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Zwei Freundinnen schritten ihr zur Seite. Ihre fleinen Gesichter wie altväterlich rührende Naivetät; mitunter wird man aus der glühten vor Eifer und Wichtigkeit. Und wenn sie auch in ihren Stimmung gerissen, wenn die Menschen auf der Bühne insgesammt Alltagstleidern gehen mußten, in furzen Röckchen, dünnem Jackett und in Spielhagen's eigenem Geist und nicht nach ihrem besonderen blauer, nicht ganz frischer Schürze, so hatten sie doch in ihre Böpfchen Wesen sprechen. Der Eine wird geistreicher, der Andere empfindlicher, ein frisches, buntes Band geflochten. Mit der einen Hand hatten sie als er nach der Situation sein könnte. ihre ältere Freundin untergefaßt, die andere hatte sie in den Schlitz  ihrer Jadetts geschoben.

So gingen die Drei schweigend gegen den Wind. Der wirbelte Papierfezen und Staub auf und trieb das Alles den Bürgersteig entlang. " Hu, ist der Wind falt!" sagte das eine Mädchen und beugte den Kopf weit vor, damit ihm der Schmuß nicht ins Gesicht fliege. Ach, das finde ich garnicht!" antwortete die Eingesegnete, die den Kopf lächelnd aufrecht trug und nur die Augen schloß, wenn ein jäher Windstoß ihnen ganze Wolken Staub ins Gesicht warf. Na weißt Du! Du in Deinem dünnen Umhang, friert Dich denn gar nicht!" machte die Erste erstaunt. Na Die Sonne scheint ja so schön. Ach, Kinder! Ich freue mich ja so auf meine Tante Wie sie neulich bei uns war, erzählten wir natürlich auch, daß ich eingesegnet werde. Da hat sie mich sofort eingeladen Ihr müßt nämlich wissen, Tante ladet sonst keinen Menschen ein. Nicht mal meine Mutter, die doch ihre Schwester ist, hat sie eingeladen. Schon seit sechs Jahren waren wir nicht bei ihr. Gott  , ich weiß noch, ich war damals solch kleiner drolliger Baby..." Sic sie ihren Oberkörper vorbeugen piffein. Mit Summitpassen und einem Gürtel aus Perlen, und einen Seideneinsatz hatte es vorn, und unten herum war der Rock mit lauter ausgeschlagenen Blumen bedeckt. Ach, es war entzückend Und das zog mir meine Tante an. Sie wollte blos mal sehen, wie es fizt. Als ich es aber wieder ausziehen sollte, fing ich natürlich an zu heulen. Ha, wie komisch ist man doch, wenn man noch so flein ist. Nicht wahr?" fragte sie tichernd. en Die Andern, die einen ganz rothen Kopf bei der Schilderung des Kleides bekommen hatten, nickten nur.

mußte... Und da hat machte, te ein Kinderkleid zu liegen. Fein,

meine

Ja, und nun," fuhr die Eingesegnete fort, nun fagte sie, ich sollte mich vorstellen in meinem Einſegnungskleid. Ich solle aber auch bestimmt kommen. Nun bin ich ja neugierig, was sie zu meinem Kleid sagen wird. Sie ist nämlich eine Schneiderin! Die kann feine Kleider machen! Geschenft will ich ja garnichts von ihr haben. Sie ist nämlich furchtbar fuickerig. Na, ich sagte ja schon, seit sechs Jahren hat sie uns nicht mehr eingeladen. Aber schneidern faun fie! Mutter wollte zwar nicht, daß ich hingehe. Und ich will ja auch gar nichts von ihr. Aber sie hat doch gesagt, ich sollte heute kommen. Da, da!" rief fie, fie sigt aur Fenster, sie ist zu Hause!" Sie lief schnell den Anderen voran über den Platz. In wenigen Sätzen war sie die Treppe hinauf und Klingelte.

Es wurde nicht aufgemacht.

Sie flingelte zum zweiten Male.

Doch auch jetzt wurde nicht aufgemacht. Sie hörte aber imten ein Teises Schlürfen, wie wenn jemand auf Pantoffeln ging. Unten, im Flun unterhielten sich ihre Freundinnen. Da flüsterte sie bittend durchs Schlüsselloch:" Tantchen! Liebes Tantchen! Mach' doch auf... Ich will ja garnichts haben. Du sollst ja nur sagen, ob ich gut aussehe

Aber es wurde nicht geöffnet.

