganz standesgemäß ist, und schließlich ver­Art an die Gestalt des Göttervaters in Jordaens  ' Jupiter beugen sich alle hochachtungsvollst vor einem bürgerlichen Demo­und Merkur   bei Philemon und Baucis  ". Wenn auch gerade fraten, der rücksichtslos Arbeiterintereffen vertritt: ,, in natio tein Heide, so war dieser Brabanter doch mindestens ein naler Hinsicht bin ich kein Demokrat", sagt dieser sonderbare echter und rechter Renaissancemann, der das christliche Ora- Schwärmer. Da er außerdem viel Geld hat, begreift sich sehr wohl torium des alten Bach im pantheistischen Geiste umgestaltet die Achtung, die ihm abgetakelte Soldatenfamilien entgegenbringen. hatte. Im Ernste gesprochen, dieses Liebäugeln mit sozialistischen   man Die feurig leidenschaftliche und von Grund aus plastische Roman, dem so ziemlich alle guten Eigenschaften der alten und verzeihe den harten Ausdruck- Ideen ist einfach unausstehlich; der Kunst Vyveloy's mußte auf Laurent Paridael tieferen Ein- neuen Romantechnik abgehen, wird dadurch nur noch abgeschmackter. druck machen als Marbol's Malerei, die wohl fühn in der Um nur eines hervorzuheben: wenn die tafernenmüden Offiziere Tendenz, aber in der Ausführung etwas unbestimmt und nicht mehr Witz und Verstand aufbringen, als die gescheidtesten