Anlerhaltungsblatt des Vorwärts Nr. 252. Mittwoch, den 28. Dezember. 1893 (Nachdmck verboten.) Die Vaveveipe devFÄmilie Hellvik: 16] Von Alfred a f Heden st jerna. Onkel Gustav, der von der Seite nach ihr hinschielte, be merkte ein wenig biffig: „Gute N... N... Neuigkeiten von zu Hause?" „Sie können gut sein, auch wenn sie nicht von zu Hause kommen, lieber Gustav," „So ist D... D... Deine b... b... brave Oberstin vielleicht auf der Heimfahrt?" „Dieser Brief hier ist aus Westervik, Gustav." „Ich weiß nicht, d... daß Du da B... B... Bekannte h-st!" „Nein, aber Du hattest Lust, uns dort welche zu der schaffen." „Emma!" „Onkel Gustav!" Sie waren beide aufgestanden und sahen einander wie zwei richttge zornige Truthähne an; aber dann lachte Frau Hellvik wieder auf, faßte den Alten unter und zog ihn erst in den Park hinaus und dann in einen wenig begangenen Waldsteig. „W... W... Was willst D... D... Du eigentlich?" keuchte Onkel Gustav; aber die Schwägerin lief immer weiter. Schließlich gelangten sie zu einer Bank tief im Walde, wo kein Mensch zu sehen und zu hören war. Da setzte Frau Hellvik sich hin und zog den Schwager neben sich nieder, guckte ihm gerade ins Gesicht und sagte: „Höre, Gustav, glaubst Du, daß Albert und ich und unsere Kinder Dich lieb haben. Du alter Hansnarr?" „Ja, in Eurer W... W... Weise!" „Glaubst Du, daß ims mehr an Deinem Geld, als an Dir liegt? Glaubst Du, daß wir jeden Heller berechnen, den Du ersparst, und Dir keine Freude für Dein Geld gönnen wollen, wenn Du Dir Ivelche verschaffen kannst?" „Aber l... liebe Emma! „Glaubst Du, wir hätten Dir das Glück eines eigenen Heims mißgönnt, nur damit unsere Kinder Dich beerben können? Besinnst Du Dich noch auf die kleine Schwägerin von Probstens, jenes gute, nette zwar vierzigjährige Mädchen, das aber nur wie fünfundzwanzig aussah? Ich lud sie vor einigen Jahren im Sommer zu uns ein, weil ich glaubte, sie paßte für Dich, und es hätte sich so hübsch arrangiren lassen. Die wolltest Du aber nicht haben, obgleich ich genau weiß, daß sie Dich viel glücklicher gemacht hätte, als Du es Verdienst, und damals wäre es für Dich vielleicht noch Zeit gewesen! Und schwieg ich nicht ganz artig in jenem Sommer, da Du davon phantasirtest, ein Kinderheim bauen und dottren zu wollen I Ich dachte, meine Kinder oder die Anderer, daS läuft schließlich auf eins hinaus." „Ja, Du bist eine gute Frau, Emmachen, das weiß ich ja," sagte Onkel Gustav, ohne zu stammeln und drückte die Hand seiner Schwägerin. „Ich bin nicht schlechter, als die Leute es meist sind; aber daß Du. der sein ganzes Leben lang sich nicht um Frauen- zimmer gekümmert hat, plötzlich ganz verrückt hinter diesen Möller's her bist... Ich komme bald zu der Meinung, es war ein Unglück, daß wir hierher gingen. Gott weiß, ob Dir hier die Luft bekommt, Gustav?" „M... M... Möller's sind vort. �. t... treffliche Menschen Emma." „Das sind sie eben nicht, Gustav!" Ich habe mit großer Mühe Auskunft über diese Leute eingeholt. Ich sage Dir, sie sind... aber warum soll ich Dich damit kränken? I Der Zufall hat mich begünstigt und mich in die Lage versetzt, Dir viel einfacher und schneller die Augen zu öffnen... Lies!" Und damit reichte sie ihm das Papier hin, das Frau MWer auf der Veranda aus der Tasche verloren hatte. Onkel Gustav überflog mit erschrecktem Blick und erbeben- der Seele folgende Zeilen: „... Es ist zu köstlich. Malvinchen. unglaublich köstlich. daß Ihr solch' einen alten Prachtkerl aufgegabelt habt! Was thut es denn, daß er häßlich ist! Ihr werdet ja nicht bis in alle Ewigkeit sitzen und ihn anbeten, denke ich. Und sein Stammeln hat wohl noch weniger zu bedeuten, er wird wohl nicht so oft etwas zu sagen haben, der Arme. Aber