leuchtete verständnisvoll auf. Sie wandte keinen Blick vonder wahnsinnigen Ophelia und sah sie mit glühenden Augenan. Sie fieberte.Als Ophelia ihr Klagelied sang— sie sang es mitouiekender Stimme, rollte dabei mit den Augen und strecktedie Hände mit den funkelnden Brillantringcn gen Himmelwie ein Prediger, da weinten die Frauen im Parkett undin den Rängen, und es ging ein Rauschen durchdie weiten Räume wie von gebrauchten Nasentüchern. Grethelächelte geheimnisvoll und faßte sich nach dem Kopf, in demes so eigen rasselte und hämmerte.Noch vor Schluß der Vorstellung ging sie nach Hauseund legte sich ins Bett, ohne auf die besorgten Fragen derMutter zu antworten. Sie wälzte sich auf dem Lager undfand keinen Schlaf. Die wahnsinnige Ophelia, die richtige,stand vor ihr und wollte nicht weichen. Grethe richtete sichim Bett aus und sang mit ihrer süßen, zarten Stimme:Und kommt er nicht mehr zurück?Und kommt er nicht mehr zurück?Nein, nein, er ist todt lSo ruh' denn in Gott!Er kommt nie mehr zurück.Dann kauerte sie sich auf den Bettrand, zog sich dasHemdchen fester um die Glieder und starrte lächelnd nachder Decke.So fand sie am andern Morgen die Mutter.„Grethel," rief sie verwundert,„Grethel, steh' doch auf!Z3 schon acht Uhr."Aber Grethe antwortete nicht.„Nanu. Grethel. was is Dir denn?" fragte die der-wunderte Mutter.Grethe antwortete nicht.Da faßte Frau Thiele sie an die Schnlter. Wie vomFrost geschüttelt, schauerte das Mädchen zusammen, sah dievor ihr Stehende starr und leer an, lächelte und sagte weiner-sich:..N— a?"„Aber Grethel, mein Kind, ist Dir was? Kennste michdenn nich?... Grethel!" rief sie verzweifelt,„Grethel!"„Na— a?" sagte das Mädchen nochmals; und das klangwie das Klagen eines Kindes. Und dabei verzog sie dasfuße Gesichtchen zu einem schmerzhaften Lächeln.Die Mutter rang die Hände und lief jammernd hinaus.„Feugleer!" schrie sie,„Vater! O Gott, o Gott, o Gott!Vater hol' mal schnell den Doktor, mit Gretheln is nichrichtig!"Nun stürzten sie alle drei in Grethe's Zimmer. Sie saßnoch immer auf dem Bettrand und stierte nach der Decke.Fengler raufte sich die Haare, kniete dann vor ihr nieder,und faßte ihre herunterhängende Hand. Wieder ftlhr siezusammen, riß sich los, lächelte darauf und wiederholte ihr:„Na— a?"Dicke, große Thränen rollten über das Gesicht desMeisters. Schnell setzte er sich die Mütze auf und gingzum Arzt.Fengler aber lief jammernd im Zimmer umher, weinte,was er weinen konnte, und klagte mit seinem beweglichstenPathos in Zitaten aus allen Klassikern. Dann blieb er vorFrau Thiele stehen, warf sich vor ihr nieder und rief:„O.Frau Thiele, ich bin der elendeste Mensch unter der Sonne!"..Ja. das sind Sic. Fengleer," sagte sie überzeugt.„Abernu stehen Sie man auf. Und wenn Sie sich die Knien wundrutschen und jammern, wie Jeremias— unjeschehen könnenSie's doch nich mehr machen."Fengler stand auf. zog das Taschentuch ausder Rocktasche und— stäubte sich das Beinkleid ab.Der Arzt kam. Er untersuchte das Mädchen undschüttelte den Kopf. Auch ihm antwortete sie nicht, und wenner sie berührte, da sagte sie nur immer wieder:„Na— a?"Er winkte den Vater ins Nebenzimmer und sprach miternster Theilnahme von einer Geistesumnachtung infolge hoch-gradiger Nervenüberreizung. Ob Heilung möglich, könne erheute noch nicht beurtheilen, doch sei der Fall nicht hofsnungs-los. Das Beste wäre Ueberführung in eine Anstalt.Der Meister streckte abwehrend die Hände aus.„MeinKind sin'ne Anstalt I Nie! Nie I Mein Kind bleibt bei mir,das jeb' ich nich fort."Achselzuckcnd verschrieb der Arzt ein Rezept. Dann empfahler sich.Der Vater warf sich stöhnend auf einen Ssichl undbrütete vor sich hin. Seine Frau kam weinend in die Stilbe.Sie hatte gehorcht.