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Wassiljewna, steig ein!"

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den tapferen, redenhaften Obersten Schönberg giebt, der in der ge Und plöglich war Alles verschwunden. Langsam hob sich der witterbangen Nacht vor Hohenfriedberg   deutlich erkennt, daß er Schlagbaum. Maria Wassiljewna setzte sich bebend, vor Kälte er­ftarrt in den Wagen. Das Viergespann fuhr über den Eisenbahn­damm, hinter ihm her fuhr Semen.. Der Aufseher zog die Müße. Da ist Wjasowja. Wir sind am Ziel."-

Kleines Feuilleton.

V

sammt den Seinen in den Tod geht. In diesen Szenen, in denen sich soldatisches Pathos und empfindsame Melancholie mit einander vereinigen und in denen die preußisch- patriotische Phrase dröhnend erklingt, wurde das Publikum wärmer, und es kam zu demonstrativem Beifall. Im Allgemeinen hatte Wildenbruch diesmal sein Spiel nicht gewonnen. Vielleicht gerade darum, weil er es verfeinern wollte. Ihn lockte die doppelte Aufgabe: einmal die Kontraste zwischen dem Haus Desterreich und dem jungen Adler Friz" scharf zu beleuchten. Aber dies wird nicht durch direkte Bühnenbilder offenbar, wie in den englisch französischen Lagerszenen vor Azincourt   bei Shakespeare  ( Heinrich V.), sondern es wird durch Botschaften, Mel­dungen und Erzählungen klar gemacht. Ferner wollte Wildenbruch an einem psychologischen Doppelfall darthun, wie das Alte und Faule, wenn es stürzt, auch edle Naturen mit sich reiße. Da ist der junge Baron Waltram in Schlesien  , ein Edelmann vom Wirbel bis zur Sohle. Nur hat er den Genius Friedrichs ver­tannt, Eine fannt, der sich sein höheres Recht neu schafft, und hält sich zu Maria Theresien, deren altes Recht gekränkt worden war. Er huldigt dem Sieger nicht, sondern verläßt Heimath, Haus und Hof und nimmt in Sachsen   Dienste. In der verhängnißvollen Nacht bor Hohenfriedberg erkennt auch er, welcher tragischen Donquixoterie er nachgehangen und wie er ihr zu Liebe sich zwischen seine Schwester und deren heißgeliebten preußischen Major Winterfeld gestellt habe! Leider ist gerade der Versuch im Psychologischen arg mißglückt und grobschlächtig gerathen. Das braust auf und geberdet sich manchmal, wie im" historischen" Sensationsroman. Zumal Fräulein v. Waltram spricht und fühlt allzeit fortissimo. Das fällt endlich auf die Nerven.

-d. Der Lockvogel. Die Tafel wurde aufgehoben. Lachend und scherzend standen die Maskirten auf und traten an die Seiten des hellerleuchteten Saales. Die Kellner legten die Tische zusammen und schoben sie hinaus. Mit großen Besen wurden die Knallbonbon­tapfeln und Papierblumen, sowie die verspielten Zuckerstücke auf gefegt. In die ruhigen Gruppen fam plötzlich Bewegung. Eine Bacchantin lief durch die übereinandergestapelten Stühle einem Jakobiner nach. Er hielt in seinen Händen einen goldgelben Ball hoch über seinem Kopf und schrie:" Ich habe ihn! Ich habe ihn! Mir gehört die Bacchantin!"

Sie zog ihr leichtes Kleid fest und haschte nach ihm: Meinen Ball will ich! Meine Melone!"

" Ha, fie läuft mir sogar schon nach!" rief er aus.

