Die Freuden eines socialdcmokratischenNedaeteurs.Als am 1. Januar 1396 unser Kollege Jac ob e y daS schwierigeAmt eines Verantwortlichen an nnscrm Blatte Übernahm, hattenwir eine politisch bewegte Zeit hinter nnS. Die gleaktionhatte sich kurz vorher im' E e p t e m b er- Ku rS an uns aut»getobt; B r a u s e w c t t e r, der bald völlig im Wahnstnl« zuGrunde gegangene Mnsterrichter jener Periode, war stolz darauf.drei sociaidemokratische Rcdacteure auf einmal hinter Schlohund Riegel gebracht zu haben, und so mochte denn im Kampfegegen die Rotte, vie nicht wert ist, den Namen Deutscherzu tragen, eine kurze Erschlaffung eingetreten sein. Zwar war EndeNovember 1895 der bekannte Kollercoup unternommen wordenaber diese so kläglich mißgliickle Aktion richtete sich weniger gegendas sociaidemokratische Organ als gegen die socialdemokratiicheOrganisation in Berlin.Jacobey tibeniahm sein Amt mit dem allgemein gebilligten undkonsequent durchgeführten Vorsatz, eS bei strengster Wahrung desPrincipS so zu führen, datz die bestehenden Gesetze keinerleiHandhabe gegen uns bieten konnten. DaS war bei der bekanntenAnwendung der Gesetze gerade gegen sociaidemokratische Blätter un-endlich schwierig. Dah Jacobey dennoch seine Aufgabe mitgrogcm Geschick gelost hat, beweist der Umstand, daß er, von geringenUnterbrechungen abgesehen, sein Amt fast di«r Jahre hindurchausüben konnte.Trotz alledem kam auch bei unserm verstorbenen Kollegen eineLeporello- Liste von Strafprozessen zu stände. Wir wollen darauseiniges zur Charakteristik der heutigen Zustände anführen; alles zubringen, würde in seiner Länge ermüdend wirken.Gleich einer der ersten Prozesse kennzeichnete mit beißenderSchärfe die Art, wie man in Preußen von Ämtswegen die socialdemokratische Presse verfolgt. Verschiedene Blatter uitddarunter auch oer„VonvLrts* hatten aus der„Allg. FIcischer-Ztg."einen Artikel abgedruckt, der sich auf Fleischliesernngen für dieKaserne des Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiments bezog. Nach-dem längere Zeit bcrstofscn war, fühlte sich sowohl das Regiments�konunando als auch ein Major b. Waldow, dessen Bruder als derLieferant von angeblich über dem Marktpreis angekauftem und un«untersuchtem Fleisch bezeichnet war, durch die erwähnte Lokalnotizbeleidigt.Nun wurde aber, und das ist das bezeichnende an dem Vorgehen, die eigentliche Urheberin der unrichtigenNachricht, die„Allgemeine Flcischer-Zeitung' vom Staatsanwaltvöllig ungeschoren gelassen und unter den vielenBlättern, die die Mitteilung nach dieser Quelle gebrachthatte», einzig der„Vorwärts" auf die Anklage-dank gebracht. Ter Staatsamvalt beantragte gegen Jacobey dieKleinigkeit von drei Monaten Gefängnis, das Gericht erkannte au100 M. Geldstrafe.Bei Betrachtung dieses bis dahin neuen Falles von Anwendungder Justiz schrieben wir damals am 13. August 1396:„Wir gönnen unseren bürgerlichen Kollegen ebensowenig einegerichtliche Verurteilung wie uns selber und sind auf sie keinesfalls böse darüber, daß sie wegen der Fleischlieferungsgeschichteunbehelligt geblieben sind. Unsere verdammte Pflicht undSchuldigkeit ist es»ur. das Volk zum Nachdenken über eineGcrcchtigkeitspflege zu bringen, durch die ernzig ein socialdcmokratischcs Blatt zur Strecke gebracht wird, während