Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 218.

26]

GET C

19time and

Dienstag, den 8. November.

( Nachdruck verboten.)

Meu- Karthago.

Roman von Georges Eekhoud  .

XVI.

"

11898

komponirten Geusenhymne" in Bewegung feht, nachdem man sich mit drei schrillen Pfiffen von dem seines Flaggenschnudes beraubten Balfon verabschiedet hat.

Da plöglich ertönen von fern her die verhaßten Klänge des Parteiliedes der Reichen. Von welcher Seite kommt die o unverschämte Herausforderung? Wie ein elektrischer Schlag Nachdem die erste Bestürzung über den unerwarteten geht es durch die Kette der Marschirenden. Das soll der Ausfall der Wahlen vorüber war, bemächtigte sich der in ihren feden Bande schlecht bekommen! Und im Laufschritt geht es Hoffnungen betrogenen Antverpener eine unbändige Wuth. über die Place de Meir. An der Ecke stoßen die Heran Freilich, die Reichen hatten gesiegt, aber sie verdankten diesen stürmenden auf einen bei Fackelschein unter Vorantritt einer Sieg nur der Korruption und der Dummheit, ihren unschäzbaren Musikkapelle marschirenden Trupp junger, mit den blauen So­Bundesgenossen. Das Bauernvolf hatte gegen die Willens- tarden gezierten Leute. Mit tollem Geschrei fallen sie über die meinung der Stadt sein Veto eingelegt. Die Sieger fonnten Demonstranten her. Im Nu sind die Fackeln den Händen der Träger sich darüber gar keiner Täuschung Lingeben, daß ihr Triumph entrissen, ein niedersausender Knüppel durchlöchert die große ein Scheinerfolg war, und sie hätten es daher füglich unter Bauke, die Bande wird überrannt und auseinandergetrieben, Lassen sollen, sich durch überlaute Freudensäußerung über obne daß auch nur einer der Angegriffenen den geringsten ihre im Grunde recht gedrückte Stimnung hinweg Widerstand geleistet hätte. zutäuschen. Dieser aufdringliche Jubel tonnte Jutr Mittlerweile hatten die Geusen  " in Erfahrung gebracht, dazu beitragen, die Menge zu reizen und den seit daß in der Neustadt, am Boulevard Leopold, die Reichen zur dem Morgen aufgespeicherten Zündstoff zur Explosion zu Feier des Sieges geflaggt und illuminirt haben. bringen. Gleichwohl wagten die übermüthigen Sieger nicht, der ironischen Aufforderung der Untenstehenden Folge zu leiſten und auf den Balkon herauszutreten, unter dem ein Heer erregter Menschen mit wuthverzerrten Gesichtern und geballten Fäusten Posto gefaßt hatte. nou mo

Fünf Uhr! Der Abend ist angebrochen. Die vornehmen Herren stehlen sich heimlich aus dem Klublokal fort und drängen sich mit verlegener Scheu durch die dichte Volks­menge, um ihre in der Neustadt gelegenen Paläste aufzu­suchen.

Die Leute unten auf dem Plaze wanken und weichen nicht. Sie stehen im Banne eines dumpfen Angstgefühls. Steiner weiß recht, was man eigentlich beginnen foll, aber alle sind sich klar darüber, daß etwas geschehen muß", nur über das Was und Wie herrscht allgemeine Rathlosigkeit.

Der Bürgermeister hat in Erwartung drohender Unruhen die Bürgergarde einberufen, die Wachen sind verdoppelt, die Gendarmerie hält sich zum Ausrücken bereit.

Bergmans ist beim Ueberschreiten des Plates erkannt worden und wird im Triumph auf die Schultern gehoben. Mit Mühe kann er sich der Ovationen erivehren Seit dem Morgen schon wird er nicht müde, zur Ruhe zu mahuen: Wir werden das nächste Mal schon siegen."

Zu Béjard!" brüllen die Manifestanten.

Die Reihen der Arbeiter, Schauerleute und Kleinbürger haben sich stark gelichtet, an ihre Stelle hat sich allerlei licht­scheues Gesindel gedrängt, das die entstandenen Lücken schnell. ausfüllt; die Kerle singen auch die Geusenhymne" nicht mehr, sondern gröhlen ihre obftönen Gassenhauer.

"

Unterwegs, in der Avenue des Arts, hat ein Runner" einen Pflasterstein durch das Portal des Saint- Fardier'schen Palais, in eines der mit brennenden Lampions geschmückten Fenster geschleudert, dessen Scheibe klirrend in Stücke fliegt. Ein seidener Fenstervorhang, den der Wind gegen das Licht der Lampions treibt, flammt hell auf. Ein wildes Freudengeheul begrüßt das Feuer, den unverhofften Mit­helfer.

