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Wichtigkeit. Er wollte sich um jeden Preis von einem gewöhn- strenge, werden heutzutage barsch erklären:" Wir brauchen keine lichen Häringsbändiger unterscheiden und spielte sich deshalb Dichter". Als das liberale Geschlecht noch jugendlich und zukunftsmit frankhaften Anstrengungen auf den gebildeten Kaufmann froh war, da sog es aus den Werken eines einfachen Romanschreibers, hinaus. Das Bewußtsein, sich in gelehrter Gesellschaft zu Freude. An Festtagen; wenn der Dichter wieder einmal einen besonderen des Friedrich Spielhagen , eine Fülle von Anregung und bewegter befinden, mochte außerdem noch anfeuernd auf ihn wirken, Geburtstag feiert, wird das auch von allerernstesten Leuten und Würdenund so sprach er über Alles und Jedes mit der ergöglichsten trägern, wie etwa die Helden und Sprecher von BezirksDummdreistigkeit und stritt bis aufs Blut über Dinge, von vereinen find, in gehobenem Brustton anerkannt werden. Aber sonst, denen er keinen blassen Dunst hatte. Die Schmidt's ent- wenn diese leidige Festpflicht gethan ist, wird dieser Pathetiker wickelten eine satanische Findigkeit, ihn auf unsichere Gebiete gravitätisch einherstolziren, sich seine nimmermüde Rührigkeit vor zu locken. Und er troch mit unglaublicher Bereitwilligkeit auf jeden Leim. Gewöhnlich fing die Tischunterhaltung mit dem Geschäftlichen an.
Nun, Herr Kommerzienrath", interpellirte Johannes den alsbald die Ohren spizenden Handelsjüngling, wie steht's mit den Rosinen?"
" Ja..", lachte Karl dann mit behaglicher Ueberlegenheit. „ Das sagen Sie so leicht hin. Als ob das mit ein paar Worten abgethan wäre. Rosinen.. das ist ein sehr tnifflicher Artikel."
Und nun sette er weitläufig auseinander, wie man Rosinen kalkuliren müsse, und redete so lange, bis die gesammte Tafelrunde in ein mordsmäßiges Hohngelächter ausbrach. Dann sah er sich ganz erstaunt um, zuckte die Achseln
dem Halleschen Thore oder im Potsdamer Viertel ins Gedächtniß zurückrufen und dann überlegen lächeln. Hat er nicht die Wankenden im Liberalismus gestützt, die Müden mit seinen ermunternden Worten aufgerichtet? Wer kann den Vorrath von einem guten Duzend von Schlagworten so tapfer und energisch in die freie Mannesrede verweben, wie er? Dichterlein, Dichterlein. Verkrieche dich beschämt!
Herr Schädler, der Fromme, hätte auch getrost sein Sprüchlein wider den unheiligen Goethe hersagen dürfen. Wozu erst die Angst, als Bildungsfeind und Philister angesehen werden zu können? Viele seiner Mitfreunde, die im arbeitsschweren Dasein und im den verstorbenen Goethe durch ihr Studium zu ehren, hätten ihm Hochgefühl ihrer politischen Verantwortung feine Gelegenheit fanden, fein Sprüchlein ohne weiteres Besinnen aufs Wort geglaubt und bei den anderen maßgebenden Elementen wird man gewiß nicht gleich als Bildungsfeind verschrieen, wenn man gegen einen Dichter spricht, der seine Hofraths- und Exzellenzwürde so weit vergaß, daß hr versteht eben alle nichts davon. Sonst würdet Ihr er nicht blos an der pofitiven Gläubigkeit rüttelte, sondern auch darüber nicht lachen. Das sind sehr wichtige Fragen im sonst noch allerhand Teufeleien und mephistophelischen Unfug trieb. Es ist wahr und durch nichts zu beschönigen. In dieser Hinsicht Handelsleben." Sein Interesse am Handelsleben und seinen wichtigen stand's um Goethe heidnisch schlimm; und er kann seinem Schöpfer danken, daß er nunmehr bald an die siebzig Jahre in der kühlen Fragen war indeß bis zu einem gewissen Grade eine schand- Erde ruht und es niemals mit einem Strafrichter aus der Gegenbare Heuchelei. Er sprach hauptsächlich davon, um seinem wart zu thun hatte.
