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Krankheit meines Mannes- und dann seit siebenundzwanzig glücklich ist der luftige Seifensieder der Fabel, der nichts hat als Jahren einen großen landwirthschaftlichen Betrieb geführt hat, feine fröhliche Arbeit. die weiß, wie ein unglückliches Menschenkind sich zu gebärden pflegt!"

Darauf kritisirte der Regisseur kaum noch die originelle Kunst der Frau Hellvik.

Bei der Generalprobe durfte Peter in einer Ecke des Saales bei den Badefrauen stehen. Er stand die ganze Zeit mit an­dachtsvoll gefalteten Händen und erzählte später dem Stall­tnecht des Bade- Inspektors:

Det war det erste Moal im mine Leven, dat ik uns' Fru wüthig geseh'n häw, aber det war ooch nich verwunderlich, denn da drinne häwe se gegen se losgedunnert, während daheem auf Hultuna es teene Christenseele nich gibt, die ihr zu widerspreche wagt." Der große Tag war da. Alle waren in fieberhafter Spannung. Die Friseurin aus Seestadt sprang von einer der auftretenden Damen zur anderen, und die Oberstin Bär­feldt und Baron Sternfeldt spielten der Sicherheit halber bei Hellvik's noch einmal ihre große Liebesszene kurz vor der Entdeckung ihrer Geschwisterschaft durch. Alle waren erregt, man ermuthigte sich gegenseitig, man trank Limonade und Kaffee durcheinander, und Frau Hellvit sagte einmal ums andere mal:

,, So aufgeregt bin ich nicht gewesen, seit der Gouverneur bei der großen landwirthschaftlichen Ausstellung bei uns zu Hause war."

Endlich war man auf beiden Seiten des blauleinenen Vorhanges versammelt. Endlich theilte sich dieser Vorhang in der Mitte, und jede Hälfte desselben wurde von den Jungen des Maschinisten zur Seite gezogen.

Die Szene war mit all dem Raffinement hergerichtet, dessen das Vergnügungskomitee, der junge Halldelin und die Auftretenden zusammen fähig waren, und die erste Replit sollte gerade fallen, als aus dem Saale   eine dünne Stimme jubelnd ries:

Nein, seht die Mama!"

Es war nur der kleine Karl Hellvik. Pit! Pit!"

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Hast Du alle Einladungskarten fertig, Liebster?" ertönte die milde, sehr provinziell gefärbte Stimme der Freiherrin Spadercreutz- Hellvik von der Bühne.

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Alles ging sehr, sehr gut. Die Gouvernante des Kur direktors, die in der rechten Kulisse mit dem Stücke in der Hand stand als Retterin in der Noth, hörte man eigentlich nur ein paar Mal. Die Oberstin war schön, wie ein Frühlingstag, Baron Sternfeldt that sein Bestes, und auch die übrigen waren gut an ihrem Play", wie ein Zeitungs­referent in dem Tageblatt von Seestadt sagte. Aber Frau Hellvik war einfach ganz brillant". Es war ein Zug und Leben in ihrem Spiel, das auch die Mitspieler mitriß. ( Fortsetzung folgt.)

Sonntagsplandevei.

Weh Dir, daß Du ein Prinzipal bist! Wenn man sie in diesen Tagen reden hört, die Herren, die für die Familie und die Unter­gebenen" zu sorgen haben, man möchte sie bedauern; und statt ihrer könnte man den einsamsten Burschen glücklich preisen, der ohne Anhalt und ohne Anhang" durch die Welt streift. Wie sie jammern und seufzen und stöhnen! Als würden sie die weihnacht­lichen Lasten nicht ertragen fönnen, die ihnen aufgebürdet sind. Bis in ihre Träume hinein werden sie verfolgt; gierig offene Hände strecken sich ihnen entgegen; sie bitten, sie verlangen, sie sind nach Remunerationen lüstern.