ringsherumfelcnSvergnügt Dutzende anderer„Beleidiger" einschließlich desNunmehr, da unser pflichttreuer Freund so jäh aus dem LebenMuß die Redaktion sich die Genugthuung versagen,vollstreckt zu sehen. Jngleichen kommen Graf K l i II ck o>v-des H e rrenh aus« s umgegen Jacobey etligelcttetrn„Urbcleidigcrs" stehen, denen vielleicht in Reverenz vor dein berühmten Rechtslchrer Terenz auch nicht daS geringste dafürgeschieht, daß sie ganz das gleiche begangen haben, wiederzur Strecke gebrachte focialdemolratische Redacteur. Wirsind nicht so harmlos, als daß wir die Pflicht, auf solche Zuständehinzuweisen, nicht mit einigem Behagen erfüllten."Weiter wurde Jacobey am L5. April 1396 wegen Militärb e l e i d i g u n g zu 160 M. Geldstrafe verurteilt; am 20. Julidesselben Jahres wurde in einem von der„Deutschen Watte"angestrengten PrivatbelcidiguiigSprozeß auf 30 M. Geldstrafe erkannt.Dies Blatt hatte den schweren Vorivurs des lltterartschenDiebstahls ruhig eingesteckt, war aber wegen einer lange nichtso schwer wiegenden Beleidigung zum Kadi gelanfeii.Am 26. September hatte sich Jacobey zu verantworten, weil erbei Gelegenheit des Vcreinsprozcsscs gegen die Berliner Social-dcmokratie dem Kriminalkommissar Schöne den Vorwurfder fahrlässigen EidcSIoistung gcniacht haben sollte. Ausformalen Gründen erfolgte Freisprechung.Am 21. November erhielt Jacobey wegen Beleidigung derBreSlaner Staatsanwaltschaft sechs Wochen Gefäiigiiiszudiktiert, eine Strafe, die später in vier Wochen Haft umgewandeltwurde. Es handelte sich um eine Beschwerde üder die KonfiSkätlonder M ä r z z e i t ii n g".Das Jahr 1807 war verhältnismäßig gelinde. Außer einigennebensächlichen Gcrichtssacheu hatte unser Verantwortlicher am6. Dezember einen Militärbeleidigungs-Prozeß übersi-bergehen zu lassen, in welchem er zu 100 Mark Geldstrafe verurteiltwurde. Der Staatsanwalt hatte auch hier eine Gefängnisstrafe vondrei Monaten bcantraat. Vorher war Jacobey am 31. Märzwegen vorzeitiger Veröffentlichung eines aus der„Köln. VolkSztg."abgedruckten Gerichtsbeschlusses zu 50 M. Geldstrafe ver»urteilt worden.Das Jahr 1898 brachte am 10. August 100 M. Geldstrafewegen Beleidigung des Bundes der L a n d w i r t e, am 17. November150 M. Geldstrafe wegen Beleidigung des Leutnants v. B. in Dessau,der vor einem berüchtigten Hause bei einer Prügelei Übel weg»gekommen ivar. Weiter wurde Jacobey am 18. November in derThomaSmehlsache wegen Beleidigung verschiedener Führerdes Bundes der Landwirte zu 150 M. verurteilt.Das laufende Jahr 1800 setzte mit einet Anklage wegen B c»leidig u n g Magdeburger Behörden und Gerichteein. Im Hinblick auf die Verfolgungen, denen die Socialdemokraticbesonders in Magdeburg ausgesetzt ist und weiter im Hinblick aufdie häufigen Korrekturen, die sich die Urteile niederer Instanz vonden böhcren Gerichten gefallen lassen mußten, hatte der„Vorivärts"eine kurze Bemerkung gebracht, die seinem verantwortlichen Redacteuranl 31. März 300 M. Gelditrafe cinlrug. Weiter wurde Jacobeywegen Beleidigung eines Nachtwächters in Weißens« am 4. Aprilzu 50 M. Geldstrafe verurteilt.In einem am 31. Mai verhandelten Prozeß wegen Beleidigung de«N i ch t e r k o l l e g i u m« der ztvriten Strafkammer ani Landgericht II, der mit Freisprechung