Ein gutes Gespann besteht auS etwa zwölf Hunden. Ihr Geschirr ist aus Bärenhaut gefertigt, die Zügel aus Büren  - oder Seehundshaut. Dem vordersten Schlitten in einem Zuge ist immer noch ein weiterer Hund beigegeben, der die Stelle des Führers vertritt und eine besonders' sorgsame Dressur erhält. Er wählt immer die Spur, die am wenigsten Gefahr bietet. In dunlelen Nächten oder wenn die schauerliche Einöde durch einen Sturm, undurchdringlichen Nebel oder blendendes Schneegestöber verdunkelt wird, wird ein guter Leithund sicher die noch so tief ein- geschneite Hütte finden, wenn er nur einmal dort gerastet hat. Die Aufgabe, diese wolfsartigen Hunde zu kutschiren, ist natürlich sehr schwierig und verlangt große Geschicklichkeit und Entschlossenheit. Der Schlittenführer muß jeden Augenblick zum Herunterspringen entschlossen sein, wenn er seine Sicherheit gefährdet sieht. Ein langer Stab, an dem einen Ende mit einer eisernen Spitze, am anderen mit Schellen und Glöckchen versehen, dient ihm zur Er- Haltung seines unsicheren Sitzes auf dem schaukelnden Schlitten und um seine Stimme bei der Llnfeuerung des Gespannes durch das Schellengeklingel zu unterstützen. Die Leistungen der arktischen Hunde auf große Entfernungen sind geradezu überraschend. So legte Wrangell   auf seiner Heim- reise manchmal hundert Werst täglich zurück. und erhielt eine mittlere tägliche Geschwindigkeit von sieben geographischen Meilen auf eine Strecke von 750 englischen Meilen, obgleich die Hunde mehrere Tage ohne Futter blieben. Das Rennthier findet allerdings eine weit vielseitigere Verwendung und gewährt einen mannigfaltigeren Nutzen als der Hund. Indessen kann nran es nur da halten, Ivo' noch Gräser und Flechten vorkommen, und wo der Schnee nicht allzu tief ist, so daß die Thiere noch ihre Nahrung im Winter darunter suchen können. Allein über unabsehbare Strecken Landes in den Polargegenden sind fast alle Nahrungsmittel und Handelsartikel, wie das so nothlvendige Brennmaterial nur mit Hilfe der Hunde zu erlangen. Der Hund ist den Anwohnern jener arktischen Gebiete ebenso unentbehrlich wie das Nennthier den nordischen Nomaden, wie daS Kameel den Bewohnern der Wüsten Afrikas   und Asiens   oder das Lama den Bewohnern der südamerika  - nischen Anden, und nützt seinem Herrn nach seinem Tode noch durch sein Fleisch und seinen dichten, zottigen Pelz. (Kölnische V o l k s- Z e i t u n g.") Kleines Feuillekon. Die Denunziation in der Literatur. Vor nahezu zwei Jahren, am 7. Februar 1897, erschien in derFranks. Ztg." sein Auf­satzlieber das Denunziren" von Otto Julius Bier bäum, der großes Aufsehen erregte. Der Artikel hatte folgende Vorgeschichte: Ein junger Schriftsteller, Herr B ö r r i e s Freiherr v. Münch- h a u s e n, damals in Göttiugen, hatte eine Gedichtsammlung Richard Dehmel's   bei der Staatsanwaltschaft alsunsittlich" denunzirt, und ans Grund dieses seltsamen Vorgangs ver- anstalteten die Herren Bierbaum und Meyer-Gräfe bei den deutschen Autoren eine Umfrage dahingehend, ob die Denunziation ein berechtigtes literarisches Kampfmittel sei. Die Ergebnisse dieser EnguSte, die begreiflicherweise für den Herrn in Göttingen  nicht sehr schmeichelhaft waren, wurden in dem oben erwähnten Artikel derFrankfurter Zeitung  " veröffentlicht. Herr v. Münchhausen strengte gegen O. I. Bierhäum und Meyer- Gräfe die B e l e i d i g un g s kla g e an, aber die Sache zog sich hin, bis endlich jetzt vom Berliner   Amtsgericht die nachstehende Entscheidung gefällt wurde, mit der d a S D e n u n z i a n t e n- t h n m in der Literatur gerichtet erscheint: Beschluß. In