Da hatte sie ihn am Rockzipfel erwischt. Und er ließ sich gern fangen. War sie doch das schönste Mädchen unter allen. Zwar schon etwas reif und voll, aber er liebte das Reife. Außerdem war fie ja auch die Tochter des Fabrikanten Lederer. Es war doch gewiß eine große Bevorzugung, als junger Student von ihr so ausgezeichnet zu werden! Und man konnte gar nicht wissen

Ein Fräulein Schubert als Gast that nichts dazu, um hier zu mildern und zu dämpfen. Im Gegentheil. Sie suchte das Sie hatte denn auch richtig seinen Arm genommen und Erzentrische noch zu überspannen. Das Aufdringliche folcher Spielweise spazierte mit ihm an den Gruppen vorbei. Wie er sich in die Brust wurde noch fühlbarer durch die reinlichere, zurückhaltende manier des warf. So ein Mädchen! Diese weißen, vollen Arme, dieser weiße Herrn Sommerstorff( Frhr. v. Waltram). Seinen besonderen Applans glatte Naden! holte sich Herr Bittschau( Oberst Schönberg), der den Ton für Die Musiker faßen wieder auf dem Podium und stimmten ihre den gemüthvollen Haudegen glücklich traf. Auch Frau Frauen­Instrumente. Mehrere Reihen jüngerer Leute zogen im Saal dorfer( Waria Josepha) blieb gemessen, menschlich warm und das umber, auf den Beginn des ersten Tanzes mit immerem Fieber in einer Rolle, die leicht zu starrer Grandezza verführen kann. Alles in Allem trägt also nicht die Schauspielerei die Hauptschuld an dem unerquicklichen Verlauf des Abends. Fast scheint es, als wäre man der dröhnend- phrasenhaften Manier Wildenbruch's selbst im Berliner   Theater müde geworden. ff,

wartend.

Völkerkunde.

Er ging mit seiner Bacchantin immer noch allein. Na, das mußte doch auffallen! Besonderen Spaß machte es ihm, an ihrem Tisch­herrn vorbei zu gehen. Das war ein Geschäftsfreund ihres Vaters, noch in heirathsfähigem Alter; zwar schon ein bischen zu voll, wie der Student bei sich dachte- aber die Eltern der Bacchantin schienen es gern zu sehen, wenn sie diesen überreifen Mann mehr beachtet hätte, als ihn. Der alte Lederer runzelte ärgerlich seine Stirn. Auch -Ueber indisches Frauenleben hielt der Missionar der Geschäftsfreund, im Kostüm eines Ritters, verzog das Geficht. Th. Schreve in Dresden   einen Vortrag, in dem er nach einem Be­Ja, die Bacchantin war eben zu feinfühlend für den. Sie ging richt des" Dresdener Journal" etwa Folgendes ausführte: Die lieber mit ihm, dem jungen Studenten. Und vor Freude drückte er hundert Jahren, weil es die Religion und die Sitte verlangt, daß Lage der Frauen in Indien   ist heute noch fast dieselbe, wie vor Sie lächelte. Plötzlich schlug fie mit ihrem Stab den großen die Frauen in dieser Stellung bleiben. Die heiligen Lehrbücher der Ball aus seiner Hand. Er flog in die Nähe des Nitters. Der stürzte Hindu lehren die Mißachtung, ja sogar die Verachtung der Frau. Was ist grausam? Das Herz der auf den Ball zu, der Student auch. Doch erwischte ihn feiner. So schreiben sie z. B.: Was ist grausamer? beim zu gleicher Zeit Das Herz des Weibes. Was Ball bückten Schlange. an, Das Herz der Wittwe, und was ist ist am grausamsten? hielten sich gegenseitig von ihm ab. Erst stieß ihn der Eine mit dem Fuß weiter, dann der Andere. Zuletzt ist die Kinderheirath. Die Mädchen werden im zarten Alter von das Thor zur Hölle? Die Frau." Eine eigenthümliche Einrichtung schlug ihn die Bacchantin wieder hoch: Wer ihn fängt, mit dem 9 Monaten bis zu 10 Jahren an Knaben von 6 bis 16 Jahren durch

ihren Arm.

Sie

fich

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famen

tanze ich!"

und

Beide liefen hinter her. Da gab sie dem Ball abermals einen Schlag, daß er dem Ritter in die Hände flog.

Sie nahm seinen Arm und lächelte dem Andern bedauernd zu. Als der erste Tanz vorüber war, wollte der Student fie auf­fordern. Doch da stieg der alte Lederer auf einen Stuhl und ver=

tündete, daß sich seine Tochter soeben mit seinem Geschäftsfreunde

berlobt habe.

Der Lockvogel hatte seinen Dienst gethan.