Freilich wenn alle Unrast vorüber ist, und der hochmögende Prinzipal selber erst einige festliche Feierstunden genießt, da wird öffnen. Seine eigene Gnädigkeit wird ihn erheben. Ueber seine auch sein Gemüth sich für eine Weile der rührsamen Sentimentalität eigene Milde wird sein Auge thränenfeucht werden, und er wird zu fich sprechen: Ja, es ist eine Seligkeit um das Geben. Solche Momente machen manches ungerechte Leiden eines gefitteten Familien­besizers und Prinzipals vergessen. Wie hat der Verehrungswürdige sich anstrengen müssen, um Geschenke auszuwählen, die nach etwas Die aussehen und doch nicht den Geldbeutel allzusehr angreifen? Dinge müssen nach etwas aussehen, sie müssen eher prozig- auffallend, als bescheiden- gediegen sein. Das ist ein Prinzip, das bis zum Kinderspielzeug hinab angewandt wird. Hat der Prinzipal vollends noch irgendwie mit der Sitte zu rechnen, für seine Untergebenen" eine besondere Weihnachtsvergütigung auszuwerfen, wie muß er da bedacht sein, den rechten Taft zu treffen? Die Leute sollen das gnädigst Gewährte" nicht gerade mit Bitterfeit empfangen, aber sie sollen auch durch allzu üppige Gaben nicht übermüthig und hoffärtig werden,

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Zur weihnächtlichen Zeit nahen überdies den vielgeplagten Prinzipalen noch andere, andere, bange Stunden. Die Zeit der winterlichen Gesellschaften ist gekommen. Es heißt, den Glanz des Hauses nach außen hin aufrecht erhalten; und das wird von Jahr zu Jahr eine erhöhte gesellschaftliche Lurussteuer. Neu- Berlin  hat sich gründlich bemüht, den Ruf der Kärglichkeit, der auf dem geselligen Alt- Berlin lastete, zu zerstören. Die journalistischen Kollegen, die in den Sälen der Gesellschaft von heute" geduldet sind und, weil sie geduldet find, beileibe nicht bitter werden dürfen, viffen in hiesigen und auswärtigen Blättern Luruswunder genug zu erzählen. Es ist dabei möglich, daß die Armseligen, die an den reichen Tafeln mithalten dürfen, in übergroßer Dankbarkeit leicht Wunder sehen. Gewiß ist es und beinahe als triviale Wahr­heit kann es gelten, daß das Lugusraffinement der Gesellschaft mit­unter lächerlich großspurige Formen annimmt. Das ist leicht be= greiflich, wenn man die freibenden Elemente in unserer luxuriösen Gefelligkeit betrachtet. Es sind die Eroberer von Parvem- polis, die hier für geselligen Lurus das Geld mit leichten Händen ausgeben. Wir fennen fein Patriziat im alten Sim und ivenn wir's hätten, es schlösse schlösse sich von den modernen Er= oberern, den Condottieri gleichsam des Erwerbs und Finanz­verkehrs wohl ebenso ab, wie gewisse offizielle Vertreter der Aristokratie oder der Behörden. Etwas vom Glückritterthum vom verwegenen Spiel bleibt dieser Gesellschaft anhaften, wie dem triegerischen Condottieri seinerzeit auch. Will man seiner neuen Macht, die überdies leichter verrinnen kann, als alter Besiz, sich freuen, so muß man sie mit um so auffälligerem Glanz umgeben. Bei allen Beschreibungen der wundersamen Lurusfeste dieser Gesellschaft, mochten sie auch von hündisch dankbaren Leuten empfunden sein, wird man irgendwo darauf kommen: Hier hat sich etwas grell zigeunerhaft abgespielt. Und zigeunerhaft ist mitunter in gewissen Kreisen die Leichtigkeit des Verkehrs. Damit ist gewiß nicht die ungezwungenheit geistig belebter Kreise gemeint, sondern jene ungezwungenheit, die nicht allzu spröde nach Sauberkeit oder Unsauberkeit der Kunterbunten Gesellschafts­elemente fragt. Wo das glückliche Spiel adelt, wie soll's da anders sein? Ungleich gestimmte, in Eriverbs- und Genußjagd überreiche Naturen werden auch die gesellige Sprache als verfeinertes Kultur­mittel nicht fördern. Wir haben darum keine Konversationstalente imd feinen Salon", wie ihn das vormalige ästhetische" Berlin  

fannte.

