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dte mit peinlichster Sorgfalt angefertigte Berechnung zu unter- 1 sich nur so lange über die Natur seiner Gefühle hatte täusche: t zeichnen. fönnen! Er hielt ja sein Glück in der Hand und konnte sein Herr Dobouziez war wieder herangetreten, drückte den neues Leben gar nicht besser beginnen, als daß er das frische Löscher auf die Unterschrift und schloß das Schriftstück in eine Töchterchen der Tilbak's zur Frau nahm. Die GemüthsSchublade seines Schreibtisches. verfassung, in der er sich nach der Begegnung mit dem Vor ., Schön! Es kommen Ihnen demnach zweinddreißig- mund befand, war ganz dazu angethan, ihn in seinem Enttausend achthundert Franken zu, die ich Ihnen hiermit ausschluß zu bestärken. Nichts schien ihm natürlicher und händige." durchführbarer wie dieser Heirathsplan. Der Zustimmung Laurent raffte Scheine und Goldstücke zusammen und der Eltern war er im vornherein sicher, der Sache stand also wollte seinen Schatz unbesehen in die Tasche stopfen, als ihn absolut nichts mehr im Wege, und das Aufgebot konnte unDobouziez mit einem kühlen:„ Nein, zählen Sie das Geld nur verweilt bestellt werden. erst nach!" einzuhalten zwang.
Der junge Mann gehorchte, wie er es früher gethan, und zählte mit lauter Stimme, aber ehe er noch fertig war, brach er plöglich ab und schob die Banknoten und die Abrechnung auf den Tisch zurück.
Nun? Stimmt's nicht?"
Laurent hätte ihm gern geantwortet:" Behalten Sie das Geld, Vormund! Legen Sie es an, so gut Sie können. Ich brauche es nicht, ich werde es doch nur verzetteln und bergeuden, weil ich nicht mit Geld umzugehen verstehe, während Sie in all diesen Dingen die Erfahrung für sich haben." Aber er fürchtete auch wieder, der stolze Dobouziez tönnte es als beleidigende Vertraulichkeit auffassen, wenn er ihm, der gewöhnt war, mit Millionen zu spielen, dieses winzige Rapital, die armselige Erbschaft des verstorbenen Kommis anzubieten wagte.
" Sind Sie fertig?" fragte Dobouziez noch einmal und sah geflissentlich nach der Uhr. Es blieb Laurent nichts weiter übrig, als sein kleines Vermögen an sich zu nehmen. Auf dem Wege zur Thür blieb er noch einmal stehen und stotterte verlegen:„ Geftatten Sie mir wenigstens, Vetter, Ihnen zu danken und Sie zu bitten..."
Schön, schön! Schon gut!" stieß Dobouziez heraus und ergänzte seine Worte durch eine bezeichnende Handbewegung, die etwa sagen wollte: ch habe meine Pflicht gethan und beanspruche feinen Dant."
Laurent war recht weh ums Herz. Ehe er hierher tam, Hatte ihn der Gedante, fortan sein eigener Herr zu sein und über ein verhältnißmäßig großes Kapital verfügen zu können, froh und glücklich gemacht, und jetzt, wo er das Geld in der Tasche hatte, drückte es ihn wie eine Last, die er sich unrechtmäßig angeeignet hatte.
Wie anders war er das letzte Mal von dem Vormunde geschieden. Den Kopf voller Illusionen und Zukunftspläne hatte er sich mit seinen hundert Frants Monatszulage damals ein Krösus gedünkt und heute, wo er ein nach Tausenden zählendes Vermögen sein Eigen nannte, fühlte er sich über die Maßen beengt und unbehaglich.
,, Kalt wie ein Eisklumpen," murrte er in seiner griesgrämlichen Laune mit bezug auf den allzu korrekten Dobouziez. Wie einen Uebelthäter hat er mich behandelt. Am liebsten hätte ich ihm das schmutzige Geld an den Kopf geworfen..." In seiner Verlegenheit kam ihm der Gedanke, die Tilbak's aufzusuchen, ihnen hatte, als er vor vier Jahren das Fabriktomptoir verließ, sein erster Besuch gegolten, zu ihnen wollte er fich auch heute wieder flüchten. Die frohe Aussicht, die lieben Menschen, in deren Mitte er sich so glücklich fühlte, wiederzusehen, belebte seinen gesunkenen Muth wieder ein weniges und ließ ihn rasch ausschreiten.
Seit einiger Zeit hatte er seine Freunde auffällig vernachlässigt. Der Grund seines Fernbleibens waren Be denken, die seiner Gesinnung alle Ehre machten. Henriette war ihm gegenüber nicht mehr dieselbe; nicht daß sie es an Herzlichkeit und liebevollem Entgegenkommen hätte fehlen lassen, nein, ganz im Gegentheil, aber wenn sie in legter Zeit das Wort an ihn richtete, so lag etwas Unruhiges und Gezwungenes in Form und Ausdruck, und der junge Mann konnte sich, ohne seiner Eigenliebe zu schmeicheln, feinem Zweifel mehr darüber hingeben, daß sie ihm ganz andere als schwesterliche Gefühle entgegenbrachte. So lange er die stolze Gina nicht vergessen konnte, wollte nun aber Laurent um keinen Preis Liebeshoffnungen nähren, die keine Verwirklichung zuließen. Er hätte sich eher in Stücke reißen Lassen, als daß er das Vertrauen, das Vincent und Siska in ihn sekten, gemißbraucht hätte. Als er aber heute nach Der„ Kotusnuß" unterwegs war, stieg vor seinem geistigen Auge Henriette's Bild in so verführerischer Gestalt auf, daß es ihm mit einem Male klar wurde, oder daß er wenigstens darüber klar zu sein vermeinte, wie wenig platonisch seine Zuneigung für das junge Mädchen all' die Zeit über gewesen war. Wie er
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( Fortsetzung folgt.)
