Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 223.

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Dienstag, den 15 November.

( Nachdruck verboten.)

Neu- Karthago  .

Roman von Georges Eethoud.

Ganz anders wie die Bonzen der Finanz und des Handels geberden sich die Makler. Geschniegelt und gebügelt schwirren und tänzeln sie herum, das Gold wie die Bienen zusammen­tragend.

Ruhiger und bedächtiger in ernster, würdiger Kleidung bewegen sich die Spekulanten in Effekten, ein Päckchen Aktien in Zeitungspapier eingeschlagen, unter dem Arm und von Zeit zu Zeit den Rücken eines hilfsbereiten Kollegen als Schreib­pult benugend, um einen Schlußschein auszufüllen.

Im bequemen Hausanzug stehen die Kommissionshändler des Produktenmarktes und entnehmen ihren Taschen Muster von allerhand Kolonialartikeln. Hier hält der eine ein Pröbchen Javakaffee einem zaudernden Käufer unter die Nase, dort preist ein anderer die Vorzüge seines Marylandtabaks und schwatt einem Unglücklichen, der nur für ein Faß Verwendung hätte, die ganze Schiffsladung auf.

Schritt auf Schritt wechselt das Thema der Unterhaltung. Kollektivbesizer eines Schiffes besprechen mit einem Exporteur die Einzelheiten des Frachtvertrages  . Ein Auslandsspediteur radebrecht allerlei über Fakturen und Ladescheine. Hier be spricht man die technischen Fragen des Seerechts, das für Vergehen und Verbrechen sein eigenes Gesetzbuch hat, dort beklagt sich ein Rheder über die Schwindelmanöver seiner Kapitäne.

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1898

haben?" mischte sich de Zater, der stets Behandschuhte, ins Gespräch. Da kann ich Ihnen mit ganz anderen Ueber­raschungen aufwarten! Die teusche Lucretia  , die Unbezwing­liche... Nun?"

" Hat es ihren Kleinen wilden Kousinen nachgemacht!" Und wer ist der Bevorzugte?"

" Der neue Socius ihres Herrn Gemahls, der Senor Vera Pinto, ein schwarzäugiger Seladon aus Patagonien, Fuegos oder Chile  . Etwas Bestimmtes ist darüber nicht zu erfahren."

Was? Der dunkle Ehrenmann, mit dem Freddy Béjard die Auswanderungstransporte nach Argentinien   unternimmt, und der ihm das Geschäft mit den Patronen angestellt hat? Meine Herren, eröffnet Ihnen dieses sonderbare Zusammen­treffen nicht ganz neue Horizonte, wie man im Justizpalast zu sagen pflegt?"

" Du willst doch nicht im Ernst behaupten, daß die Frau im Einverständniß mit ihrem Gatten handelt? Nein, dazu leben sie viel zu schlecht miteinander!"

Ach was! Das gemeinsame Interesse bringt es mit sich, daß man sich zur rechten Zeit wieder verträgt!"

,, Nun, da ist ja die ihnen drohende Gefahr auf allen Seiten wieder einmal beschworen, denn Sie wissen vermuth lich doch, daß Papa Dobouziez seinen Antheil an der Fabrik und sein Haus verkauft hat... Heda, Tolmoch, wie stehen denn die Montanwerthe?"

"

Was reden Sie denn da? Vater Dobouziez, dieser Mit der Müze in der Hand bietet ein Vorsteher einer geriebene Junge mit seinem Hilf Dir selbst und Gott   wird Nation", einem Viehimporteur seine Dienste an. Ein Dir helfen," sollte sich eines Béjard's wegen aufopfern? Steuerbeamter beschuldigt die" Baes" einer Nation" un- Unsinn!"

regelmäßiger Geschäftsführung und falscher Angaben, wofür" Ja, wo haben Sie denn die Zeit über gesteckt? Auf dieser wieder die Speicherverwaltung verantwortlich macht. der Pferdebahn, am Hafen, in dem Bureau, überall spricht An den hohen Pulten in der Vorhalle sind die Sensale man heute nur von der Liquidation Dobouziez'." emsig beschäftigt, die amtlichen Tagesturse festzustellen, die die Handelsredakteure der großen Zeitungen geschäftig in ihre Listen eintragen.