be- fchleunigt die Sache, das sage ich Euch, laßt den Alten nicht zu lange imSalzbad herumplanschen und Gesundbrunnen saufen, denn dann kann es schwer werden, mit ihm auszuhalten, wie Eugenie Wimmermark gestern sagte, als ich ihr erzählte, welch' prächtigen Fang ihr dort unten in Gesundbrunn gemacht habt.. „Pf... Pf... Pf... pfui Teufel!" rief Onkel Gustav und begann langsam wieder zum Bade zurückzuschreiten. „Höre, Emma", fuhr er dann schnell fort, verstnmnite aber und sah die Schwägerin an. „Was giebt's?" „D... Da... Davon reden wir nicht mehr!" „Nein, niemals!" „D... D... Du glauUt doch wohl n... N 1 1 1 nicht, daß ich jemals b... b... beabsichtigt habe, Ernst aus der S... Sa... Sache zu machen?" „Nattirlich nicht!" „S... s... siehst Du, ich w.... w � 7 1 wollte die Kleine nur zum N... arren machen.", „Hahaha! Du bist ein Schelm Onkel Gustav!" sagte Frau Hellvik, die bereitwillig alles that, um defl ehrenvollen Rückzug ihres lieben Schwagers von seinem ersten und letzten Einfall ins Land Arkadien zu decken.-- Aber im Lande Arkadien sind der Touristenverkehr und die Einzüge sehr zahlreich. Ach, warum müssen die„Aus- züge" es auch sein! Um dieselbe Zeit, da Onkel Gustav die Thüre hinter sich für immer zuschlagen hörte, zog ein anderes Paar dort ein. Herr F. H. Nilsson und Fräulein Anna Hellvik waren tiefer und tiefer in den Wald hineingegangen, als sie den mütterlichen Augen der Frau Hellvik entschwanden, so daß Anna schließlich stehen blieb und darüber nachsann, ob sie nicht„allein mit einem Herrn" zu weit gegangen wäre. Aber da begann Herr Nilsson, der bisher ungewöhnlich' chweigsam gewesen war, plötzlich interessant zu werden. Er ah seiner schönen Begleiterin gerade in die treuherzigen, blauen Augen hinein und sagte, freilich etwas plötzlich, aber im übrigen mit weit größerer Klarheit und so zusammen- hängend, wie es sonst bei einem Gespräch dieser Art wohl kaum üblich ist: „Wenn meine Person, meine materielle Stellung und mein vergangenes Leben kein Hinderniß bilden, könnte ich dann zu hoffen wagen, daß Sie meine Gatttn werden wollen, Fräulein Hellvik?" Anna Hellvik hatte keine praktische Erfahrung darin, wie eine Werbung stattzufinden pflegt, aber infolge der An- deutungen von Freundinnen und ihrer bellettistischen Studien nahm sie an, daß Herrn Nilsson's Erklärung sich durch einen ungewöhnlichen Grad von Klarheit und Ruhe auszeichnete. Aber sie liebte ihn wirklich. Er hatte längst einen hundert Mal größeren Platz in ihrem Herzen erobert, als der kleine Pfarrer Fridolin, den er daraus verttieben und dem nur gestattet gewesen war, die Thüre auf ein kleines Spaltchen zu öffnen, und auch das eigentlich nur. weil kein anderer da war, der das hätte thun können. Darum sagte sie nicht nein, lief auch nicht davon. Und noch weniger sagte sie natürlich ja. Die meisten Mädchen verheirathcn sich ja, ohne es zu sagen. Sie schwieg und blickte zu Boden. Da stand eine Bank, und auf diese setzten sie sich. Anna Hellvik war unschuldiger als die meisten Mädchen in ihrem Alter, hatte aber doch eine Ahnung, daß, wenn man eine solche Frage schweigend und im großen Ganzen wohl- wollend angehört hat und sich sttll neben den Fragesteller setzt, etwas... hm... etwas Merkwürdiges geschehen muß, was einem anständigen Mädchen sonst noch niemals widerfahren ist. Aber Herr Nilffon that nichts dergleichen; er sah sie nur mit einem Blick voll inniger Liebe an und begann dann wieder klar und deutlich zu reden: „Ich hätte diese Frage nicht an Sie gerichtet, wenn ich selbst ettvas Beleidigendes darin finden würde; aber für den �
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15 (28.12.1898) 252
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