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bei den beiden Vorstellungen, die er mit seiner Anwesenheit beehrte, beide Male ganz gleichlautend zu Papa Hellvik: " Wie reizend die Tochter des Herrn Doktors ist! Wie schade, daß sie so verborgen in einem Landort lebt. Sehr schade! Sehr schade!"

Und dann sangen die Najaden ein Liedchen, das Assessor Halldelin nicht geschrieben hatte, und eigentlich durften die stimmbegabten Fräulein Ohlsson, Karlsson und Brandtson nur deshalb in dem Bilde mitwirken, denn idealere Figuren meint man selbst in Gesundbrunn gesehen zu haben. In einer Laube saßen Herr Nilsson und Anna Hellvik und sprachen wenig, fühlten sich aber doch sehr glücklich.

der man im Südwesten Deutschlands   heute noch, 27 Jahre nach der deutschen   Einigung, der Vormacht gegenüber festhält. anwalts eine mehr ironische süddeutsche Aeußerung entgegenhalten, Uebrigens fönnte man der Anschauung des Heilbronner   Staats­die sich sprichwörtlich gegen alles kehrt, was allzu schneidig und drohend sich geberdet. Sie lautet: So schnell schießen die Preußen nicht. Auch in ihr ist volksthümliche Erfahrung niedergelegt; und manch Einer, selbst wenn er Kriegsminister wäre und sich auf seinen breiten Säbel stügte, könnte ihn beherzigen. In den Reichstagsverhandlungen der jüngsten Woche war sicherlich bis in die Reihen schroffer Oppofition hinein der angriffsluftige Elan nicht das Entscheidende. Man merkte, daß der Reichstag   verspätet, knapp vor Weihnachten, zusammengetreten war. Der Bevölkerung schien es, als wollte man im Parlament nicht unzeitig sein Pulver verschießen. Warum dann dun In einer anderen saß ein kleines Mädchen, das mit zu die überscharfe Schneidigkeit auf anderer Seite? Warum die über­jenen gehörte, die den verantwortungsvollen Auf- ftrenge Zensur des neuen Mannes, des Reichstags- Präsidenten? Die frag bekommen hatten, um höchste Preise die Rosen Verbitterung über gewisse Ereignisse wird immer ihren Ausdruck zu verkaufen, die ursprünglich dazu bestimmt waren, finden; kein Kürassier als Zenfor wird's ihr je auf die Dauer ver­auf die Wege des Landesvaters gestreut zu werden. wehren. Aber das Mädchen weinte, wie man nur im Lenz der Jugend weint, weil sie, die weniger schön und sehr schüchtern war, für die Rosen nicht mehr zu bekommen vermocht hatte, als fünfundzwanzig Dere, während ihre Kolleginnen mit Stronen­scheinen knitterten.

Da tam ihr Vater dazu, ein reicher Fabrikbesizer, hörte bekümmert von ihrem Mißgeschick, steckte seiner Tochter sieben Fünffronenscheine zu und schleuderte die Blumen verächtlich zu Boden.

So, siehst Du, das ist Deine Tageskasse, mein Kind. Du hast wenigstens einen treuen Bewunderer."

Die Kleine lachte, umarmte und füßte ihn, denn es war nun ganz dunkel im Park, wo die Lampions nicht zu leuchten bermochten.

GHI werden."

