Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 61.

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Das Blut.

Sonntag, den 26. März.

( Nachdruck verboten.)

Roman von J. J. David.

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1899

Und sie war fast froh, als ihr nach geraumer Weile wieder einmal ein Brief aus einem Dorfe Böhmens zutam...

Sie waren Freunde geworden, soferne die Frau manchmal ein rechtschaffen Mitleid mit dem Manne empfand, der vor ihr saß und sich in phantastischen Träumen berlor, wie Alles hätte " Ich habe mir es schon früher oft so gedacht. Aber kommen fönnen, während sie klar und bestimmt nur das er­gehört habe ich es erst von Johann Rüttemann, der jetzt wog, was war und warum es so war. Aber vom Tröstlichen, in Amerika ist es geht ihm gut, und er hat mir auch be- das sonst ähnlichen Verhältnissen innewohnt, war diesem nichts zahlt, was er mir schuldig war und begriffen so recht zu eigen. Nur ein Berührungspunkt war in Beiden, und erst diese Nacht: wir können nichts für uns. Wenn die zu dem stellten sie sich ganz verschieden. Nichts von der An­Gabi schlecht geworden ist, so hat der Rupert gemeint, das betung, die Glogar jezt methodisch mit dem Andenken Blut ist schuld daran. Soll gelten. Aber kann der Mensch Gabrielen's trieb, war in der Frau. Er litt wirklich dar­etwas für das Blut, das er in sich hat? Nein! Und so kann unter; mit jener nüchternen Trockenheit, mit der er vordem er für gar nichts. Wenn ich Sie nicht da treffe, fann ich seine geträumten Seligkeiten verzeichnet, buchte er nun überhaupt etwas für die Gabi thun? Gar nichts; zuschauen seine ehrlich empfundenen Kümmernisse. Er bemühte sich um hätte ich müssen. Damit müssen wir uns bescheiden, was wir keine bessere Stelle, die er am Ende nicht gar so schwer hätte anpacken und wie wir es beginnen: Es geht aus, wie es ein erlangen können; aus Anhänglichkeit an die Stätten, da sie Anderer will und gefügt hat von Ewigkeiten. Warum und geweilt, redete er sich vor, aus Verzweiflung an einer Welt, wozu? Wir können ihn nicht fragen, und er müßte uns nicht in der Gerechte so leiden müssen. Aber ihm war einfach zum antivorten." Bewußtsein gekommen, daß er seine beste Kraft und seine " Aber das ist ja troftlos," rief Herr Glogar. ganze Wucht des Hoffens einem aussichtslosen Traumbilde müßte man rein zusehen, was geschieht, und dürfte sich nicht zugewendet hatte. Das zerrann, und er fühlte sich alt und rühren!" war nicht mehr jung, und sah keinen Weg mehr vor sich, der ihn ganz und mit Bestimmtheit aus den kleinen und quälenden Sorgen führen konnte, in denen er lebte.

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Da

,, Sie verstehen mich nicht," entgegnete die Frau. Nein, wir sollen gerade thin, was wir sollen und was uns recht erscheint. Und es ist nicht trostlos; mich beruhigt es, daß ein Stärkerer und Klügerer einstehen muß für das, was ich thue und was ich erleide. Wir haben uns keinen Vorwurf zu machen, und ihm dürfen wir es nicht, und er spricht aus uns selber zu uns."

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Wenn also Gabi käme und Ihre Hilfe anflehte würden Sie ihr beispringen?"

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Glaube ich, daß es etwas nütt- gewiß! Aber wie tommen Sie darauf? Warum bitten Sie für die?" " Ich halte es für Menschenpflicht. Und ich habe die Verlorene einmal sehr geliebt, und ich habe eine Ahnung, daß sie der Neigung und des Beistandes noch bedürfen wird." Er sprach sententiös, wie fast immer, und doch klang ein Tieferes in seiner Stimme.

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Frau Salome aber war nur noch eines merkwürdig: die Antwort auf jene Frage, die sie sich gestellt, da sie Gabrielen wiedergesehen, das Wie und Warum?", das ihr ein Räthsel war, das sich nicht lösen noch ausdeuten lassen wollte. Mit der ganzen Macht eines Verstandes, der sein und seiner Kraft bewußt genug war, arbeitete fie fruchtlos daran. Und sie hatte Zeit in der Einsamkeit, in der sie lebte, zur Genüge dafür. Jede Möglichkeit wog sie ab. Es kamen Tage, an denen selbst die vertraute Stimme Herrn Glogar's fremd in ihre Träume flang, in denen sie der Anblick seines ernſten und gelassenen Duldergesichtes fast in Wuth brachte durch seine stete Gleichmäßigkeit. Es schlief eben mehr von der Leidenschaftlichkeit ihrer Schwester und Gabrielen's in ihr, als sie ahnte oder Wort hätte haben wollen.

