wie sündig empfand, nach ihrem Treiben zu thun. Sic athmete leichter, begegnete der nicht dem Gefürchteten. So schritt sie wieder einmal an einem Samstag Nachmittag über den grünenden Plan. Ein Gezelt war aufgerichtet— ein deutlicher Beweis, daß etwas Voruehmers gezeigt werden sollte, als die Seiltänzer oder starken Männer zu bieten hatten. Ein Bursche in scheckiger Narrentracht stand davor und tutete gewaltig in ein gewundenes Horn. (Fortsetzung folgt.) (Nachdruck verdaten.) Ptftt HeimKehv. Von Peter Egge . Autorisirte Uebersetzung von Adele Neustädter. Die Hütte, in der die Frau des Matrosen Peter Solberg Wohnte, lag an der Lökkenstraße. Ein Fenster war geöffnet; es war an einem Nachmittage im Juni. Die Frau saß am Fenster, den Rücken gegen die Straße gekehrt. Das Nähzeug war von ihrem Schoß auf den weißgeschcuerten Boden geglitten. An einer ann- seligen Nähmaschine saß die Tochter. Sic arbeitete nicht, sondern stützte die Ellbogen ans die Maschine und sah zur Mutter oder über sie hinweg auf die Straße, wo es gerade so still war wie in der Stube. Neben der Nähmaschine lag ein Brief, den die Tochter der Mutter eben vorgelesen hatte. Jetzt sprach keines von beiden; ein und das andere' Mal nahm die Tochter den Brief und sah kurz darauf, und dann legte sie ihn wieder fort. Und dann blickte sie Wieder zur Mutter hin oder über sie hinweg auf die Straße. .Ja, nun wird es wohl Emst werden", sagte die Mutter. Sie nahm das Nähzeug vom Boden auf. »Ja, dieses lvtal kommt er doch nach Hause, der Vater", sprach die Tochter. Gunelie hieß sie. Ani Tage zuvor war sie zyr Mutter zurück- gekehrt, nachdem sie ihren Dienst verlassen hatte; den neuen sollte sie erst übermorgen antreten. Sie war erst 18 Jahre alt, hatte aber so breite und so starke Schultern, daß niemand glauben mochte, daß Schwcmmth sie niederdrücken könne. .Nächsten Monat find es fünf Jahre, daß er reiste." .Ja— a," sagte Gnnelie, und nun drehte sie die Maschine. Auch die Mutter nahm ihr Nähzeug auf. Man mußte die Zeit in diefen zwei Tagen, wo Gnnelie zur Hand war, gründlich ausnutzen. Und nun sprach niemand mehr darüber, daß der Vater nach Hause kommen würde. Am Abend, während sie sich auskleideten, sagte die Mutter: .Wenn er kommt, ehe Du reisest, so können wir dort ein Bett für Dich aufschlagen." Sie zeigte nach der Ecke unter dem Fenster. .Ja, das können wir wohl thun." Und dann sprachen sie über etwas anderes.-- Zwei Tage später ging Gunelie des Morgens fort, um ihren neuen Dienst anzutreten. Ein barfüßiger kleiner Junge zog ihren kleinen Koffer in einem kleinen Kinderwagen. Am Nachmittag wurde das englische Boot mit Peter Solberg erwartet, denn er war in London abgelohnt worden; aber niemand wußte die genaue Zeit. Es konnte früh und auch spät kommen. Es hing von so Vielem ab.Zsowohl von der Ladung, als vom Wetter. Die Frau setzte sich zur Maschine, als sie mit dem Mittagsmahl und dem Geschirranfwaschen fertig war. Die Nähmaschine surrte anders und sie trieb sie sehr heftig an, als hätte sie Eile. Ja. jetzt warPeter 46 Jahre alt, gerade so alt wie sie, und Manches und Vieles würde er dieses Mal zu Hause verändert finden.... Anton und Johann, die Zwillinge, auf See seit Frühjahr... Davon wußte er wohl nichts; denn draußen war er doch wohl nicht mit ihnen zusammengetroffen. Und Christine todt, das wußte er. Ach ja, mit Peter's Schreiben war es nicht weit her und bei ihr haperte es auch damit.... Einmal hatte sie wirklich geglaubt, er hätte sie vergessen. Der Engländer, mit dem er silhr, war sicher nicht so leicht zu behandeln gewesen. Aber nun kam er also doch I Viele Male hatte er gedacht zu kommen, aber die Heimreise war lang, und sie führte iveit nördlich, und theuer war sie, und die Heuer reichte nicht weit. So mußte die Heimkehr immer wieder verschoben werden. Eifrig drehte sie das Maschinenrad, und sie nahm sich kaum Zeit aufzusehen, wenn sie es anhielt. Ungefähr 7 Uhr mochte es sein, als sie hörte, daß Leute von dem Hofe in die Küche traten und etwas schleppten und hoben. Schnell erhob sie sich und ging hinaus. Da stand Peter, ihr Mann, mit dem Geldbeutel in der Hand. Er entlohnte gerade den Burschen, der ihn seine Kiste hatte tragen helfen. Mann und Frau standen einen Augenblick still, ehe sie einander die Hand reichten. .Willkommen zu Hause!" .Danke I" .Ist das Boot schon gekommen?" „Ja, es kam eben." Er ging voran, und sie folgte langsam und schwerfällig in die Stube. De» breitkrämpigen Hut schob er zurück, dann setzte er sich an die Thüre. Die Augen erschienen dunkel und hohl mit grauen Ringen darunter, und sahen gern etwas zur Seite. Am liebsten wandte er daS Gesicht halb ab. ES war bleich und umzogen von einem langen, schwarzen Bart. Nachdenklich sagte die Frau:»Du hast Dich verändert, sehe ich." .O— o. ja— a I" Es währte eine Weile, ehe er hinzufügte:»Und Du nicht weniger." Die Frau nickte nur, und das Gesicht blieb nachdenklich. .Ich habe es mir eigentlich so gedacht, o ja." murmelte sie.