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Toledaner durch die Einführung des Ursprungszeugnisses sozusagen zug um Lebenszug fein und sorgsam herausholt, ist nichts erst auf die Beine geholfen hatten. Denn in Passau hätte man ohne Machtvolleres gelungen. Halbe wurde ja diesmal oft gerufen; aber Toledos Beispiel schwerlich daran gedacht, den Wolf auf die Klingen diese äußerlichen Ehren sollten einerseits für die Härte von neulich zu schlagen und ohne diese Ursprungsmarke wäre der Herkunftsort begütigen, andererseits gab es nach den Schlußakten wesentlichen Baffan wohl noch lange in fremden Ländern unbekannt ge- Widerspruch. blieben, und die Passauer Schwertindustrie hätte sicherlich niemals eine so rasche und allgemeine Verbreitung und Anerkennung gefunden. Das war es, was Toledo mit seinem Musterschutz" er reicht hatte.

Passau wurde in furzer Zeit eine weltberühmte Klingenschmiede­Stadt, und in Deutschland nahm sie als solche unbestritten die erste Stelle ein. Ihr gebührt überhaupt der Ruhm, die deutsche Klingen industrie begründet zu haben.

Zwar waren Solingen und Suhl schon längst fräftig in den Wettbewerb mit Passau eingetreten( Solingen angeblich schon im zwölften Jahrhundert), doch gelang es beiden Städten noch lange nicht, obgleich viele ihrer Klingenschmiede sich gleichfalls den Wolf als Rebenmarke aneigneten, der Passauer Industrie Abbruch zu thun. Erst im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert wurde Solingen Passau gefährlich.

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Der geheimnißvolle Zauber, der so lange die Wolfsflingen um gab, schwand erst mit dem Ende des dreißigjährigen Krieges. Und mum vollzog sich auch Passau's Geschick. Denn Passau war nicht mit der Zeit vorgeschritten. Es hätte seine Fabrikation wie Solingen und Suhl längst in andere Bahnen lenken müssen, lange bevor das Ende des mörderischen Krieges seine nicht mehr zeitgemäße und einseitige Schwertindustrie lahmlegte. Solingen und Suhl hatten ihre Zeit besser verstanden. Sie hatten rechtzeitig angefangen, auch andere Dinge schmieden zu lernen, als blos Schwertklingen. So überdauerten sie die nun folgenden trostlosen Jahre, in denen in dem verwüsteten und entvölferten Deutschland nur färglicher Ver­dienst zu finden war. Waldemar Horst.

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Kleines Feuilleton.

Halbe's Schauspiel weist in der That mehrfach leere Stellen auf; was man in der Maltechnik leere Stellen nennt. Szenen, die den Zuschauer nicht beschäftigen. Einzelne dichterische Finessen da­gegen famen dank der Darstellung plump heraus, wie überhaupt die Darstellung dem Bühnenwerk diesmal so wenig zu Hilfe tam. Die Hauptsache freilich wäre bei der besten Schauspielerei bestehen ges blieben: Die Einzelgestalten sind nicht mit der intimen, scharf individualisirenden Kunst der Naturalisten gesehen, es fehlt ihnen in dieser Hinsicht Besonderheit und Originalität, und als breit angelegtes soziales Drama wird man es andererseits wiederum nicht gelten lassen wollen. Die typischen Fälle, wie sie behandelt werden, er­scheinen kaum von reicherer Bedeutung.

In dem Schauspiel ist von den Heimathlosen Berlins die Rede. Das ist nicht im wörtlichen Sinn zu fassen. Nicht um die Massen der Bugewanderten, die in Berlin im Prozentsatz überwiegen, handelt es sich. Vielmehr ist an eine vergleichsweise immerhin enge Ge­meinde gedacht. Ihre Mitglieder kommen aus umfriedeter Heimath. Ihrem bourgeoisen Zwang sind sie entrommen; aber in der Groß­stadt sind sie zunächst vor das Nichts gestellt. Sie sollen sich Bahn schaffen. Dort, wo Einer den Anderen auffressen möchte, gehört verdoppelte Energie dazu. Die Einen versumpfen im Zigeuners dasein, die Anderen müssen den großen Sad mit fühnen Erwartungen, den sie mitbrachten, tüchtig leeren, und gar Manche sterben am Weg. Verloren, verdorben!