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" So?" Sie legte die Hand auf seine Schulter. Sie waren Freunde geworden, und Rupert's Spott, den " So? Jch aber weiß, daß sie kommt. Wissen Sie, woher? er freilich nur in verhohlenen und feindseligen Anspielungen Wir sind noch nicht aufs Reine, ich und sie. Und wo stünde zu äußern wagte, vermochte nichts darüber Freunde nach die Welt, wenn zwei Menschen, wie wir ich und die ihrer Art, die nicht so ganz gemeine Menschenart war, aber Andere auseinanderlaufen könnten, als wäre nichts ge- darum vielleicht nicht minder verläßlich für die Dauer und wesen? Es muß aufgehen zwischen uns, und darum muß für die Noth. Freunde auch darum, weil sie gewandelt waren sie kommen, und weil sie doch zu gut ist für das Leben, das gegen früher albeide. Denn Herrn Glogar war der feste sie jetzt hat. Ich verstehe sie noch nicht; ich weiß, was sie Grund abhanden gekommen, darauf er so lange gefußt, und ist" sie zwang mühsam eine starke Bewegung aber er verzweifelte an der göttlichen Weltordnung; Frau Salome noch nicht, wie sie es geworden ist. Das ist sie mir noch hingegen, war unruhig, ungleich von Stimmung, abhängig schuldig, das muß sie mir noch geben, und sie soll dann von von Launen, war durch ihr Sinnen und Träumen erregbar, mir haben, was ihr noch kommt von mir." durch ihr: Wir sind noch nicht auf gleich, wir müssen aufs Reine kommen" nervös geworden.

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XII.

An diesem Tage wurden Herr Alois Glogar und Salome Lohwag Freunde. Selbst das Geständniß seiner Neigung zu Gabi erhöhte ihr seinen Werth; es mußte viel Gutes und Liebenswerthes an dem Mädchen gewesen sein, wenn er, Die Welt ging ihrer Wege, weiter. Die Tage wurden ein erfahrener und menschenkundiger Mann sie hielt ihn endlos, dann wieder die Nächte für Frau Salome. Das dafür, weil sie es selber so garnicht war sich so Märzenwehen erhob sich, durchfuhr die Lande, ward zum an die Hoffnung geklammert, seinen Besitz zu erlangen. Aber Sturme. Der peitschte mit starken Schwingenschlägen die Welt auch für ihre Ueberzeugung, daß Alles vorherbestimmt sei, war aus ihrem Schlummer; vor dem Brausen seiner Fittige brach er ihr ein redender Beweis; so nahe war für die, deren Namen das Eis der Flüsse, daß die todten Schollen dem lebendigen sie nicht mehr nannte, die Hilfe gewesen und sie versant Wasser den Raum nahmen. Jeder Bach ward so zum im Schlamme. Und um seiner Liebe willen hörte sie ihn auch Strome; die Oder selbst aber überschwemmte weithin die gerne von der Entschwundenen sprechen. Immer noch kamen Fluren, daß unabsehbare Seen entstanden, nur geschieden durch Briefe von ihr sie wurden zu den übrigen gelegt. Nicht die weiße Straße, die sich unter grauem Himmel und zwischen etwa aus Groll, denn Salome log nicht sich, nicht fahlen Wassern dahinzog.

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anderen; aber was darin stand, das konnte nichts Jm Oberlande ging es übel. Man hörte von berheerten frommen, nichts ändern. Nunmehr stammten sie sämmtlich Städten, bon bedrohten Ortschaften. Jedes Rinnfal trug aus Wien ; und wie einmal das Unftete Gabrielen's ihrer Hausrath ins niedere Flußthal; man fah nukbare Thiere Tante Anlaß zum Nachdenken gegeben, so war es ihr jetzt herabgetrieben werden, denen niemand zu helfen vermochte wieder nicht recht, daß sie dauernden Aufenthalt genommen. Wo aber die Gemarkungen einer Gemeinde an die erzürnten Was fonnte sie noch dort treiben, nun das Geld längst Gewässer stießen, dort sammelte sich vieles Volk um die Ufer, zu Ende sein mußte, das sie ihr damals zu die noch nie so weit ins urbare Land gerückt gewesen waren gesendet? So lange weilte wohl kein Zirkus irgend Manche unter den Zuschauern trieb die bittere Noth und die wo in der Welt, und sie las auch eifrig die Zeitung, Sehnsucht nach einem Erwerbe; es tam viel Bauholz, ge Alles zumal, was Bezug auf das Theater hatte, und waltige Stämme tamen sogar, die denen reichlich lohnten konnte nichts finden, was ihr deutsam für die Ferne schien. die ihrer habhaft wurden. Andere schlugen nur lungern