„ES war der Schiffbruch im Mittelmeer , der Dich so mitgenommen?" .Ja." „Wärest Du sofort nach dem Schiffbruch zurückgekehrt, so hättest Du Dich vielleicht erholt." Immer ehe er antwortete, schien er nachzudenken.„O ja, die zwei Jahre danach waren nicht leicht, nein." Er bückte sich nach voni, legte die Ellbogen auf die Knie, und rückte den Körper nach, so daß er ruhte. Den Hut behielt er aus. Nach einer Weile frug er:.Sind die Jungen zu Hause?" .Nein, sie reisten im Frühjahr." „Ja, fo dacht' ich es mir. Dil schriebst voriges Jahr, daß ste zum Frühjahr konfirmirt werden sollten." .Ja." Nun schwiegen sie beide einige Augenblicke und dann sagte sie: »Du sollst sofort Essen und Kaffee bekonimen." Sie ging in die Küche und ließ hinter sich die Thüre offen. Er blieb sitzen. Einmal erhob er den Kopf und sah nach dem Fenster, als blicke er jemand nach, der vorüberging und den er wieder zu erkennen glaubte. Aber obgleich das Fenster am anderen Ende der Stube war, ging er nicht hin, um nachzusehen. Draußen in der Küche prasselte das Feuer unter dem Kaffeekessel und er hörte, daß sie das Wen bereitete. Während der Kaffee stand und sich klärte, kam sie in die Stube, wickelte das Nähzeug zusammen und legte es fort. .Du hast immerfort Arbeit," sagte er und blickte auf das Zeug. «O ja,... in der letzten Zeit, ja; aber ich bin keine feine Schneiderin, und da ist es mit der Bezahlung nicht weit her." Plötzlich frug sie und zeigte auf ihn. „Du hast Deine Hand beschädigt?" Er sah auf seine rechte Hand. Daran fehlten der kleine und der Ringfinger. „Ja, habe ich das nie geschrieben? Ich glaubte, ich hätte darüber geschrieben. Der Doktor mußte sie abnehmen." Kurze Zeit sah sie auf die verunstaltete Hand. »Herr Gott!" Sie brachte daS Effen und den Kaffee herein, und er setzte sich an den Tisch. Er aß und trank; aber sie war nicht hungrig, des- halb schenkte sie sich eine halbe Tasse Kaffee ein und die goß sie auf die Untertasse und blies, ehe sie trank. Später ging sie ans Fenster und öffnete es. Es war fast 10 Uhr, und von der Stube konnte man die Sonne nicht mehr sehen; aber sie färbte den halben Himmel roth und strahlte auf alle Heim« stätten der Stadt ein glänzendes Licht hernieder, das alle gewahren und worüber sich alle freuen mußten. „Merkst Du, wie gut die Hecke im Kirchgarten heute Abend riecht!" frug die Frau. „Ja, gerade wie am Abend meiner Abreise." Etwas später sagte sie:.Das sind nun fünf Jahre her." »Ist es nicht länger?" »Es scheint mir lange genug." .Ja. da hast Du Recht.'" Sie richtete das Bett her; aber er saß immer noch am Tische. wo er gegessen hatte, und kein Wort kam über beider Lippen, und das glänzendrothe Licht versank. Der Himmel wurde blau ohne sonncnrothe Ränder, und in die Stube drang gedämpftes Licht. Man konnte nicht genau lvisse», welche Tageszeit jetzt war, wenn man nur auf das Licht achtete. Man konnte jetzt gerade so leicht in dem feingedrucktcn Psalmbuch lesen, wie mitten am Tage; denn diese Stadt liegt weit nördlich und die Sonne bleibt ihr stets gut, ob sie nahe ist oder weit entfernt. „Was glaubst Du, soll ich nun anfangen, wenn die See mich nicht länger haben will?" Vertrauensvoll sah sie ihn an, während sie sagte:.Du hast zu leben, so lange ich lebe und nähen kann." Es lvurde wieder für eine Zeit lang still, und langsam kleideten sich beide aus und gingen zu Bett. Er faßte sie ur seine Arme und hielt sie lange, ehe er mit einer Stimme, die zitterte, sagte: „Ja, jedenfalls bin ich jetzt zu Hause." Und nun zog sie den Kopf zurück, den sie an seine Brust ge- drückt hatte, und sah ihm ins Antlitz; ihre Stimme bebte vor ver- haltencn Thränen und Ergebenheit, während sie antwortete: „Ja, hier ist noch Platz für Dich,— jetzt, wo wir allein sind."-_ Kleines Feuilleton. — Der hundertjährige Geburtstag eines SeeS. Der.Rh.« W. Ztg." wird aus Venedig geschrieben:.Das malerische Thal von Agordo in den venetischen Alpen wurde vor 100 Jahren von einem furchtbaren Unglücke heimgesucht. Das Thal wird von dem Cordevole durchflössen, der in seinem Oberlauf den See von A l l e g h e bildet und zwischen Bellnno und Feltre in den Piave mündet. Der Alleghesee entstand in der Nacht auf den 11. Februar
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16 (23.3.1899) 59
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