Wie weit ein Scheinparlamentarismus führen kann, man sieht es im zerrütteten Oesterreich. Nicht der Parlamentarismus an sich ist in Wien   zur Karrikatur geworden. Dort, wo immer ein Schein und Zierparlamentarismus bestand, konnten sich die wilden Lärms izenen als widerspiel vorbereiten, wenn die Verbitterung alle Dämme durchbrach. Im Wiener   Stadtparlament wurden in diesen Tagen auf Geheiß des Oberbürgermeisters Lueger einzelne Stadtverordnete aus dem Saal hinausgezerrt und getragen, weil sie sich den Ver­mahmungen Lueger's nicht fügten. Die Mißwirthschaft hat es glück­lich dahingebracht, daß die Hinausgeschleiften sich wie Helden vor famen, daß das Unsinnige mit einem Schein von Heroismus umgeben wird. Die Blätter für deu dummen Kerl von Wien  , die illustrirt ers scheinen, brachten natürlich fofort die Bilder der jüngsten, Heldenthaten". so sehr kann sich aller Parlamentarismus zum Zerrbild verkehren, wenn eine Mehrheit, wie in Wien  , ihre Macht rücksichtslos aus­beutet und wenn man der Verbitterung nicht einmal Raum zur öffentlichen Klage gönnt.

Aber ein paar junge Leute, die vorbeikamen und einen leifen Laut von dem Küßchen vernahmen, das der Papa be- Eine erfreulichere Kulturerscheinung haben wir diesmal in Berlin  tam, zuckten die Achseln, und der eine sagte: zu verzeichnen. Es ist die erste Doftorpromotion eines Weibes. " Die Liebelei scheint gegen die Nacht ganz ernst zu Fräulein Elsa Neumann   ist unser jüngster Doktor geworden; sie hat ihre Examina sogar in formalen, trockenen Fächern", in Mathematik Und überall herrschte Freude und Zufriedenheit, aus- bestanden und die Universität steht noch; die Brüder Humboldt ausfind nicht von ihren Sodeln gestürzt und jene Herren Profefforen, genommen in den Herzen der Mädchen, die Najaden, Dorn die das Frauenzimmer" am liebsten mit dem feurigen Schwert aus röschen, Svea, Nora, Dania hatten sein wollen, aber nicht den Hörsälen vertrieben hätten, haben nicht einmal das Gallenfieber dazu genommen wurden. Diese jungen Damen und ihre An- fich angeärgert. Den 6000 Studenten, die die Berliner   Universität gehörigen gingen umher und sagten, Gesundbrunn wäre ein in diesem Winterhalbjahr zählt, ist auch der Schreden nicht in die richtiges Nest, Sturdirektor Kloß der reine Schwindler und der Glieder gefahren. Und was wußte man im verzopften Vorurtheil Ton in der Gesellschaft nicht so, wie er sein sollte. Der noch vor wenigen Jahren wider das Frauenstudium zu zetern! Bruder einer in ihren Gefühlen Getränkten erzählte, er wüßte ist eigentlich keine kleine Bosheit von unserem ersten Fräulein Doktor, daß sie fich gerade auf Mathematik bestimmt, daß auf dem Budget des Kurorts jährlich vier­und Physik geworfen hat. Denn diese beiden Wissen­tausend Kronen für Must angefeßt wären, aber die steckte schaften erfordern eratte logische Echlüsse und eine hauptsächliche der Direktor in die Tasche und engagirte schlechte deutsche Annahme geht dahin, daß es der Frau im allgemeinen an der Gabe umherziehende Musikanten. fehle, streng logisch zu folgern. Es hat zwar schon weibliche Mathematiker gegeben und eine sehr berühmte Lehrerin darunter, aber der Ehrgeiz des ersten weiblichen. Doktors von Berlin   dachte wohl: Man kann dem Vorurtheil nicht oft genug trogen.

Später am Abend zogen die Najaden sich an, steckten ihr Haar auf, und die Fräulein Ohlsson, Karlsson und Brandt­fon stellten sich ganz bescheiden, wie gewöhnliche sterbliche Mädchen in dem Chor auf, der die Halldelin'sche Hymne fang:

