Unterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 64. Sin

1]

Ophelia.

Donnerstag, den 30. März.

( Nachdruck verboten.)

Novelle von Julius Knopf.

Die Sache will's, die Sache will's, mein Herz! Laß sie mich Euch nicht nennen, teusche Sterne! " Die Sache will's! Doch mag ich nicht ihr Blut vergießen"

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" Falsch Gustav, falsch! Doch nicht ihr Blut mag ich ver­gießen, so steht's hier im Reklam d'rin. Hast schlecht gelernt, Gustav! Wie soll das nur heute Abend werden!"

Die fleine zierliche Blondine stampfte energisch mit dem Fuße auf und fah den jungen Schauspieler mit ihren blauen Kinderaugen strafend an.

Der lachte.

Weißt, Grethel, 18 ja ganz egal, wie das Blut ver­gossen wird. Vergossen wird's auf alle Fälle. Das ist den Stujaven, die in unsere Kunstdestille kommen, die Hauptsache, und der selige Herr von Shakespeare   wird's mir weiter nicht übel nehmen. Na, und nu Schluß! Klapp' den Wisch zu." Aber," warf die Kleine ein.

Stein Aber; komm', Schmidel, gieb mir' n Kuß." Sie recte sich empor und hielt ihm das Mündchen hin, das er herzhaft füßte.

Da ging ganz sachte die Thüre auf. Eine stattliche Frau in den Vierzigern trat ein. Entsetzt schlug sie die Hände zusammen. Aber Fengleer Grethet- was macht Ihr' n da!" Wir füssen uns, wie Sie sehen," entgegnete der Mime, schnell gefaßt.

-

Das jeh' ich, daß Sie sich füssen," erwiderte die Frau entrüstet. Das ist aber' ne fürchterliche Unverschämtheit, mein Kind zu küssen. Wie kommen Sie dazu! Denken Sie denn, Sie hätten das Recht, für Ihre sechzig Mark Pension noch meine Grethel zu küssen! Ich kündige Ihnen zum Ersten." " Mama!"

,, Stille biste!"

" Frau Thiele," bat der Schauspieler, ich liebe Grethel schon lange und will sie heirathen, natürlich nur mit Ihrer und Ihres Mannes Einwilligung. Ja, ja," fuhr er fort, als er sah, daß Frau Thiele den Kopf schüttelte, ich habe auf Grethe ganz reelle Absichten, mit richtiger Heirath und effektivem Trauring. Seien Sie doch nicht so. Nein!... Ich werde sie glücklich machen.."

Mit Ihre 150 Mark Einkommen monatlich?! Das jlauben Sie doch selber nich," unterbrach ihn Frau Thiele. " Ich werde doch auch mal Zulage bekommen," be­schwichtigte er sie.

1899

,, Mama... ich liebe ihn so sehr. Wenn Du Gustav fortschickst, geh' ich in's Wasser."

Bestürzt streichelte die Mutter fie und sagte begütigend: Wer wird denn gleich so' ne Jedanken haben! Du mit Deine siebzehn Jahre... so blutjung noch!"

" Nachdenken macht alt, Mama," erwiderte Grethe

Langjam.

"

" Ja, ja," meinte die Mutter, halb stolz, halb besorgt, Das fommt von die viele Bildung."

Nein, Mama, nicht davon. Es liegt in mir mal drin. Ich kann nicht anders."

Na, Grethel, weißte, meinswegen sollste nich in die Spree gehen. Ich wer mal Vatern holen, der sitzt unten im Laden. Hoffentlich sind keine Kunden da."

Sie wandte sich zum Gehen. An der Thür drehte sie sich nochmals um." Fengleer, feine Geschichten machen mit Grethel! Ihr könnt Euch jenug füssen, wenn Ihr erst Mann und Frau seid. Ich bin gleich wieder hier mit Vatern. Also Waffenstillstand so lange!

"

Sie drohte halblächelnd mit dem Finger, blieb noch einen Augenblick stehen und ging.

Die Beiden waren wieder allein. Der Schauspieler führte das Mädchen nach dem Sopha. Nachdenklich setzte er sich neben sie. Er füßte sie. Sie wehrte ihn ab.

Laß doch, Mama hat's verboten."

Er füßte sie wieder. Sie spielte mit seinem Haar und lehnte sich an ihn. Er zündete sich eine Zigarette an und blies den Nauch durch die Nase.

Sie lächelte glückselig, wie ein Kind, und sah ihn unver­wandt an.