endete, waren vom Staatsanwaltvier Monate Gefängnis beantragt worden, und zwar unter der Be-gründiing. daß eß endlich Zeit fei, den vielfach vor-bestraften Angeklagten mit einer Freiheitsstrafezu belegen. Schon bei einem früheren Prozeß hatte der-selbe Staatsanwalt, Herr Plaschke, hervorgehoben, daß erbei Anklagen gegen den„Vorwärts" in der Regel Frei»heits st rasen beantragen werde. Der Wunsch des Staats-anwalt? sollte bald in Erfüllung gehen, und zwar durchdas bekaunle juristische Kunststück des fltegenden Gerichts-st a n d e S. Zivar erkannte die zuständige Strafkammer in Berlinin dem aufseheucrregcnden Prozeß wegen Beleidigung dessächsischen OberlandeSgericht» am 17. Jmn aufFreisprechung, indem eS konstatierte, daß die ans Anlaß de»Löbtau er Zuchthaus urteile von uns aufgestellte Be-Häuptling, der höchste sächsische Gerichtshof erkläre die Angehörigender Arbeiterpartei als mindere n Rechts, durch die erbrachtenBeweise für zutreffend erachtet werden müsse, doch wurdeunser Kollege Jacobey am 29. Juni mit Hilfe deS fliegendenGcriihtsstaiides vor das Schösse naericht zu Dresden ge-bracht, weil er das amtliche„Dresdener Journal" beleidigthaben sollte. Und in diesem die sächsischen Zustünde grellbeleuchtenden Prozeß, über den selbstverständlich im Reichstage alsdem ziistüiidigcii Forum noch nicht das letzte Wort gesprochen wordenist, wurde Jacobey endlich zu zwei Monaten Gefängnisverurteilt.die anderen Beleidigtenden„Spaß" des vor einigen TagenBeleidigungsprozesseS.Die aufgestellte Liste qiebt ein Bild von dem Dorucupfade, aufdem sociaidemokratische Rcdacteure wandeln. Ob nicht doch deneinen oder anderen staatserhaltenden Grohlhuber so etwas wirScham anwandelt, wenn er in einer Zeit, wo nian durch Feigheit»nb Charakterlosigkeit am ehesten zu äußeren Ehren komnit, sichda? Beispiel der selbstlose» Hingabe unseres toten Freundes vorAugen halt?_Bedeutung kommt dem Gesetz» hauptsächlich w den Städten zu, dieLandfraucn halten sich bisher der Emaitzipationsbestrebuiig fern.Das Gesetz schreibt bor, Ehemann und Ehefrau bjjrfen nicht' gleich-zeitig in einer Schulkommission sitzen.—Jtt Rennes.fort.densetztVavkrtDer Jahresbericht derPartei für das Jahr 1898 istschwedischen soctaldcmokratischenerst jetzt erschienen. Er gicbt interesiante Zahlen Über die Entwicklung der Partei. Sie zählte Mit'glieder 1894: 7625; 1896: 15 464; 1897: 27136 und 1898: 39 476.Vereine bestanden in Stockholm 39, in Göteborg 30, in Malmö 28im Nord- und Mitteldistrikt waren Vereine in 27 Orten, im Süddistrikt 23. im Westdistrikt 3.Eine Landeskonferenz der steirischen Genossen wurde Mittediese» Monats in Graz abgebalten. Aus dem Geschäftsbericht gehthervor, daß in 66 Orten Organisationen bestehen, in weiteren67 Orten find Vertrauensmänner. Bestraft wurden im vergangenenJahre 65 Genossen mit zusammen 671 Tagen und 112,70 Fl. DieParteistener soll obligatorisch eingeführt werden. Die beiden ParteiOrgane„Arbeiterwille" und„Neue Botschaft" warfen zusammeneinen Ueberschuß von 685 Fl. ab. Zur Maifeier wurde beschlossen,daß die Landeskonferenz an der Maifeier durch völlige BrbeitSruhefesthält und alle organisierten Arbeiter auffordert, ohne Rücksicht auEinschüchterungen in allen Industrie- Orten für die völlige Arbeitsruhe am 1. Mai einzutreten.In die Landesvertrctung wurden die Genossen Dr. Schacherl,Pongratz, Muchltsch, Drößler,' Müller, Mßmann gewählt.Polizeiliche«. Gerichkliches usiv.