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In dem Leben aufgeregter Va banque- Epieler fehlt es an Muse wie auch an Juhalt, um eine Konversation zu entwickeln, wie sie etwa im alten Berlin   im Salon von Henriette Herz   möglich war. Man verweilt nicht. Man springt von Einem zum Andern. Man hat die Geduld nicht, auszuführen. Man schent die Mühe, sich für irgendwen tiefer zu interessiren, und im Grunde ist jeder egoistisch mit sich selber beschäftigt. Um diese Gesellschaft zu fesseln, darf man kein Schleiermacher und kein Schelling sein. Man darf vielmehr einem ausgemachten Hammel gleichen und nur eine Reihe von Anekdötchen herzuleiern verstehen und wird Allerweltsfreund dieser Gesellschaft.

Beklagenswerther Familienvater und Prinzipal! der Du über Der Nachahmungstrieb hat es verschuldet, daß Geselligkeitsmacher Duzende von Köpfen gebietest! Man spricht ja so gerne von der dieser Sorte auch in Kreisen Anklang fanden, deren Dasein auf ganz füßen Seligkeit des Gebens. Aber hat der gewöhnliche Mensch eine anderen Grundlagen sich aufbaut. Die geistige und gemüthliche Ahming davon, wie viel Nachdenken, wie viel Sorgen, wie viel Pein Wärme wird spärlicher, das verhüllen die üppigen Tafelgenüsse nicht. das in Wirklichkeit dem verehrten Prinzipal und Gönner verursacht? Der Gast fühlt sich immer seltener als Gastfreund. Schon daß Wozu hat solche respektable Person das ganze Jahr über er nicht frei kommen soll, daß man ihm gleichsam diftirt, wann er geschafft, sich den Kopf zerbrochen, wie das Kapitälchen am zu erscheinen habe, ist ihm ein widriger Zivang. Dazu ahnt er, daß besten nutzbar zu machen sei, wie man den Wohlstand er wildfremden Menschen präsentirt werden soll, Abfütterungen der eigenen Familie hebe, wie die bezahlten Arbeitnehmer", sind kostbar, man thut sie in einem Aufivaschen für ein paar die leider immer anspruchsvoller werden, zu befriedigen seien? Hat Duzend Menschen billiger ab, als fitr einen intimen Und endlich wirkt es man so höchst respektabel für den Zeitgeist, für den Fortschritt sich Zirkel. immer beklemmend, ivent geopfert, so möchte man doch an der Jahreswende gemüthlich sein man gleichsam die Anstrengungen der Gastgeber riecht, Profitchen überzählen. Aber das ist die infame Härte. Man kommt wenn man sieht, wie Wollen und Können sich doch nicht decken. nicht zur Gemüthlichkeit. Um wie viel besser hat's der, der Nichts Diese erzwungene, forcirte Gaftlichkeit macht so manchen Menschen und Niemand sein eigen nennt, als solch vielgeplagter Hauswalter zum ausgesprochenen Hasser all diefer geselligen Heuchelei, all dieser und Prinzipal, der einem Geschäft vorsteht und einem Industrie- vielgepriesenen Familiengaftlichkeit, bei der niemand recht aufzu­unternehmen oder auch seine Landarbeiter und sein Ingesinde er thauen vermag. nähren" muß. So maht der Besitz Kummer auf allen Wegen, und

Für die breite Bevölkerung wird der Begriff Familiengeselligkeit