„An allem is der Fengleer schuld l" jammerte sie.Der Alte fuhr auf.„Fengleer? Wieso?"„Na haste denn nichts gemerkt? Du siehst und hörstaber auch rein garnichts. Er hat doch das Verhältniß mitder Schauspielerin, und das hat sich Grethel so zu Herzengenommen, und sie hat sich jegrämt und das is ihr nu zuKopf jestiegen. Ich Hab' das jleich jemerkt. Du weißt, ichbin'n verdammt schlaues Weib."„Ne dumme Gans bist Du!" schrie er.„Warum sagstemir das jetzt erst, wo's zu spät is. Warum haste mir dasnich schon längst erzählt! Du.. Du!".. Mit geballterFaust ging er auf sie los. Sie resirirte.Da kam der Lehrbursche. Es seien Kunden im Laden.Der Meister möchte runterkommen.„Frau, jeh' Du runter." bestimmte er.„Aber vorherschick' mir Fenglern."Verstört kam dieser ins Zimmer«„Sie wünschen, Herr Thiele?"Dieser antwortete ihm nicht, sondem sah ihn nurgroß an.„Sie haben mich rufen lassen. Herr Thiele?"„Schuft l Lump I Kanaille!..." Der kräfsige Mannzitterte vor Wuth am ganzen Leibe. Er stürzte sich auf denFassungslosen, packte ihn an der Kehle und preßte seineharten, schwieligen Hände wie eiserne Klammern um seinenHals.Fengler schnappte nach Luft und fuchtelte hilflos mit denHänden umher und stöhnte abgebrochen:„Herr.. Thiele..Gnade.. Hilfe.. l Jesus l"..Immer fester umspannten ihn die erbarmungslosen Hände.Die Sinne schwanden ihm schon.„Mörder..! Sie morden.. mich. röchelte er noch.„Mörder I"..Die Klammer löste sich.„Mörder." sprach Thiele leise nach.„Mörder, nee,Mörder darf ich nich werden. Dann würden ja meine Gretheund nieine Frau verhungern müssen. Geh'n Sie, Fengleer!Geh'n Sc jleich und lassen Sie sich nie mehr sehen l Geh'nSe... mir flimmert's roth vor die Augen."Fengler versuchte zu gehen, aber seine Kniee wankten, erkonnte nicht. Er legte die Hand lindernd auf die schmerzendenStriemen am Hals.„Fengleer— raus! Oder bei Gott"... Er ging wiederauf ihn zu, die Augen blutunterlaufen.Fengler nahm alle Kräfte zusammen, taumelte auf dieThür zu und entfloh.Thiele setzte sich und schlug in ohnmächsiger Raserei mitder Hand ununterbrochen auf die Tischplatte, daß die Hautaufplatzte und das rothc Blut hervorrieselte.Er achtete nicht darauf und brütete vor sich hin.Da steckte der Lehrling den Kopf durch die Thürspalte.Die Frau Meisterin könnte mit den Kunden nicht fertigwerden.„Is jut, Fritz, ich komme selbst."Der Bursche ging.Thiele wickelte sich sein geblümtes Taschensilch um dieschmerzende, blutende Hand und ging hinunter in denLaden.--Das Oflevei.Eine kulturgeschichtliche Skizze.Nur wenige alte Volksbräuche sind von unserem modernen Lebenso allgemein bewahrt worden, wie die österliche Eierspende. FürJung und Alt ist das Osterei ein Gegenstand wechselseitiger lieber-raschung und mannigfachen Vergnügens geblieben. Alles freut sichder bunten, vielgestaltigen Eifiguren, die alljährlich in immer neuenVariationen die Confitüreulädcn füllen.Freilich lasten diese Kunstwerke die Herkunft der Sitte kaum nochahnen. Man mutz schon in ländliche Gegenden gehen, um mehr vonihr zu hören. Da werden am Ostcrmorgen wirkliche Eier, geschmücktoder gefärbt, im Garten versteckt und dann unter großem Jubel vonden Kindern gesucht. DaS ist die ältere Form des Brauches. DieStadt hat au stelle des Naturproduktes Imitationen aus Zuckerwcrkgesetzt, und wo sich das Verstecken erhielt, mutzte man in der Ermangelung eines Gartens mit Winkeln im Zimmer fürlicb nehmen.Woher stammt aber der Brauch überhaupt, und welchen Sinnhat er? Das wird uns nicht zweifelhaft bleiben, wenn wir ihn,gestützt auf Julius Lippert's Forschungen, im Zusammenhang miteinigen anderen Ostcrsitten betrachten.Charakteristisch ist zunächst, waS im Böhmerwald geübtwird. Dort ist jedes Mädchen verpflichtet, dem Geliebte» ein