—- Haussuchung. In dem Bureau und der VrivatwohnungdeS Geschäftsführers des Metallarbeiter- Verbandes in Magdeburgwurde Freitagvormittag gehauSsucht. Die Polizeibehörde suchtenach Material, um Anklage wegen unerlaubter Kollekte erheben zukönnen. Die Metallarbeiter-Berbandsmitglieder zahle» Beiträge fürdie Dänen und sind hierzu von voß. dem Geschäftsführer, auf-gefordert worden. Zu finden war nichts.Bei der Lassallefeier in München mußten in beiden Ver-sammlungslokalen die Frauen und Mädchen auf polizeiliche Anord-nung den Saal verlassen.Ucber 70 Wiener Parteigenossen wurden nach einerZusannneiistellnng der„W. A. Z." seit Juni 3 Jahre 8 Monate �ind4 Tage Freiheitsstrafen und 35 Gulden Geldstrafen verhängt.ganze Anzahl Prozesse schwebe» noch.dem4.EineAus deu �ruuvubeturguug.Wir werden um Aufnahm« des nachstehenden Aufruf» ersuchtDer Parteitag und die Frauen.Am Dienstag finden sechs Volksversammlungen statt, in denendie Delegierten zum Parteitag gewählt werden sollen. Keine ParteiDeutschland» hat die Frauen al» Gleichberechtigte anerkannt, außerder Socialdemokratie, keine hat ihnen da» Recht verliehen, in allenFragen de» öffentlichen Lebens mitzusprechen und mitzustimmen.außer ihr. An den Frauen ist es, von diesem Rechte Gebrauch zumachen. ES giebt leider noch viele, die gleichgültig über dasProgramm der Parteitage hinweglesen und, wenn das WortFrau" nicht dann vorkommt, meinen: Das geht mich nichtsan. So erklärlich es nun auch ist. daß das seit Jahrhunderten ineistiger und materieller Unterdrückung und Abhängigkeit erhalteneLeib sich zunächst nur, soweit es ihr eigenes Geschlecht betrifft, zumSolidaritätsgcfühl erheben kann, so energisch muß doch dieser Stand-Punkt bekämpft und so entschlossen muß er aufgegeben werden. DieBefreiung des Geschlechts ist zwar eines der Ziele, um deren Er-reichung wir kämpfen sollen, aber es ist nicht das Ziel. Diegemeinsanie Arbeit der Frauen ist zwar eines der Mittel, durch daswir zu ihm aclongen, aber es fit nicht d a S Mittel. Di«kapitalistische Gesellschaftsordnung hat Männer und Frauen zusammen'geschweißt; die Unterdrückten auf der einen, die Unterdrückerauf? der anderen Seite. An Stelle der Jntercsscnsolidarität detGeschlechts tritt die der Klasse. Darum haben die Frauen de?"roletariats ebenso wie die Männer keine Gemeinschaft Mit derourgcoisie. Wohl gicbt es bürgerliche Reformer, die kürzere Ar-bcitSzeit, höhere Löhne, erweiterten gesetzlichen Schutz für die Ar-bciter anstreben, ivic wir; aber während sie in der Erfüllung dieserWunsche die Befreiung der Arbeiterklasse selbst sehen, gelten sie unsnur so viel, alS sie uns kräftiger, kampffähiger machen, und unsdie Mittel zu geistiger und körperlicher Ausbildung gewähren,damit wir unicrcm Ziele rascher, energischer entgegen arbeiten löimcn.Der Staat hat den deutschen Frauen die Bürgerrechte, jenewichtigsten Waffen im Kampfe um die Befreiung, vorenthalten,die Socialdemokratic fordert sie und giebt sie ihnen in den eigenenReihen, weil sie erkannt hat. daß die Frau, dir ebenso wie derMann schwer arbeitet im Dienftc deS Kapitalismus, sie dadurch er-warben