Theater.

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Beschluß ihrer beiderseitigen Eltern verheirathet. Sie werden dann in der Regel den Eltern des Mannes übergeben, welche die jungen Eheleute zusammen erziehen. Es kommt auch häufig vor, daß ein Mann von 60 Jahren ein Mädchen von 8 Jahren heirathet. Diese Sitte ist 500 Jahre älter, als die christliche Aera und noch heute besteht Regierung insofern geregelt worden, als das gesetzliche Alter auf fie. mur Sie ist neuerdings durch die britische das zwölfte Lebensjahr festgesezt wurde. Diese Regelung hat aber auch nur den praktischen Erfolg, daß eine früher geschlossene Che anfechtbar ist, d. h. sie ist giltig geschlossen, aber die Ehefrau hat das Recht, sich an die Gerichte zu wenden und Auflösung der Che Im Berliner   Theater, wo Wildenbruch mit seinen zu verlangen, falls der Mann sie zwingen will, zu ihm zu kommen. Heinrich- Tragödien so lebhafte Siege erfochten hatte, wurde am Es steht also in einem solchen Falle, der auch heute noch häufig genug Dienstag wildenbruch's neuestes Trauerspiel, Gewitter vorkommen wird, lediglich in dem Belieben der Frau, ob sie dem nacht zum ersten Male gegeben. Nach dem Titel mußte man Wunsche ihres Mannes folgen will oder nicht. Sie wird aber diesen diesmal keine Historie erwarten. Wildenbruch, der stramm Preußische, Wunsch auch heute noch selbst dann erfüllen, wenn sie teine besondere blies aber neuerdings in die gewohnte schmetternde Trompete. In Neigung hat, ihre Lage zu verändern, weil sie im entgegengesetten die Zeit der schlesischen Kriege führt das Drama, eine Verherrlichung Falle die Ausstoßung aus der Familie und ihrer ganzen Sippe des Preußengeistes und seines sieghaften Vorkämpfers, Friedrichs II, befürchten muß. Das Hindugeset kennt auch keine Ehescheidung für der aber nicht in Person auf die Bühne kommt. Ihm wird das die Frau. Der Mann dagegen kann seine Frau beliebig verlassen, stodig gewordene, vermorschende alte Deutschland   entgegengehalten, er fann sie wegschicken und sie vollkommen ohne Mittel lassen ganz besonders in der sardanapalisch- üppigen Hofhaltung zu Dresden  , und sich dann wieder verheirathen. Niemand hindert ihn mit ihrem spiẞbübischen Minister Brühl, der von Maria Theresia   daran. Kinderlosigkeit gilt in Indien   als Schande. Infolge bestochen wird, mit ihren verbuhlten Weibern und lüderlichen deffen geloben die Frauen dem Gotte Schiwa Haltet häufig Männern. Nur eine Gestalt hebt sich da energisch hervor, ihr erstgeborenes Mädchen, weil sie glauben, daß sie dann mit das ist die Gestalt der Habsburgerin Maria Josepha  , der Kindern gesegnet werden. Ein solches Mädchen darf nie heirathen, Gemahlin des Königs Friedrich August  . Freilich thut auch sondern muß schon in früher Jugend an der Säule des Gözen sie hernach weibchenhaft verliebt wie ein Backfischchen etwa mit dem Kandowa Nachts Betwachen halten, die hauptsächlich in dem Vor­großen Herzen und dem winzigen Hirn. Diese Dame ist um lesen aus unfittlichen Schriften bestehen. Sie ist infolge dessen der der poetischen Gerechtigkeit willen da; derlei Figuren sollen die Schande preisgegeben. Am schlimmsten aber ergeht es den Wittwen. Ojektivität des Dichters eriveisen; das macht sich immer hübsch. Durch das Gesetz eines Generalgouverneurs ist zwar bereits im Unter den Verkommenen muß es immer auch einen Gerechten geben, Jahre 1829 die Sitte aufgehoben worden, wonach die Wittwe den wie es im prassenden und prahlerischen Heeresgefolge des Lothringers Scheiterhaufen ihres Ehemannes besteigen sollte, um sich mit ihm

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