Da traten die Eltern ein. Voran der Vater, eine unter­sekte, stämmige Gestalt mit gesundem, rothem Gesicht und gut­müthigen, aber scharfen und flaren Augen. Der Kopf zeigte nur noch an den Seiten einigen Haarivuchs; dafür umrahmte ein furz gehaltener Vollbart das robufte Geficht. Das Schurz­fell hatte er noch vorgebunden.

ihn an.

Er ging geradewegs auf das Paar zu. Fengler war schnell aufgesprungen. Also, Sie woll'n meine Tochter heirathen," redete er Der Schauspieler verneigte sich. Ja, ich erlaube mir." Und Du willst den Menschen da heirathen?" fragte er Tochter.

seine

"

" Ja, Papa... sonst-"

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Gehste ins Wasser; weiß ich... Sie wissen, Fengleer," wandte er sich wieder zu diesem, ich konnte Ihnen nie leiden. Nich von wegen Ihre rothen Haare, ne; zwar: rothes Haar und Erlenholz wächst auf keinen guten Boden. Auch nich, weil Sie lang sind, wie der Tag vor Johanni. Aber von wegen Ihre scheuen Augen, die einen nie ansehen." Herr Thiele!" fuhr der Beleidigte auf.

In das Schmalzstullen- Theater nicht. Da kriegen Sie ja schon die höchste Gage.- Zulage? Na, das können Sie mir" Nichts for unjut, ich wollte Ihnen nich beschimpfen. doch nich weißmachen, Fengleer! Ich bin' n verdammt Aber wie jesagt, gegen Faktums is nischt zu machen. Die schlaues Beib, wenn ich man auch blos' ne Schuhmachersfrau Grethe liebt Ihnen nu mal- Jeschmackssache! Dazu hat sie bin. Aber ich bin auch jut, Fengleer; denn sonst hätt ich' n Querkopf das hat sie von ihrer Mutter." Ihnen jleich zu Anfang an die frische Luft gesezt, wo Sie berliedert waren, wie'n Student, und die Miethe nich' be­zahlten un.."

fort.

-

,, Vater!" warf diese entrüstet ein.

Also des hat sie von ihrer Mutter," fuhr er unbeirrt Wie jefagt, dajejen is nischt zu machen. Bleibt mir Aufschreiend flog Grethe auf den Vater zu und füßte ihn so heftig, daß ihm der Athem verging.

Aber, Frau Thiele, jezt bin ich doch pünktlich", meinte nischt übrig, als Ja und Amen zu sagen." Fengler in bittendem Ton, und solide auch."

"

Und alles durch wen, Fengleer?"

Durch Sie, verehrte Frau, nur durch Sie, gewiß!" schmeichelte er." Ich will Ihnen auch dankbar sein, mein ganzes Leben lang.. ja das will ich. Und wenn Sie mir Ihr Grethel zur Frau geben- aber Grethel, red' doch auch

' n Ton!"

Grethel stand verlegen da. In ihrem Gesicht zuckte es von verhaltenem Weinen. Sie öffnete die Lippen, bewegte fie aber fein Laut kam hervor. Sie war freidebleich, würgte wie wenn ihr die Luft fehlte, und hatte die Augen weit aufgerissen.

Die Mutter stürzte auf sie zu.

Herrgott, Grethel, Du wirst doch nicht wieder' n histori schen Anfall friegen! Der Doktor hat vor Aufregung ge warnt, Grethel... Kind... is Dir was?"

Grethel holte tief und mühsam Athem.

" Herrjott," fuhr er fort und machte sich von ihr los, muß die Liebe aber heftig sein! Ich habe ja Muttern auch mal janz jerne jehabt-... aber so Jott bewahre!... Also, Fengleer, ich sage nich nee, so leid es mir thut. Ver­sprechen Sie mir aber, immer jut jegen meine Tochter zu fein!"

Ich schwöre es Ihnen," betheuerte Fengler mit schwung­voller Stimme.

" Ihr Glück! Und das fag' ich Ihnen: daß sie mir an ständig bleibt! Sonst schlag' Sonst schlag' ich Ihnen eigenhändig alle Knochen im Leibe kaput. Versteh'n Sie mir?" schrie er alle Knochen im Leibe".

" Ich verstehe," betheuert der Mime.

"

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Mit's Heirathen is es natürlich noch nichts. Sie is erst siebzehn und noch' n halbes Kind und immer bei Vatern und