und verdient hat. Seitdem sie den Platz am heimischenHerd mit dem Platz an der Maschine vertauschte, sind die InteressendeS Arbeiters Ihre Interessen geworden und eS giebt keine Frage,die ihn bewegt und sie«nichts angeht".Gerade an diesem Parteitag sollten die Frauen den lebhaftestenAnteil nehmen und bei Ver Entscheidung der aufgcivorfencnFragen ihre Stimme in die Wagschale legen. Die Fragedes' Militarismus ist für sie von höchster Bedeutung; siewissen besser, wie die Herren am grünen Tisch, welcheKiilturaufgaben leider, wie z. B. die Erziehung und Bildung ihrerKinder, vernachlSssigt werden, weil nur für Schiffe und Kanonen Geldda ist. Und die ZuchthauSvorlage bedroht sie ebenso wie den Mann,fe will ihnen das letzte Restlhcn BewegungSfteiheit nehmen, das siebesitzen. Aber auch die Fragen der inneren Partei-Entwicklungdürfen sie nicht gleichgültig lassen. Wer von den Frauen in derAgitation steht, hat mit zu entscheiden, wie sie geführt werden soll;w'er an dem Kampf der Arbriterllaffe von nun an teilnehme» will,hat die Waffen mit zn wählen.Darum. Ihr Frauen und Mädchen, strömt in Scharen zu denVersammlungen der Partei, beweist Euch als Gleichberechtigte nichtnur, sondern auch als Entschlossene und Mutige, die, in Reih undGlied mit dem männlichen Genossen, seine Kämpfe als die ihrenmitkämpfen, um«inst seine Siege als die ihren zu feiern I_ Lily Braun.Krauen als Mitglieder der Schulkommissionen. Diebernische Regierung hat dem Kantonsrat einen Gesetzentwurf unter«breitet, welcticr bestimmt, die Franc» seien unter den nämlichen Be«dingimgen wie die Männer zu Mitgliedern der Schulkommissionender Primär- und der Mittelstuf« tvählbar. Erziehungsdirektor Gobatbemerkt in dem an den KantonSrat gerichteten Berichte wörtlich:Für die Einführung der Frau in die Schulkommissionen sprichtilleS. Die Frau, als geborene Erzieherin, gehört in die Schul«und in die Schulleitung; das ist ein uiibeftreitbarer Satz. Wir ent-halten uns daher, alle Gründe, die dafür sprechen, hier anzu«ühren. Daß die Frau gegenwärtig bei uns von den Schul-ommissionen ausgeschlossen ist, läßt sich bloß dadurch erklären, daßder Mann, der das Privileg der Gesetzgebung in Anspruch ge-nommen. nur an sich gedacht und die bessere Halste der Menschheiteinfach ignoriert hat." Der Direktor des Erziehunaswefens hatschon früher versucht, die Wählbarkeit der Krauen in die Schul-kommisstönen gesetzlich zu ermöglichen, allein die bernisch« Regierunglehnt« die Neuerung—«s war im Jahr« 18M— ab. PraktischeDie Sonitabend-Tinung wird um S'/a Uhr eröffnet.Major Hartmannsetzt seine Aussagen zum dritten Punkt des Borbereauswelcher sich auf die eingeführten Abänderungen inFormationen der Artillerie bezieht. HartmannnuScillmider, welche verschiedene Bedeutung das Wort Formationfür einen Artilleristen haben kann und sagt, wenn es sich um dieFormationen für den Kriegsfall handelte, so konnten nur dieffiztere deS ersten Bureau« und die der dritten Direktion vorJuki 1894 Auskünfte über dieselben erteilen, nach demei die Organisation den Bureaus deS GeneralstabeS, vielenOffizieren und selbst subalternen Beamten bekannt geivesen undjeder Frontoffizier hätte sie erfahren können, wenn er wollte. Wennes sich dagegen um die Manöverformationen handelte, so könne