und meinte:
"
Alten gegenüber den tüchtigen jungen Mann" heraus- Wer nicht nachdenklich ist und durch keinen Zweifel seine Seele zukehren. Sein Herz gehörte eigentlich der Welt, die zu leben gefährdet, der kann ungeschoren durch die Welt von heute laufen. berſtand. Darunter begriff er die Leute, die noblen Passionen Sonst aber mag er sehen, daß er nicht subjektiv und objektiv" die huldigten, besonders die Sportsmenschen. Er selbst trieb friedlichen Zirkel der Frommen im Lande store. An einer Stätte, teinerlei„ adelige" Uebungen, aus naheliegenden Gründen. Aber er that, als ob er in allen Zweigen des modernen Sports daheim wäre. Von jedem Radrennen war er auf das Genaueste unterrichtet, die Namen Lehr, Büchner, Arens, Bourillion, und wie die Strampler alle hießen, famen so geläufig aus feinem Munde, als ob er mit ihnen allen einen Scheffel Salz gegessen hätte.
Donnerwetter, die Franzosen !" rief er über den Tisch weg. Es ist doch eine Sache. Unsere deutschen Fahrer, es find ja große Kerls. Aber sie machen Alles mit den Beinen, Alles mit den Beinen. Die Franzosen dagegen..." ( Fortsetzung folgt.)
wo die Unruhe sonst schweigt, ist dieser Tage ein Fall vorgekommen, der auf den Geistesfortschritt in der Gegenwart ein höchst bemerkenswerthes Licht wirft. Ein Arbeiter trauert am frischen Grab. Der Sarg mit den Resten einer theuren Person ist herabgelassen der Arbeiter wirft ein paar Erdschollen nieder und ruft vernehmlich Friede mit Dir! Auf Nimmerwiedersehen!
Das Wort: Auf Nimmerwiedersehen! verletzte den Pastor und einige andere, die der Szene beiwohnten, dermaßen, daß der Arbeiter sich vor dem Richter zu verantworten hatte und zu einer Haft strafe verurtheilt wurde.
Nicht einmal das erwogen hatte die Gläubigkeit, daß in Momenten solcher Erregung, wie der betreffende Arbeiter sie durchzukosten hatte, die Worte, wie unwillkürlich sich auf die Lippen brängen; daß also, was gesprochen, was geklagt wird, halb uns bewußt sich aus bewegtem Gemüth losdrängt. Der orthodoxe gro sodbus dim bi lanp Eifer fand den Glauben an ein Wiedersehen im Jenseits getränkt, buEifer
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Sonntagsplandevei. und für dieſe Kränkung verlangte er unnachsichtlich seine Genug
Der fromme Herr Schädler vom Zentrum ist neulich in seinen Besorgnissen entschieden zu weit gegangen. Das war, als mau um 50 000 M. für das Straßburger Goethe- Denkmal bat. Er meinte, es könnte dann der und jener im Reichstag für irgend ein anderes Dichter- Denkmal plädiren"; und wer im Hause hätte nicht seinen Lieblings- Dichter?
Mit solchen Kümmernissen hätte sich Herr Schädler doch wohl nicht beladen sollen. Er hätte sich im Kreise seiner eigenen, mannhaften Schaar nur umthun und auch sonst seine Blicke auf andere unentwegt trogige parlamentarische Gruppen wenden sollen. Da hätte er dann erkannt, daß die Gefahr, durch überfeinerte Geistestultur oder Dichterverehrung zu verweichlichen, in unserer rauhen Zeit nicht allzugroß sei.