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So fällt das Alte, Schlag um Schlag! Auch in der äußeren Struktur Berlins   foll jetzt etwas Altgewohntes dahingehen. Der Thiergarten, unser ältester Naturpart, soll umgewandelt werden. Gleich der Najad auf den Bogen Allgemeiner Jubel und Abbrennen einiger Feuerwerks- Seine ursprüngliche Bestimmung als Wald- und Wildgehege war bis in die jüngste Zeit hinein noch zu erfennen. törper unter Leitung des Baron Sternfeldt. 19 An einzelnen Stellen fand man dichten Baumbestand und, wie sehr Arel Hellvik, der an diesem Abend ungewöhnlich wenig auch die modernen Willenbauten den Thiergarten unklammern Unfug gemacht hatte, wußte es hierbei einzurichten, daß er mochten, in seinen engen Ueberbleibseln war der Waldcharakter ge fich gründlich die Hände verbrannte, und seine Jade beim wahrt, wenn man etwa vom Königsplatz absicht. Auf Wunsch des Drängeln" zerriß. im pids Augiles Raisers foll nun aus dem alten Thiergarten eine Art von englischem ( Fortsetzung folgt.) sodomists Bart werden. Da handelt es sich darum, weitere Rasenflächen zu of sonichaffen, für freiere Durchblicke und architektonische Arrangements zu forgen. Aus dem Hain   mit seinen mannigfach verschwiegenen ein offenerer Stadt und gierpark. Bartieen wird 13 müssen fallen, der Blick muß muß unbehinderter als jetzt Freilich ist's dann auch mit dent in's Weite streben. vorbei, was heute noch das Waldidyllische im Thiergarten ausmachte. Nicht zu allen Tageszeiten war es gleichmäßig wahrzunehmen. Aber ehe der Arbeits- und Straßenlärm noch ganz wach wurde, und erst als leiseres Surren und Summen erklang, da war es noch wie ein Stück Waldfriedens im beklemmenden Häusermeer Berlins  . Und unsere Ritter vom Geiste waren es, die von jeher die lauschigen Gänge des Thiergartens als Morgenpromenaden bevorzugten. All­täglich konnte man dem greifen Leopold Nanke, dem Historiker, begegnen; und der neulich verstorbene Dichter Theodor Fontane   hielt dem Thiergarten ebenfalls die gleiche Treue.

Sonntagsplauderet.

Bäume

Manchmal ist in einer Bemerkung, die in einem Wortkampf wie nebensächlich entschlüpft, ein förmliches tulturgeschichtliches Simmbild eingeschlossen. Ein Staatsanwalt hat in dem Heilbronner   Prozeß von den Angeklagten sagen dürfen: Dankt Eurem Schöpfer, daß Ihr Schwaben feid. Wäret Ihr Preußen, wer weiß, ob man Euch so glimpflich mit den Strahlen aus dem Wasserschlauch gedient hätte. Ob diefer Staatsanwalt damit seiner Anklage Rede eine be­sondere Kraft leihen wollte oder nicht, das ist nicht so sehr bezeichnend; die Aeußerung hat als Anschauungsmoment ihren Werth. So spiegeln sich ganz naiv die Zustände im Kopfe eines Staatsanwalts, So geht in den endlosen Häuserreihen das unbeschränkte Natur nicht etwa im Kopfe eines partikularistischen, demokratischen Klein behagen überall verloren; mit Künstlerischem und Künstlichem das Käm's auf die Massen­bürgers von Württemberg   ab. So fest begründet ist der Glaube an gegen überhäuft man den Großstädter. die anders geartete preußische Raison, daß ein Staatsanwalt von haftigkeit an, wir lebten in Berlin   im gepriesenen Kunstzeitalter. diesem Gegensatz wie von etwas Selbstverständlichem spricht. Er Ein Dilettantismus, wie er unmöglich scheinen möchte, und auss erlaubt sich gewiß keinen Tadel gegen die schroffe preußische gesuchtes Raffinement andererfeits stürmen oft zugleich auf die Schneidigkeit, er glaubt mur, mit feinem Beweisgrund durch- Sinne der Betrachtenden ein. Wer möchte das alles verdauen? zuschlagen; und das ist so charakteristisch für die Einschägung, an 280 so vielerlei sich freuzt, muß man auch auf die turiofesten