keinGenoralstabsoffizier in Frage kommen, sondern höchstens die Offiziere,welche bezüglich der Versuche mit neuen Formationen der Artillerieauf dem laufenden waren, einschließlich der Offiziere des 3. Armee-korpS, welche den Manövern von EhfclonS beiwohnten.Hartman» geht dann zu dem Punkte des Bordereaus über,welcher über die Gchiehvorschriften handelt und sagt, derverfaffer des Bordekeaus hätte sich dieselben nur mit Schwierigkeitverschaffen und dieselben auch nur wenige Tage behalten können.Major Hartmann legt dar, baß die höheren Offiziere des 3. Armee-korps die Sckiießvorschriften besitzen konnten, da sie den Schieß-Übungen im Jahre 1894 beigewohnt hatten. Dieselben hätten alsodie Üebersendung derselben in den im Bordereau vorkommende»Ausdrücken ankündigen können, aus denen man überhaupt schließenkönne, daß die Lieferung nicht von einem Artilleristenerfolgt sei. Hartmann sagt weiter, der Shrapnel 0- 1891 weistnicht' die geringste ernstliche Aehulichkeit mit dem Robin-Ge-schösse auf.'General Deloye erhebt Widerspruch dagegen, daß von demShrapNel in öffentlicher Sitzung gesprochen werde.Nach einem Meinungsaustausch mit einem Mitglied des Kriegs-gerichts erklärt Hartman» ans«ine Frage Laboris, es wäre fürEfterhazy leicht gewesen, sich im Lager von CHKlons Informationenzu verschaffen, um die Note über Madagascar und diejenige über dieBedeckungstruppen zu verfassen. Auf eine weitere Frage Laboris er-widert Hartmann, ein Artillerie- Ofsizier würde bei dem Geschütz,120 kurz" nicht von einer hydraulischen Bremse ge-sprochen haben. Hartmann setzt dann auseinander, daß man inDeutschland nur ganz allgemein über die Bremse unterrichtetsein dürste und fügt hinzu, man könne nur, wenn man daSGeschütz abschießen sehe, derartige loertvolle Kenntnisse von demselbengewinnen, daß es für eine auswärtige Macht wünschenswert sei, siesich zu verschaffen.General Deloye, der umS Wort bittet, bemerkt, ein Offizierhätte sich die betreffenden Informationen in Gesprächen mit anderenOffizieren verschaffen tonnen.Major Hartmann entgegnet, er glaube nicht, daß dies beiDreyfns der Fall gewesen sei; detin diejenigen, mit denen DreyfuSsich unterhalten haben würde, wären sicherlich vor demKriegsgerichte erschienen, um Über die Schritte, dieDrehfttS bei ihnen gethan hätte, auszusagen.Deloye sagt, er habe in Bouraes Nachforschungen angestelltüber den Verrat, den DrehfttS bczügltch des Robin-GeschosseS be-gehen konnte. R o b i n erklärte damals, DreyfuS habe ihn nur überVerbesserungen am Webstuhl befragt. Deloye fügt hinzu, erhabe sich nicht über die Schuld oder Unschuld deS DreyfuS aus-zusprechen, er könne nur sagen, daß eS nicht zutreffend sei, wennDreyfuS behaupte, er habe sich gewisse Mitteilungen nicht verschaffenkönnen.Labori ersucht Deloye, sich darüber außzulaffen, welche Wichtig-keit die Dokuniciitc hätten, die im allgemeinen Verräter einer fremdenMacht rnisliefern köiinen, und welche Bedeutung insbesondere dievon dem Urheber des BordereauS ausgelieferten Schriftstücke gehabthätten.Deloye lehnt das zuerst mit sehr bewegter Stimme ab, erklärtaber dann, eS lasse sich aus dem Bordereau feststellen, daß derVerräter ei» Meister sei, der die große Wichtigkeit der von ihm aus-aclieferten Schriftstücke keime.