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Muttern jeblieben. Und Sie können noch keine Frau er- spieler. Er spielte seine ersten Liebhaber und Helden an der nähren, Fengleer. Aber treu bleiben müssen Sie ihr und anspruchslosen Vorstadtbühne, wo er gefiel. Nun dachte er Stange halten. Werden Sie?" garnicht mehr daran, fortzugehen, denn er fühlte sich eben Ich schwöre es Ihnen, Herr Thiele," bekräftigte Fengler behaglich. Man bewunderte ihn an seinem Theater und das genügte feinem Ehrgeiz.
nochmals.
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,, Ach, schwören Sie nicht immer," fiel Frau Thiele ein, Grethe war er bisher treu geblieben. Er hatte sie gern, die sich so lange still verhalten hatte. Sagen Sie lieber und es drang sich ihm auch keine Versucherin auf. Die einen " Ja", das is mehr werth. Und reden Sie nich so viel, waren zu alt, die anderen zu häßlich. Und so lebte er berFengleer. Wahre Liebe und echte Schmerzen verbergen sich gnügt und ohne nachzudenken in den Tag hinein. nur tief im Herzen," deklamirte sie pathetisch. Gedichte Grethe holte ihn fast jeden Abend aus dem Theater ab. machen müssen Sie auf ihr, dann lieben Sie ihr. Ich kenne das, ich bin' n verdammt schlaues Weib, Fengleer."
,, Das weiß ich ja, verehrtheste Frau," beruhigte dieser fie. ,, Na also," fuhr sie fort, nehmen Sie sich vor mir in Acht. Ich durchschaue jeden, denn ich kenne die Menschen. Ich habe Sie früher nich leiden können, Fengleer, denn Sie logen wie' ne Grabschrift und machten Schulden wie Griechen Land und dachten: Schulden sind keine Hafen, die laufen nich weg und
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Sie überhörte ihm seine Rollen, hielt ihm seine Garderobe im Stand, tochte seine Leibgerichte er war mit der Zeit Feinschmecker geworden, und zählte ihm die Zigaretten zu, von denen sie ihm nur sechs Stück täglich erlaubte, um seine Stimme zu fonferviren.
Sie ging ganz in ihm auf und duldete still, daß er hin und wieder seine schlechte Laune an ihr ausließ, wenn er Aerger auf der Probe gehabt. Grethe's
Ihr Verhältniß war ein reines geblieben. ,, Nu laß man jut sein, Mutter", beschwichtigte der Meister, feuscher Sinn bäumte sich instinktiv dagegen auf, sich in ,, und laß mich mal' n Ton reden... Fengleer, Grethe is irgend etwas zu vergeben, so daß es der Wachsamkeit der unser einzigstes Kind; mehr hat's nich jegeben. Ich habe ihr Mutter garnicht bedurft hätte, die ihrem zukünftigen SchwiegerBildung jenießen lassen und ihr in die höhere Töchterschule sohn noch immer nicht recht traute. Selbst die Freibillets, jeschickt. Drum wollt' ich' n Bischen höher mit ihr hinaus: die er ihr oft schenkte, hatten sie nicht umstimmen können, ' n Droschisten oder' n Schlächtermeister, aber nich so'n wenn es ihr auch schmeichelte, in der Parkettloge mit ihrer Komödianten von's Fünfjroschen Theater. Nischt for unjut. Grethe zu paradiren, als Schwiegermutter des ersten Helden Aber wie Jott will. Nur jut foll'n Sie jegen ihr sein. und Liebhabers. Versteh'n Sie mir!"
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" Ich schwöre es Ihnen," betheuerte Fengler nochmals. ,, Sie soll'n doch nich immer schwören," fuhr Frau Thiele dazwischen.
Also ich schwöre nicht," sagte er gefügig.
„ Das ist schön; dann jebt Euch man' n Kuß," erlaubte der Meister.
Das ließen sie sich nicht zweimal sagen. " Halt! Das sind schon fünfe!" fuhr die Mntter zwischen.
Der Mime nahm sie in die Arme und wirbelte mit in der Stube herum, bis sie prustend aufschrie.
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Ein paar Mal hatte sie ihren Mann gebeten, mitzutommen. Aber da kam sie schön an! Für solchen Hokuspokus sei er nicht zu haben! Ja, wenn es noch Billets zu„ Renzen" gewesen wären! Im Uebrigen ließ er die Sache ihren Gang gehen. Nur ein Mal, als er gerade dazu kam, als Fengler heftig gegen Grethe war, und diese beinahe wieder einen epileptischen Anfall bekommen hätte, woran sie von Jugend auf litt, hatte er ihn beiseite genommen.
ihr ,, Na, und nu Mutter, brau' uns' n juten Punsch. Wir fönnen uns ja heute mal was leisten, denn wir haben unser auskömmliches Einkommen. Na, das wissen Sie ja, Fengleer, das heißt, mitgeben geben wir Grethen nischt, außer die Ein- trant. richtung."