So bilßt Lotte Burtvig einen fleinen seligen Jugendtraum mit ihrem Leben. Sie war nicht start genug, um auszuharren, und zu heißblütig, um sich zu hüten. Jugend und Verlangen gingen mit ihr durch.

Aus Danzig war sie ihrer Mutter entflohen, einer Frau, die durch pedantische Selbstsucht ihren Gatten zur Verzweiflung ge trieben hat und mit ihrer Zuchtmoral mun auch jede Jugendlust Nach 23jährigem Stummfein die Sprache wieder der Tochter ersticken möchte. Als diese Frau ihr Lottcheir erlangt. Aus dem englischen Dorfe Elmstead bei Colchester in der am Ende mit einem Mann verbinden will, der der Tochter Grafschaft Effeg wird in Verbindung mit einem tragischen Ereigniß widerwärtig ist, brennt das Mädchen kurz entschlossen durch, folgender Vorfall berichtet: Die junge Ehefrau eines Versicherungs- schnurgrad nach Berlin zu einer Kousine, die einmal agenten hatte vor ungefähr drei Monaten ihrem ersten Rinde das Aehnliches gewagt hat. Diese ältere Koufine war aufrecht Leben gegeben und war seit der Zeit geistesgestört. Die Unglückliche genug, sich leidlich durchzuschlagen. Gleich der Partner, den Lottchen wurde von der fixen Idee verfolgt, daß es ihre Pflicht sei, sich selbst bei der Base antrifft, war es nicht. Es ist ein Lumpenproletarier, die zu tödten. Da sie aber körperlich zu leidend war, um ihr Bett oder Karikatur eines Menschen, ein verkommener Poet. Lottchens Schlafzimmer verlassen zu können, hielt man es nicht für nöthig, fie Kousine duldet ihn manchmal um sich, aus Mitleid mit beständig zu bewachen. So gelang es der Kranken denn vor einigen dem Manne, den fie einstmals geliebt hat. So sicht Tagen, ihre Lagerstätte in Brand zu stecken, und ehe man im Hause Lottchen in der Pension Beaulieu Mancherlei von den Heimath­etwas von dem schnell um sich greifenden Feuer wahruahm, hatte die be- lofen", das so ganz anders aussieht, als sie sich's vorgestellt daueriswerthe Fran bereits so schwere Verletzungen erlitten, daß sie haben mochte. Aber die kleine Person will sich nicht abschrecken nach einigen Stunden starb. Im Anschluß hieran wird nun ein lassen, und Sängerin werden. Sie hat ja eine nette" Stimme. Vorkommniß mitgetheilt, dem die Familie bisher in der Aufregung Selbst als die harte Mutter kommt, um das Kind zu holen, bleibt und Angst um die junge Frau nicht die Beachtung schenkte, die es Lotte bei ihrem Entschluß. Alles lieber ertragen, als unter mütter­wohl verdiente. Die in demselben Orte lebende Mutter der Ber - liche Grausamkeit zurückkehren! Freilich wird ihr Widerspruch schon storbenen hatte vor ungefähr 23 Jahren infolge einer schweren Krank - durch ein anderes Motiv erstärkt. heit total die Stimme verloren. Die seelische Erschütterung über den Die blonde Bestie" ist dem Kind über den Weg gelaufen. Es traurigen Zustand ihres Kindes und die Anstrengungen, die sie ist der ostelbische Eroberer, die mehr romantische als reale Gestalt, machte, um auf die zusehends in geistige Umnachting versinkende der wir ähnlich bei Sudermann öfter begegnen: bestrickend und Tochter beruhigend einzusprechen, müssen die Veranlassung gewesen gefährlich, wie ein schönes Raubthier. In Halbe's Drama ist sein, daß sie plöglich nach so langem Stummfein leise Worte zu es der Rittergutsbesiger Dröger.