„Als ich das Bordereau las,"fügte Delohe hinzu,„war ich sehr erschrocken." �Sensation.)Auf eine Frage Laboris erklärt Deloye ausdrücklich, daß dievon dem Urheber des BordereauS gemachten Mitteilungen vom größtenInteresse gewesen seien.Hartmann, der hier eingreift, erklärt, daß, wenn der Urheberdes Bordereaus auch ein Meister sei, er doch jedenfalls vonartilleristischen Dingen nichts verstehe, denn wenn er von demGeschütz 120 mit hydraulischer Bremie spreche, so habe er Sachenausgeliefert, die bereits bekannt waren, und wenn er von dem Ge-'chiiy„130 kurz" spreche, so bedient er sich eine» unzutreffendenAusdrucks.Drryfus weist aus den Jvrtim, des Generals Deloye hin, dergesagt hat. daß die dritte Artillerie-Direktion die Schießvörschristendem' zweite» Bureau zur Bcrfügimg gestellt hatte.ücratif ergreift Mercier das Wort und erklärt, man konntedie Schießreglette verwende» ohne die Schicßvorschrist. Mercitrpricht sodami über den Ausdruck„hydraulische Bremse" und sagt,da die Deutschen diesen Ausdruck gebrauche», war es natürlich, daßein Korrespondent der Deutschen ihn ebenfalls anwandte.Da« Mitglied des Institut« Hauet sagt aus, eine g r a m m a t i-kaiische Prüfung des Bordereau bringe zu dem Schluß.daß das Bordereau nicht von DreyfuS herrühre. Havel hebthervor, daß im Bordereau sprachliche Elemente verschiedener Ratio-nalitäten, so namentlich der Deutschen, vorhanden seien, und ziehtdie Schlußfolgerung, daß daS Bordereau von Efterhazy her-rühre. Um 9 Uhr 30 Min. wird die Sitzung unterbrochen,Picquart und General Gousc.Um 8/ilO Uhr Ivird die Sitzung wieder anfgenommeil. Der Ge-richtsichreiber verlieft die Briefe, welche Picquart und Gouse zu einer"cit wechselten, wo sie sich mit dem Treiben Esterhazys beschäftigten.n diesen Briefen teilt Picquärt seinem Vorgesetzten seinen Verdachtgegen Estcrhazy, seine Zweifel an DreyfuS' Schuld mit und sagtalles voraus. Iva« entstehen würde, wenn DrevfuS' Unschuld vonanderer Seite entdeckt werden sollte und wenn der Gcneralstab zupät daS nötige thun würde, um seinen Irrtum von 1894 gut zumachen. In seinen Antworten mahnt Ganse nur zur Vorsicht,ermutigt aber Picquart, der neuen Spur Efterhazy zu folgen.Labori:„Sie sehe», hier sagt General Ganse keinWort von einem Geständnis."Drryfus:„Das doch die Unruhe Picquart« so-ort zerstreuen mußte."Labori stellt fest. Gouse habe Picquart gegenüber niemalsvon den Geständnissen gesprochen.Gonse erwidert, er habe stets Picquart geraten, die beidenAffairen auseinanderzuhalten.Labort fragt, wie man die beiden Affairen, deren Untergrundderselbe sei, auseinanderhalten könne?Gonse antwortet, das könnte man thun, weil die Urheberschaftdes Bordereaus Drehfus zugeschrieben worden und dieser deswegenverurteilt sei, und kein Beweis dafür vorgelegen habe, daß Esterhazyder Urheber.Labori drückt seine Verwunderung darüber auS, daß man vondiesem Irrtum noch nicht zurückgekommen sei.Sodann wird Picquart an den Zeugentifch gerufen.(Bewegungim Saale.) Er erklärt: AIS ich Gonse EsterhazyS Schrift und ihreGleichheit mit dem Begleitschreiben zeigte, rief Gonse:„Die Judenlassen seit einem Jahre jemand sich üben, diese Schrift nachzu-ahmen." Was dt« verioendung von Gonses Briefen betrifft, soteilte ich sie Lebloi» erst zwei Dag««ach erlangter Gewißheit mit.