"

Daelmans- Deynze übernimmt die Fabrit. Vater Saint­Fardier zieht sich gleichfalls von der Kerzenfabrikation zurück. Er wendet dem Schwiegervater den Rücken, um sich mit dent Baes, Boots- und Schaluppenführer mit sonnverbrannten Schwiegersohn zusammenzuthun. Saint- Fardier tritt an Gesichtern und silbernen Ohrringen lungern an den Thüren Dupoissy's Stelle, der bei der Werbung von Auswanderern herum. Sie wiegen sich in den Hüften und bringen in nicht schneidig genug vorging; er wird sich fortan mit der Erwartung eines Geschäfts die Zeit damit hin, zu rauchen, Befrachtung der Auswandererschiffe beschäftigen. Bei der zu priemen und im weiten Bogen auszuspucken. Englische Sache sind, wenn sie richtig angefaßt wird, Taufende und Kapitäne schimpfen und fluchen, als stünden sie auf der Abertausende zu gewinnen. Nächstens soll die ,, Gina" mit einer Kommandobrücke ihres Schiffes, zum großen Mißvergnügen Ladung von fünfhundert Köpfen in See gehen." einer in der Nähe stehenden Gruppe von jungen und alten Gecken, die im besten Zuge sind, pikante Geschichten aus der chronique scandaleuse einander ins Ohr zu tuscheln, sich ihrer galanten Erfolge zu rühmen, alten Komptoirtlatsch auf­zuwärmen und für den Abend Dispositionen zu treffen.

" Mit ihrem ewigen Gott verdamm' mich!" könnten sie Gott einen Heiligen verdammen lassen!" verkündet der geist­reichste der beiden Saint- Fardier's beim Weggehen mit einem Blick auf die englischen Seebären. Sein Bruder ist nicht minder stolz wie der Erfinder des tiefsinnigen Wortspiels. Kaum daß die beiden sich entfernt haben, beginnt das Ge­tuschel aufs neue.

Ihre lieben Weibchen sind wohlauf und sind nach Kräften bemüht, ihre Gatten zum Gespött der Welt zu machen. Athanafe braucht Gaston nicht zu beneiden, sie gleichen sich mehr als je, und es kann sich nur darum Handeln, wer von beiden die größeren Hörner trägt. Kennen Sie Cora's letzten Günstling?"

"

Unfern großen Friedrich Barbarossa  !"

,, Nein, der ist schon wieder bei Seite gelegt. Das Richter­barett ist zur Zeit durch eine Offiziersmüze erfekt worden!" Eine Offiziersmüße der belgischen Armee..."

17

" So etwas Aehnliches...

Das heißt also von der Bürgergarde?..." Heureka!"

,, Versteh' ich nicht."

,, Unser braver Pascal kann kein Griechisch."

Was? Der griechische Konsul, van Dam? Ja, der

steht ja gar nicht bei der Bürgergarde."

" Oh, Pascal! Heilige Einfalt! Ban Frans ist mein Gott 1"

es,

Das ist die ganze Neuigkeit, die Sie uns mitzutheilen

"

Statt Ebenholz handelt Béjard jetzt also mit Elfenbein", wißelte de Zater.

,, Uebrigens, de Maas, ich übernehme Ihre Konsols auf fefte Rechnung."

" Dobouziez hat sich bereit finden lassen, das Werk als Direktor weiter zu leiten. Er bekommt dafür, wie mir der Fabritskassirer versicherte, das Gehalt eines Ministers." Auf ein Wort, Herr de Bater! Was rathen Sie mir be treffs des Delabschlusses? Soll ich kaufen oder verkaufen?"

,, Verkaufen? Herr du meine Güte! Wie unerfahren Sie noch sind, Tobiel! Telegraphiren Sie unverzüglich nach Marseille   und kaufen Sie alles auf, was noch am Markte ist 1" Also es bleibt dabei! Ich spedire mit dem Feld­marschall" zweihundert Säcke Java an Gebr. Brand in Hamburg   und ertheile gleichzeitig meinem Rommissionär den Auftrag, für die Valuta einen Posten Häute zu kaufen.."

,, Meine Herren, ich habe die Ehre! Ihr Diener, de Zater... Sie sprachen eben von Dobouziez' übermensch­licher Aufopferungsfähigkeit..

,, Nein, daran glaub' ich nicht! Man treibt nicht die Hoch­Herzigkeit bis zu diesem Grade!"

" Hochherzigkeit ist gut!" ficherte Brullekens, der Sonder­ling, der sich täglich sein Taschengeld pugen läßt. Wir nennen es anders, was Fuchstopf?"

,, S'is äben ä Original, ä Künstler, der gute Herr Daelmans­Deynze. Dummes Zeug, lauter Schweinerei," Bettlervolt alle miteinander!"

,, Wie diese Deutschen   doch stets den Nagel auf den Kopf treffen! Aber, de Zater, um wieder auf die besagte Lucretia   und ihren dunklen Ehrenmann zurückzukommen.." " Ja, wie steht es eigentlich mit dieser Patronen­geschichte?"