( Den Landjunkern wird es stammeln vermochte. Mit jedem Tage wurde ihre Stimme dent- nicht unlieb sein, wenn unsere Dichtung fie im romantischen licher, und heute merkt es ihr niemand an, daß sie jemals un- Reiz gefährlich- bestrickender Eroberer verklärt. Das bischen Hunds­fähig war, einen Laut hervorzubringen. Am meisten erstaunt fötterei, das nebenher auf die Gewissenhaftigkeit dieser Gewaltnaturen zeigte sich in der ersten Zeit die Kranke über diese Veränderung. in der Poesie fällt, giebt mir einen pikant- diabolischen Beigeschmack.) " Das ist gar nicht meine Mutter," meinte sie eines Tages Dem Gutsbesitzer ist Lottchen ein Spielzeug, ein Schäflein für den zu ihrem Manne, meine Mutter kann nicht sprechen". Die Frau Wolf etwa. Sie amusirt ihn von Weihnachten bis zur Fastnacht. felbst erzählt, daß sie ihre Stimme verschiedene Male im Leben ver- Dann ist's vorbei. Während eines Kostümfestes bricht die Katastrophe Loren und wiedergefunden habe. Das erste Mal war sie als herein. Lottchen sieht, wie ihr Geliebter ihrer überdrüssig 16jähriges Mädchen nach einer starken Erkältung zu einem drei Tage geworden, überdies fehrt er vom Berlinischen Winter­andauernden Schweigen verurtheilt gewesen. Dann hatte sie mit vergnügen aufs Land heim, und seine brutale Offenherzigkeit ver­23 Jahren nach einer langwierigen Strankheit infolge körperlicher heimlicht ja nur wenig. Lottchen ist von Todesbangen erfüllt und Neberanstrengung auf viele Wochen den Gebrauch der Sprache ein- als ihr im Mummenschanz ein schwarzer Ritter begegnet und sich ihr gebüßt. Zum dritten Male trat die merkwürdige Erscheinung auf, zum Scherz als milder Tröster Tod vorstellt, verwischen sich Scherz als sie einige Jahre verheirathet war und der Geburt ihrer jetzt und Ernst in ihrem verwirrten Sinn, und sie bricht zusammen, als ums Leben gekommenen Tochter entgegensah. Sobald die Kleine das hätte sie der Tod wirklich schon umarmt. Licht der Welt erblickt hatte, konnte die Mutter wieder sprechen. Diese poetische Finesse eben brachte es als Bühnenbild so gar Denselben Zustand machte sie noch einmal durch, als ihr drittes nicht zur vorbedachten Stimmung und damit fiel auch der Schlußatt, Kind geboren wurde. Die Stimme kehrte zwar auch diesmal zurück, wo Lottchen verzweifelt im Selbstmord endet. Zum großen Theil aber nur für kurze Zeit; sie wurde nach und nach immer schivächer lag das daran, daß den Hauptdarstellern, Herrn Jarno und versagte im Jahre 1876 ganz, um sich jetzt wieder vollkommen und Fräulein Jäger, ihre Rollen nicht lagen", einzustellen. wie man im Theaterjargon sagt. Herr Jarno mit seiner Wienerischen Klangfarbe traf schon die Sprache nicht. Er war trog allem ein schmiegsamer Schmeichler, kein sprungbereites Raubthier. Fr. Jäger indessen hätte ganz gewiß naive, tiefe Schmerzenstöne finden müssen, wenn sie das hätte vergessen machen wollen, daß sie Jahre hindurch die Theater- Badfische mit ihrer widerwärtig falschen Naivetät in Blumenthal's Machwerken gespielt hat. Derlei färbt den Ton und vor allem: das Publikum glaubt schwerer: Hier sind naive Gemüthstöne zu erwarten. ―ff.

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Theater.

Jm Lessing Theater wurde am Dienstag Mag Salbe's Schauspiel" Die Heimathlosen" zum ersten Male aufgeführt. Die Schlappe, die Halbe mit seinem Renaissance Drama erlitt, wollte er rasch durch eine neue Bühnenarbeit wett machen. Aber dies schleunige und energische Gebahren war kein Gewinn für das Drama von den Heimathlosen". Es scheint unseren Modernen ver­fagt zu sein, aus dem Großen zu bilden, mit heißem Athem zu schaffen. Bisher wenigstens sind die Versuche mißglückt. Im Theater des Westens gab's vorgestern eine der Außerhalb dem bedächtigen naturalistischen Genre, das Lebens- Wiederholungen von Koschat's" Am Wörthersee ". Wurde viel

Mafik.