..So ist's recht! Wir wollen ihnen den rothen Hahn aufs Dach feßen!"

Aber eine Abtheilung Gendarmerie, Polizei und eine Kompagnie Bürgergarde   sind zur Stelle und verhindern die Ausführung des Anschlags.

Während ein Theil des Zuges Posto faßt und mit den Gendarmen handgemein wird, benußen andere den entstandenen Wirrwarr, um auf Seitenstraßen nach dem Boulevard Leopold zum Hotel Béjard zu gelangen.

Die blaue Fahne, die auf dem Balkon der Assoziation" ,, Nieder mit Bejard! Nieder mit dem Seelenverkäufer! flattert, reizt und erregt seine Anhänger. Die Nieder- Nieder mit dem Sklavenhändler!" geschlagenheit, die sich nach Bekanntwerden der Schlappe der Ein wüstes Geheul umtost das Palais des Gewaltigen. Besiegten bemächtigte, haben die Neichen benützt, ihre Flagge Béjard mußte wohl geahnt haben, was da kommen würde, zu hissen. denn der Erwählte des Baueruvolfs hat es flugerweise unter­lassen, zu illuminiren.

Plötzlich kommt Bewegung in die Massen. Paridael und seine Stameraden von der Jungen Geusengarde" haben sich mit Hilfe ihrer Ellbogen einen Weg durch die Menge gebahut und find bis zum Klublokal vorgedrungen. Auf den Schultern Jan Vingerhout's stehend klettert Laurent mit affenartiger Behendigkeit an dem Mauerwerk in die Höhe, schwingt sich tit einem fecken Satz auf das Geländer des Balfons, macht sich daran, die Fahne herunterzureißen und hängt sich, als er damit nicht rasch genug zum Ziele kommt, mit der ganzen Schnvere seines Körpers an das Fahnentuch; man hört ein furzes Strachen, der Schaft ist abgebrochen.

Die erwartungsvoll harrende Menschenmenge stößt einen Schrei des Schreckens aus. Die Fahne ist erobert, aber der wagumuthige Held stürzt mit seiner Beute in die Tiefe. Er hätte sich unweigerlich auf den Pflaster den Hals gebrochen, wenn der aufmerksame Vingerhout die Gefahr nicht mit Bligesschnelle erkannt hätte. So fängt der Herkules feinen Freund wie einen Getreidesack in den Armen auf, ohne auch nur einen Augenblick zu wanken, und legt ihn fein säuberlich mit einem kräftigen, die That belobigenden Fluch auf den Erdboden. Ein stürmisches Beifallsgeschrei, das gar nicht enden will, durchzittert die Luft. Die Polizisten machen den Versuch, Laurent beim Stragen zu paden, aber hundert Hände, darunter Vingerhout's Riefenfäuste befreien den Gefangenen und drängen die Polizisten zurück, die dem Austurm gegen über machtlos sind.

Die jungen Leute treten an die Spitze cines unüberseh baren Zuges, der sich unter Absingung der von Vyveloy

Die Fensterläden des Parterregeschosses sind geschlossen. Auch drinnen scheint alles dunkel zu sein. Aber diese zur Schau getragene Zurückhaltung entwaffnet die Wuth seiner Feinde feineswegs. Sie stürzen sich wie Wahnsinnige auf das verfluchte Haus. Die Fensterläden sind im Handumdrehen zertrümmert und heruntergerissen, die Scheiben splittern in tausend Stücke.

"

Schlagt den Kerl todt!" heulen die Wüthenden.

Paridael hat seine Fahne dem treuen Vingerhout anber­traut, er tritt zwischen die Tobsüchtigen und will ihnen den Eintritt ins Haus wehren, denn sein ganzes Sein und Denken gilt im Augenblick einzig und allein der Frau des unbeliebten Rheders, seiner Kousine Gina. Mag man Béjard in Stücke reißen oder an den nächsten Laternenpfahl hängen, ihn fümmert es blutwenig, und wenn sie sein Haus dem Erd­boden gleichmachen, wird er mit den Zerstörern gern gemein­schaftliche Sache machen, aber er würde auch seinen legten Blutstropfen hingeben, um Frau Béjard Aufregung und Ver druß zu ersparen.

Er ruft Vingerhout zur Hilfe herbei, aber auch der ver­mag gegen die Rajenden nichts auszurichten. Hier bleibt nichts weiter übrig, als den Gewaltthätigen zu folgen oder vielmehr vor ihnen in das Haus zu gelangen, um der jungen Frau Hilfe zu bringen. Laurent springt durch das Fenster in das Zimmer. Hier ist schon ein Haufe rührig bei der Zerstörungsarbeit: man zertrümmert Möbel und Nippes, reißt die Bilder von den Wänden, zerschlägt die Rahmen und