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Fengleer", hatte er zu ihm gesagt, ich habe mir bis jetzt nich wieder in die Chose gemischt und Ihnen auch feine Vorschriften gemacht, aber das fag' ich Ihnen, seien Sie Sie fann's nich nich wieder so grob jegen das Mädchen. bertragen. Sie weent nich, aber sie schluckt ihren Aerger und Gram runter, und der frißt ihr an's Herze und macht sie Sollte ihr aber mal Schlimmes dabei passiren, Fengleer, das sag' ich Ihnen, dann is Matthäi am Legten Garnichts will ich mithaben," unterbrach ihn Fengleer mit Sie! Nehmen Sie sich in Acht vor mir, Fengleer!" stürmisch. Ich will ja nur Ihre Grethe."
„ Das sagen Sie jetzt," meinte der Meister steptisch, ,, in der ersten Rage. Wie ich Ihnen fenne...! Na, über zwei Jahre sprechen wir weiter d'rüber. Dann werden Sie hoffentlich so weit sein, Fengleer."
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Fengler warf sich in die Brust: Gewiß Herr Thiele! Ich hoffe doch Engagement an einer größeren Bühne zu er langen. Bei meinem Talent!"
Sie sind ja garnich von sich einjenommen, Fengleer," spottete der Alte. Na, wollen sehen."
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" Ja, Vater, Talent hat er," bestätigte seine Frau wohlwollend, das muß man ihm lassen. Neulich erst als Jaromir ich bin' n verdammt schlaues Weib, aber Sie haben mir gefallen, Fengler."
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Grethes Augen glänzten in Begeisterung. Nicht wahr, Mama, die langen schwarzen Locken, das schöne Organ und die reine Aussprache."
Fengler schmunzelte geschmeichelt. Er stellte sich in Positur und fuhr sich durchs Haar. Das will ich meinen, ich könnte mich ruhig im Deutschen sehen lassen, neben Kainz. Ueberhaupt Rainz, was is'n an dem! So laut wie der schrei' ich alle Tage, und ich schnarre das R noch zehnmal schärfer und spreize die Finger noch viel weiter auseinander."
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Der Meister lächelte skeptisch und sah sich den renommirenden Mimen von oben bis unten an. Man sachte, man sachte, Fengleer, ich kenne zwar Kainzen nich aber Faktums beweisen, nischt for unjut. Und nu, Mutter, jeh' runter in den Laden und stich mal den Jaas an."
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Von da an war nichts wieder passirt.
Da kam eine neue Liebhaberin an's Theater. Sie war vorher in der Provinz gewesen, hatte da auch sehr gefallen, mußte aber Knall und Fall die Stadt verlassen. Man munkelte von einem Standal zwischen ihr und der Frau des Direktors.
andere Bühne hatte sie nicht genommen. Sie gefiel fehr, nicht Nun war sie in Berlin , in dem Vorstadt- Theater. Eine nur durch ihr keckes Spiel und niedliches, noch frisches Gesicht;
sondern noch mehr durch das dem anspruchslosen Publikum ungewohnte Raffinement der Toilette und das beredte Spiel ihrer Augen. Lilli Croissant ihren Namen kannte man nicht- war bald der Stern der Vorstadtbühne.
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Sie theilte sich mit Fengler in die Gunst des Publikums. Allabendlich fast spielten sie zusammen. Sie liebten und haßten, umarmten und füßten einander, wie es ihnen die Rolle vorschrieb. Wenn Grethe das sah, gab ihr's einen Stich ins Herz.
Vergebens schalt sie sich aus und hielt sich vor, daß es ja nur Theater fei; der Stachel blieb zurück. Ein paar Abende mied sie das Theater- aber dann zog es sie immer wieder hin mit unwiderstehlicher Gewalt. Sie wollte wegsehen, wenn die beiden einander füßten, aber sie konnte nicht. Die Mutter merkte das. Sie merkte auch, daß die zwei sich inniger füßten, als es auf der Bühne nöthig war.
Sie nahm Fengler in's Gebet. Der lachte. Was sie denn von ihm dächte! Er machte sich gar nichts aus der Croissant! Aus dieser herzlosen. Kokette! Die hatte überEin Jahr war vergangen. In den Verhältnissen der haupt' n reichen Liebhaber in Stettin sizen, der ihr jeden Familie hatte sich nichts geändert. Fengler und Grethe waren Monat zweihundert Mark schickte und öfter nach Berlin rübernoch nicht verheirathet, und es war auch keine Aussicht dazu käme. Also!... Nein, seinetwegen brauchte sie keine Furcht borhanden. Fengler machte sich weiter feine Sorge darüber, zu haben! Es wäre überhaupt riesig albern von der Grethe. aß und trant gut und wurde start. Engagement an einer Er wollte ihr mal gehörig den Text lesen.
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größeren Bühne hatte er nicht finden können. Für ein fritisches Publikum reichten weder sein Talent noch seine Bildung aus, die oberflächlich war, wie die so vieler Schau
Das verbot ihm Frau Thiele. Der Zwischenfall schien beigelegt. ( Schluß folgt.)