der Privatklagesache von Münchhausen gegen Bierbaum und Genossen, 147 B. 191/98, wird unter Ablehnung der Er- ösfiiung des Hauptverfahren s der Privatkläger mit seiner Klage k o st e n p f I i ch t i g z u r ü ck g e w i e s e n. Dadurch, daß die Beschuldigten aus Anlaß der vom Privatkläger gegegen den Schriftsteller Dehme  ! erstatteten Denunziation eine Umfrage unter den Standesgenossen über eine derartige HandlniigSweise hielten und diese Umfrage demnächst ver- öffentiichten, haben sie lediglich im S t a n d e s i n t e r e s s e gehandelt und gegenüber dem Vorgehen eines Einzelnen ein generelles Urthetl darüber herbeisühren und bekannt geben wollen. Aus dem inkrimiuirten Artikel geht in keiner Weise hervor, daß sie etwa auS Wuth über die einem Freunde widerfahrene Denunzia- tion, wie Privatkläger es darstellt, die Person des Letzteren nun ihrerseits beleidigen und verunglimpfen wollten. Sie wollten viel- mehr lediglich in sachlicher Weise gegen die Ansicht, daß im Schriftstellerstande ein derartiges Kampfesmittel als erlaubt an- gesehen würde, Verwahrung einlegen. Jedenfalls steht den Angeklagten der Schutz deS§ 193 d e S Strafgesetzbuches durchaus zur Seite. Berlin  , den 8. Januar 1899. Königliches Amtsgericht I. Abth. gez. Karsten. Musik. Aus der Woche.   War einst das allermeiste künstlerische Leben ein Stück kirchliches Leben� und zwar so. daß nicht nur die Kirche die Kunst, sonder» auch d'ie Kunst die Kirche beeinflußte, so können wir jetzt seit Langem eine immer größere Abwendung der Kunst von der Kirche oder vielmehr von den Kirchen bemerken. Ist die Kirche hier die eigentlich Schuldige, so ist sie es auch bei einem speziellen Fall dieser Abwendung: bei dem Auseinanderfallen der kirchlich und selbst kirchlich gearteten Musik überhaupt und der that- sächlich noch von der Kirche verwendeten Musik. Man sehe einmal nach, welche beengenden Anforderungen heute die katholische Kirche   an ihre Musik stellt, und wie viel von der kirchlich gemeinten Musik sie aus ihrem Kreis verbannt: man wird einsehen, daß da für die eigenthüm- liche Entfalttmg der Musik nicht viel übrig bleibt, und daß gerade unsere klassischesten Tonkünstler als zuweltlich" abgewehrt werden. So sind heute Hervorbringung und Wiedergabe religiöser und selbst kirchlicher Werke großentheils an das weltliche Kunstleben gewiesen und schweben sozusagen frei in der Lust, also daß wir ihrer Zukunft nicht zuversichtlich entgegenzusehen vermögen. Und doch konnte unsere Zeit noch Derartiges hervorbringen und wiedergeben, wie eS dieVier heiligen Stücke" des italienischen Alt- meisters Verdi sind, die am 19. Januar der Philharmonische Chor unter Siegfried Ochs   aufgeführt hat. Diesen Werken gegenüber mag die kurze Kritik genügen: sie sind höchst werthvoll und wirkten gewaltig. Hervorheben möchten wir dasTedeum". mit reichem Orchester und vielstimmigem Chor? dem Vorwurf äußerlicher Effekte ist es nicht entgangen unseres Erachtens ergiebt sich, was derart getadelt wird, so natürlich aus dem im ganzen Werk liegenden Gefühlsschwnng, daß vonEffekt" undAeußerlichkeit" höchstens dann die Rede sein kann, wenn auf das, was die Musik hier ausdrücken will, nicht Rücksicht genommen wird, wenn man ihr also von vornherein unrecht thut. Und noch eins konnte uns dieser warmblütige Verdi lehren. Voran gingen in der Aufführung drei Werke von Brehms, die zumeist unter seine besten gerechnet werden. Wie wurden selbst diese tüchtigen Leistungen durch das Nachfolgende in Schatten gestellt in den kühlen Schatten, in den wohl fast alles Schaffen dieses Komponisten gehört I