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Ach, weißt Du! Wie Du aussiehst? sagten ihre Freundinnen, als sie herunterfam. Ganz verstört sichst Du aus." " Ja, es ist doch wirklich falt im Winde," antwortete fie fröstelnd und zog die dinne Pelerine zusammen.

Ein vielverwendeter novellistischer Stoff liegt dem Schauspiel zu Grunde. Ein Todtgefagter kehrt zurück und in dem Besiz, den er verlassen, findet er einen Anderen. So ging's dem jungen Frei­herrn v. Ellbeck, der in dem napoleonischen Kriege gefallen sein sollte; man sah ihn fallen, er war verschollen vier Jahre lang; und dennoch war's eine Täuschung. Der junge Baron lebt, und seine Charlotte ist inzwischen in Liebe die Braut eines Jugendfreundes von Fritz Ellbeck geworden. Der Verbitterte kann den ,, Verrath" nicht fassen; er wird hart und starr wider den Jugendfreund, einem bürgerlichen Pfarramtsverweier, der doch nur ehrlich Liebe für Liebe gewann. Das ist der Konflikt, der sich auf dem Zeitgrund von 1813 aufbaut. Ganz trefflich ergänzten sich die beiden Schauspieler Matkowsky  und Christians; der Eine, Matkowsky, düsteren Temperaments, der Andere mild sinnenden Geistes. Künstlerisch tiefer standen dies­mal die Damen Lindner( Charlotte) und Mayburg( deren leidenschaftlichere Schwester, die den Troy Ellbecks besiegt). Freilich sind so sehr idealisirte Gestalten für die Darsteller minder dankbar.- -ff.

Musik.

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Unfere alte Oper fann sich im Laufe der Zeit doch nicht gänzs lich damit begnügen, auf ihren will sagen: auf den Lorbeeren des Theaters des Westens auszuruhen. Ab und zu muß diese Nuhe anstandshalber durch eine kleine Regung unterbrochen werden. Dann verspricht man mit gewichtiger Wiene eine Erstaufführung wie d'Albert's Abreise", eine Neueinstudirung wie Weber's Euryanthe  ", oder dgl. m. Dann ist es wieder still. Und endlich erscheint von den versprochenen Stücken eines auf dem Wochenzettel. Nun läuft man, mi fauft man, nun ist man froh, einige Tage vorher ein häuflein Geld einen halbwegs brauchbaren Platz zu bekommen. Dann wird abgesagt, verschoben. Nun läuft man, verlangt, erhält zurück. Und dann ist's still nur die Weiße Dame" oder sonst was geht um, und nur Berichte über zahllose Einführungen neuer Werke an Bühnen draußen in Provinzen und Staaten unterbrechen die Stille

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Und nun endlich die thatsächliche Première eines Stückes, in welchem ganze drei Personen spielen vermuthlich zu viele, als daß sich die Oper eine Doppelbefeßung leisten könnte. So war für vorgestern Die Abreise" angekündigt, sammit zwei anderen Einattern. Erst hieß es: Neihenfolge a b c. Dann hieß es dringend und stand schwarz auf weiß: Reihenfolge b a c. Und schließlich kam doch wieder die Reihenfolge a b c. Das war nicht übel: so stand ein eigenartig modernes Werk zwischen zwei Vertretern älterer Gattung, ein schlichtes, effektloses Kunstwert zwischen zwei grellen Schlagern. Der Abstand wurde dadurch scharf beleuchtet, und das schlichte Wert hatte sich in der ungünstigsten Stellung zu bewähren. Es hat sich denn auch mit all seinen verborgenen Kräften energisch bewährt; daß der Komponist fünfmal danken konnte, ist wohl nicht einmal der Hauptbeweis dafür.