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( Nachdruck verboten.)
Ein milder, flarer Tag, vom matten Sonnenschein des Späts herbstes erhellt. Die jungen Bäume der geraden Kirchhofswege fahl. An einzelnen Sträuchern noch wenige Blätter. Dafür aber die Gräber mit Blumen und Kränzen überfäet; in allen Farben leuchtet es bei den Erbbegräbnissen an der Mauer. Die Marmor und Erztafeln find umwunden und überdeckt mit dunklem Grün und hellen Blüthen. Ueberall stehen stille Menschen. Vorn und an der Seite Herren in Zylinder, eleganten Mänteln und schwarzen Männer und Frauen im gewöhnlichen Sonntagsstaat gehen weiter Handschuhen. Zwischen ihnen Damen in schwarzer Seide. Die nach hinten.
Eine der Damen folgt ihnen. Auf eines der Gräber ohne Gitter, die hier dicht an einandergedrängt in ebenmäßigen Reihen liegen, legt sie einen Stranz. Rasch geht sie nach den Erbbegräbnissen zurück. Aus den vielen Menschengruppen tönen nur selten gedämpfte Laute. Sie gehen schweigend, mit in sich gekehrten Blicken vorüber.
Bei den Erbbegräbnissen erwartet ein Herr die Dame. Die Band des Grabes, vor dem er steht, ist noch fast ganz fahl. Nur eine Tafel ist an der frischen Mauer: Elsa Schwarz, geboren 10. November 1894, gestorben 13. Juni 1897."
Der Herr und die Dame bleiben noch ein Weilchen stumm stehen. Dann bietet er ihr den Arm. Langsam gehen sie über den fnirschenden Kies hinaus. In der Kirchhofsthür stoßen sie auf einen alten Mann. Sein rothes Weingesicht durchzieht ein grünlicher Schatten. Er öffnet den Mund; doch die junge Frau hat ihren Mann schon weitergezogen..
Der Alte zieht den Kopf in seinen Pelz und geht hinein in den Kirchhof.
" Du hättest ihn doch wenigstens erst sprechen lassen sollen... Es ist doch mein Vater!" sagt er und winkt dem Kutscher einer Equipage, die an der Spiße einer Reihe von Wagen hält. Sie antwortet nicht. Doch als sie einsteigen wollen, bittet sie: Eduard, ich möchte lieber laufen."
"
Er giebt dem Kutscher den Befehl, nach Hause zu fahren. Ohne miteinander zu sprechen, gehen sie an den kleinen, strauchumwachsenen Häusern, den Blumenhandlungen mit ihrem strengen Duft und an den Grabdenkmäler- Geschäften vorbei. Die Frau betrachtet in den folgenden Straßen mit den neuen Häusern aufmerksam die spielenden Rinder, die trop des Todtensonntags sich fast wie sonst tummeln. " Unsere Elsa würde auch so rennen," sagt sie.
Er antwortet nicht.
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...
Und wie er nichts von
Mit unsicherer Stimme fährt sie nach einer Pause fort:„ Du bist nun ärgerlich.... Aber hast Du vergessen, wie Dich Dein Bater aus dem Hause gejagt hat, als Du Dich mit ihm wegen Deines Durchfalls im Examen strittest. Dir wissen wollte, als Du, der Beamtensohn, Kaufmann wurdest und schließlich mit mir gingst!... Was war ich, die Arbeiterwaise, Deinem Bater... Damals sagtest Du, ich hätte Dich aus Deiner Vergangenheit und Einsamkeit erlöst, hätte Dir Glück gebracht. Nun?. Ja, jetzt sind wir ja die reichen FabriUnd nun.. Nun ist alles gut. tanten... Sie waren vor ihrem Hause angekommen. Es lag in einer der stillen Straßen des Hauſaviertels. Heute waren nicht wie an anderen Sonntagen ganze Fensterreihen erhellt. Nur aus dem Hausflur floß Licht über den Garten und das Eisengitter. Er schloß leise die Thür auf. In den Zimmern brannten keine Lampen. Doch stießen sie nirgends an, da durch die Fenster ein matter, fladernder Schein von der Straßenlaterne fiel. Ohne die Mäntel abzulegen, setzten sie sich. Früher hätten sie sich auf dem Sofa aneinandergeschmiegt. Heute fetzte sie sich an das Fenster; er ließ sich am Kamin nieder. Unter ihnen, im Erdgeschoß, sprach ein Dienstmädchen mit der Pförtnersfrau. Ein kleines Kind plärrte. Die Frau sang:
Schlaf ein, mein Kind, schlaf ein, Mutterherz wird bei Dir sein... Blöglich flingelte es. Von hinten tam ein Mädchen mit einer brennenden Lampe. Sie ließ einen Herrn herein den Vater. Der alte Mann mit den weißen Haaren blieb mit gesenktem Kopf Der alte Mann mit den weißen Haaren blieb mit gesenktem Kopf
in der Thür stehen.
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Eduard stand mit einem Ruck auf und starrte seinem Vater ins Geficht. Der Kummer hatte dort tiefe Furchen geäßt, die eine schmerzvolle Sprache führten. Taumelnd santen sie einander in die