Das Hauptstück unter den drei Werken waren dieVier ernsten Gesänge für eine Baßstimme", op. 121, gleich jenen vieren von Verdi derSchwanengesang" ihres Schöpfers. Der vierte Gesang enthält als Text die bekannl'e Stelle von Paulus  ... und hätte der Liebe nicht.. Da heißt es u. A.:Wir sehen jetzt durch einen Spiegel in einem dunklen Worte, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich's stückweise, dann aber werde ich's erkennen, gleichwie ich erkannt bin." Nun muß doch fiir jeden an dieser Stelle Jnteressirten der hier gemeinte Gegensatz zwischen mittelbarem, reflektirtem und unmittelbarem, anschaulichen« Erkennen klar sein. Wenn der Komponist diesen Gegensatz nicht fühlt und verwerthet; wenn er den ganzen Passus mit der gleichen geistvoll reflektirten Musik versieht, die er auch sonst fast immer schreibt, und nicht einmal jenen die unmittelbare Anschauung hezeichnenden Worten eine entsprechende Musik zu widmen vermag: wenn er dann den Ausdruck jener Gedanken noch außerdem durch ein Figurationsspiel aufgleichwie" verwischt: wenn endlich kritische Stimmen diese Leistung so hoch stellen und die dem Komponisten fehlenden direkteren Ausdrucksmittel Verdi y vornehm abthun: so stehen wir eben vor einem verkünstelten Zustand des Geschmacks.   Auch die Aufführung läßt sich kurz kritisiren: meisterhast. Möchte doch Herr Ochs für eine baldige Wiederholung sorgen, und möchte die für 4. Februar bevorstehende Aufführung von Verdi'SRequiem" gebührende Würdigung finden! Wir brauchen wohl nicht erst in die Erinnenmg rufen, daß Verdi'S jüngere Werke weit über seine alten Opern hinansliegen, ganz anders als es etwa bei Rossini'sLtabat Ilatsr" war, das eben nur wieder den alten Rossini zeigte--- Ltabat Musica dolorosa juxta fugern lacrimosa! Auch die Aufführung von K i e l' s OratoriumC h r i st u 3" am 20. d. M. durch die Singakademie unter ihrem verdienten Direktor Blumner führte uns in die auf eigene künstlerische Kraft angewiesene moderne Kirchenmusik hinein. Kiel  (18211885) gilt als der eigentliche Fortführer derklassischen" Musik, in einigem Gegensatz zu denRomantikern". ImChristus" ist es Bach, dem er selbständig nacheifert, und ist die Ersetzung der in früheren Oratorien ständigen Figur des episch wirkenden Evangelisten durch deu direkter wirkenden Christus selbst ein Stück Fortschritt innerHaiti dieser Kunstform. Kiel   wird auch trotz seiner anerkannten Kammer- musikwerker, wenig gespielt: derChristus" freilich ist seit seiner Ent- stehung(187172) gerade in Berlin   heimisch. Die diesmalige Auf- führung war im Gänzen eine sehr gediegene Leistung, allerdings gegenüber den frischeren und feiner nuaneirten Wirkungen des Phil- harmonischen Chors etwaskonservativ". Unter den übrigen Konzerten dieser Woche ragten hervor: der Beginn von Wülluer'sVier historischen Liederabenden", auf deren Fortsetzung rühmend aufmerksam gemacht sei; dann Engen d'Albert's, eines in Berlin   noch zu wenig beachteten Kompo- nisten. Vortrag seiner neuen 4 Klavierstücke, die jedenfalls mehr sind als Virtuositätsproben: endlich Magda von Dulong's   Lieder- abend, der uns eine sehr tüchtige, nur in der Höhe nach größerer Festigkeit und Fülle bedürftige Sängerin kennen lehrte. Auch Elsbeth Heine bewährte, wie uns berichtet wird, gute Stimm- bildung und temperamentvollen Vortrag, der nur nicht das Stück durch zu viel Nuaneirung zerreißen sollte: von dem Liederabend der Selma Nicklaß-Kempner   wird berichtet, daß sie sich als Meisterin ihrer Kunst zeigte und überreichen Beifall erntete. Die Violinistin Anna H e y n e r bewies, wie ich höre, neuer-