Wir stehen vor einem musikalischen Lustspiel" ein Titel, der unferes Erinnerns mindestens noch nicht verbraucht ist. Das wäre also ein besonderer Punkt in der Entwickelung der komischen Oper weiteren Sinnes. Man darf fast schon von einem musikalischen Stonversationsstück" sprechen: die Zeitbestimmung Ende des 18. Jahr­hunderts" fönnte beinahe zu Gunsten der Gegenwart fehlen. Die Dichtung stammt von dem als fruchtbarer Schriftsteller- bekannten Franeuftimmrecht in Tessin  . Der Frff. 8tg." wird aus August von Steigentesch( 1774-1826) und ist eingerichtet" Bern   geschrieben: In einigen Gemeinden des Kantons Tessin   besteht von dem jetzt in der Opern- und Operntextwelt vielgenannten ein Frauenstimmrecht. Die eigenartigen Verhältnisse des Kantous Friedrich Graf Spord. Sie besteht aus furzen Tessin   mit der allgemeinen Auswanderung der männlichen Beiwohner Versen mit fast lauter männlichen Reimen, was allein schaft in den Sommermonaten bedingen eine Uebertragung öffent- fchon einen wunderlichen Eindruck ergiebt; ihr Juhalt ist, kurz, licher Rechte auf die Frauen, da sonst im Sommer in vielen Ge- die Unschlüssigkeit eines Ehemanns, der erst bereit ist, abzu­meinden gar keine Beschlüsse gefaßt werden könnten. Die Gemeinde reisen und einem allzu diensteifrigen Freund das Terrain zu über­Melano im Luganesischen hat die Nothwendigkeit des Frauen lassen, und der endlich nach ungewissem hin und her doch bei seinem stimmrechts erkannt. Diese Gemeinde hat einen förmlichen Beschluß Weibchen bleibt. Was diesen Rahmen füllt, ist ein so zartes Ge gefaßt, in Ermangelung volljähriger Bürger männlichen Geschlechts webe dünnster Fäden, daß man auch nach mehr als einmal Sürfe fede zur Bürgergemeinde gehörende Familie in Bürger- Resen des Stüdes nicht ganz sicher ist, jeden einzelnen Faden zu er­angelegenheiten sich durch volljährige Frauenspersonen vertreten lassen. Die Frauen befizen hierbei das volle Stimmrecht. Die liberalen tessinischen Blätter find für die gesetzliche Sanftionirung des Stimmrechts, während die ultramontane Bresse sich ablehneud verhält.­

Theater.

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3u Ehren Spielhagen's wurde am Freitag im Schauspielhaus das Drama Liebe für Liebe" auf geführt. Das Schauspiel Spielhagen's ist für unser Geschlecht fast eine Novität. Es wird bald ein Bierteljahrhundert vergangen sein, seit das Stück nicht mehr in Berlin   gegeben wurde. Der Dichter wurde am Freitag vielfach gerufen. Das war eine Anerkennung für sein Gesammtschaffen.

An sich betrachtet, erinnert das Drama an verklungene Tage. Eine andere Welt, als die unsere, steigt darin auf; aber sie hat ihre feinbewegten poetischen Reize. Empfindungen und Sprache der Menschen sind hochgespannt; zumal die Frauengestalten sind in licht­berklärten Farben gehalten. Mitunter betrifft's den Hörer von heute,

feinen.

Und diese so gar nicht im Alltag unserer Opernterie liegende Dichtung, in der es auch gar nichts Spektakulöses weder fürs Ohr noch fürs Auge giebt, fonnte wohl nur ein Tontünstler zu komponiren unternehmen, dem es mit seiner Kunst allerreinster Ernst ist. Als folchen tennt man Eugen d'Albert   schon seit langem, wenngleich feine Kompositionen gerade in Berlin   hinter spektakulöseren zurückgesezt zu werden pflegen und seine Abreise" erst an anderen Orten ihre Erfolge holte, ehe sie hierher kam. Die Musik begleitet den Zert ohne dialogische Unterbrechung und ohne Bertheilung in Nummern. Sie schwebt in einer liebenswürdig heiteren Einfachheit dahin, großen­theils walzerartig( zumal wo es den geschäftigen Dritten gilt), und hebt den an sich etwas herb anzuhörenden Text in die Sphäre einer frohen weichen Stimmung hinauf. Lange Zeit hindurch läßt sie uns in dieser Sphäre und in dem Anschein einer etwas gar simplen Mache. Um so plausibler wird uns dann ihre Steigerung gegen Ende. Die Stellen, da Luise ihren Gemahl charakterisirt: Sch tenne einen Mann, der will und weiß nicht, was?" u. s. w., da dann Beide sich zu einem Duett vereinigen( dem einzigen mehr­