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Herr Schädler hätte wirklich getrost Herz und Nieren des großen Wolfgang auf Gläubigkeit prüfen tönnen; im Parlament des Landes der Dichter und Denker hätte er in der gegenwärtigen Lage außerhalb seiner Parteigemeinschaft Zustimmung und Hörer genug gefunden. Daß Goethe eine tosmopolitische Größe geworden, was geht das uns an, könnten die Nationalisten uns erwidern. sind ohnedies immer mit den Ermahnungen bereit: Die Deutschen follten endlich einmal aufhören, hinzuhorchen, was die Fremden von ihnen und ihrem Wirken sprechen.
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Wollte man im Geiste derer, die über den Arbeiter am Grabe ungehalten waren, jene Werke der Weltliteratur revidiren, die ein geistiges, völkervereinendes Band bilden, welcher Denker, welcher Dichter bliebe verschont? Hat nicht ein armer Mann, wie Hamlet war, schon gezweifelt und sprach nicht er schon vom Reich des Jenseits, aus des Bezirk kein Wanderer wiederkehrt?"
Aus echten Männerfehlen hätte er die Wahrheit vernehmen können, daß ein Mensch, der als Streiter im politischen Lebensernst voll und ganz aufgehe", teinen Lieblingsdichter kennt, und überhaupt, So lange hat sich der Dutzendbürger unter uns mit den Errungen wozu brauchen wir die Dichter? Die Tage sind vorüber, da wäh- schaften naturwissenschaftlicher Erkenntniß, mit der glänzenden rend einer Verhandlungspause ein Abgeordneter seinen Landsmann, technischen Entfaltung mochte er selbst auch an ihnen nicht den der eine Maß Bier trinken ging, erwiderte:" Ich will inzwischen ein paar Seiten Goethe lesen!" Solcher Sonderling dürfte heute wie ein unangenehmer Geistesproß auffallen.
In Zeiten, da die närrischen Verächter aller geistigen Verweich lichung obenauf sind, haben die Dichter, die niemals recht in Reih' und Glied stehen mögen, einen schweren Stand. Daß sie den Negierungen leicht läftig fallen können, wird Jeder von vornherein begreifen. Sie fallen in der That, um bei der sorgsamen Unter scheidung zu bleiben, die Herr v. d. Recke in der Ausweisungsfrage aufstellte, in doppelter Weise lästig. Einmal subjektiv, dann objektiv. Subjektiv, indem sie ganz persönlich erhöhte Empfindung auslösen, agitatorisch zu Gedanken anregen, objektiv, indem sie das Phlegma der Ordnungsmenschen, die von ihnen durchaus nichts wissen wollen, dennoch in Unruhe versetzen. Sie stecken eben Andere, oft die nächsten An gehörigen der Ordnungsleute mit ihrem Firlefanz und ihren Träumereien an.
Aber auch andere mannesstolze Seelen, allzeit aufrecht und ge
geringsten Antheil gehabt haben, selbstzufrieden getröstet, daß er es nicht beachtete, welch' ironischen Gegensatz hierzu die Freiheit der Geister zur Wende des 19. Jahrhunderts abgebe. Man will nicht gern entbehren. Man wird ungeduldig, wenn irgend eine technische Erleichterung, eine neue Bequemlichkeit nicht alsbald verbreitet wird. Aber mit dem geistigen Hunger steht es wesentlich anders. Im Großen, wie im Kleinen. Daß einer geistig entbehre, daß er mit einem Snag im Innern herumlaufe und Demüthigung um Demüthigung ertrage, darüber erregt man sich nicht sehr, wenn er mir zureichendes Futter erhält. Bis in fleinbürgerliche Streise hinein ist das geistige Abhängigkeitsgefühl so sehr gewachsen, daß man sich der Gnaden tröstet, wo man um ein Recht zu kämpfen hätte.
So kann man gegenwärtig manchem Biedermann begegnen, der über die Forderungen des Königs Scherl wohl auch seinen Mizmuth äußert, dann aber den Finger an die bedenkliche Nase hält uno meint: Aber die Ausgesperrten haben doch verdient! So fürchterlich groß schreiben sie das Wort Verdienen", so sehr gehen sie im Ge