Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 89.
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Sonntag, den 7. Mai.
( Nachdruck verboten.)
Der Schuldige? Stoman bon Sector Malot.
Als sie den Gang durch die beiden Zimmer gemacht hatten, öffnete sie einen Wandschrank: auf einem Brett stand eine Flasche Champagner, Mineralwasser, eine Büchse Sardinen, Konserven, eine Pastete, Brot, Kuchen, Früchte. ,, Was ist das?" frug er.
"
Unser fleines Abendbrot. Glaubst Dut , daß ich Dich wieder fortgehen lasse? Wenn man mich um sieben Uhr zum Essen rufen wird, so antworte ich nicht. So wird man glauben, daß ich ausgegangen sei. Du bist von der Rue des Faulr eingetreten, morgen wirst Du durch die Thür, die in die Rue de l'Epée mündet, fortgehen, wo es teinen Concierge giebt. Sei ganz ruhig, es ist keine Gefahr vorhanden; Deine Frau wird nicht bloßgestellt werden."
Sie sprach die letzten Worte in einem lustigen, scherzhaften Tone, aber der sie begleitende Blick war ernst und belegt.
,, Wann speisen wir?"
1899
fönnten, besonders sie, die noch nichts kannte und nirgends gewesen war: in den Wäldern von Roumare, dem Pont de l'Arche, Jumieges , Lyons; und warum sollten sie nicht noch nach Havre und nach den Küstendörfern bis Dieppe fahren?
Während vierzehn Monaten wurde dieses Programm ausgeführt, ohne daß jemals von der einen oder der anderen Seite eine Verspätung oder ein Wegbleiben vorgekommen wäre; im Gegenteil: sie fanden sich mit einem solchen Eifer, solcher Treue und Freude ein, daß man wohl sah, wie beide dabei dasselbe Glück empfanden. So gelangten sie ohne einen Tag des Ueberdrusses bis zu dem Augenblick, der für ihre Hochzeit festgesezt war.
Die Umstände erheischten, daß dieselbe einfach und in aller Stille, nur in Gesellschaft der Trauzeugen und nächsten Verwandten, gefeiert wurde. Letztere waren der Vater von La Vaupalière und der Onkel Benoit, der durch seine Rührung bewies, wie zärtlich er seine liebe Nichte liebte, deren Lob er nicht aufhörte, bald gegen diesen, bald gegen enen mit Thränen im Blick zu verkünden.
Nur Turlure, mit der dreifarbigen Schärpe über dem schwarzen Frack, glaubte auf der Bürgermeisterei dieser Verbindung die Weihe einiger offiziellen Worte geben zu müssen
Ihr Herz hüpfte vor Freude, aber sie ließ sich nichts und stellte die Eigenschaften der Ehegatten, des hervor
merken.
Wann Du willst!"
Erst bei einbrechender Dunkelheit setzten sie sich zu Tisch, denn da sie für abwesend gehalten wurde, so durfte keine Kerze angezündet werden; sie mußten also den letzten Tagesschimmer benußen, um wenigstens ungefähr unterscheiden zu tönnen, was sie aßen.
Sie war auf diesen Einfall nicht nur aus dem Wunsche gekommen, das Vergnügen dieses kleinen Abendessens zu genießen, sondern auch, weil man bei Tische eher plaudert und weil sie ein lebhaftes Interesse daran hatte, zu beobachten, welche Worte ausgetauscht würden, wenn sie einander gegen über geistiger, freier, unabhängiger wären, als in den Stunden der zärtlichen Stelldicheine.
Getreu ihrer Gewohnheit, alles, was sie beunruhigte, freimütig zur Sprache zu bringen, fing sie, sobald sie sich zu Tisch gesezt hatten, an:
" Du wirst wohl nicht als möglich gelten lassen, daß es zwischen uns geschäftliche Fragen geben könne, und dennoch müssen solche erörtert werden. Ich denke, daß es das beste ist, wenn Du sie mit meinem Onkel Benoit verhandelst. Nur wirst Du, da ich nicht will, daß Du unter seiner Schlauheit leidest, gegen die Du Dich doch, in der Lage, die Dir unsere Liebe geschaffen hat, nicht selbst verteidigen könntest, einen Notar zu Hilfe nehmen, und beide werden den Preis des Bureaus sowie die Verkaufsbedingungen bestimmen. Was sagst Du dazu?"
" Ich bin ganz damit einverstanden." Und das war alles: der Name Courteheuse wurde nicht einmal ausgesprochen, keine Anspielung auf seinen Tod, selbst nicht auf seine Krankheit gemacht.
Uebrigens hatten sie sich tausend andere Dinge mitzuteilen, die sich auf ihre Lippen drängten und von denen die wichtigste war, ihre Zusammenfünfte zu ordnen, denn es verstand sich von selbst, daß sie sich in diesem Hause nicht ein zweites Mal treffen konnten.
Mit ihrem erfinderischen Geiste hatte sie schon alles vorbereitet.
ragenden Rechtsgelehrten", und der unter allen durch ihre Anmut, verbunden mit den reinsten, häuslichsten Tugenden, bemerkenswerten Gattin" in das gebührende Licht.
Ebenso verfehlte Abbé Charles, der der Einsegnung halber von Thuit gekommen war, in seiner kirchlichen Rede nicht, ihnen die Heirat Christi mit seiner Kirche ins Gedächtnis zu rufen und ihnen diese Ehe als ein Beispiel anzubieten, das, gottesfürchtig durchgeführt, ihr Leben läutern und den Segen des Herrn über ihr Haus bringen würde.
Endlich, nach einem reichlichen Mittagsmahl, während dessen Gibourdel Mittel gefunden hatte, einem der Zeugen vier Fässer Aepfelwein aufzubinden, ließ man das Pärchen allein. Nun brauchen wir nur noch glücklich zu sein," sagte ,, Und wir werden es sein."
Hortense.
Zweiter Teil. I.
Im Notariatsbureau nimmt jeht Fauchon den Sessel des Sekretärs ein. Boulnois sitzt immer noch an seiner Kasse. Léon ist entbauert und auf den Posten des zweiten Sekretärs vorgerückt; an seine Stelle ist ein Bursche vom Lande getreten, dem er des Sonntags durch seine Eleganz, seine Handschuhe, seinen Spazierstock mit silbernem Griff und seine Lackstiefel imponiert. Neben dem Schreibtische Fauchons endlich steht noch ein Tisch, an welchem ein junger Volontär, Mederic Artaut, sitzt. Dieser kommt um zwölf Uhr, wenn er überhaupt kommt, und geht um vier Uhr wieder weg; in der Zwischenzeit liest er die Zeitungen, schneidet den neuen Roman auf, den er sich von Rouen mitgebracht hat, oder macht sich Notizen aus den botanischen oder naturgeschichtlichen Werken, die ihm Turlure leiht, mit welchen er bisweilen derartige Studien treibt.
Er ist ein braver, gefälliger Junge, bietet beständig gute Cigarren an und verteilt seine Zeitungen und Romane, sobald er sie gelesen hat, an die Kollegen. Er verträgt sich mit allen, selbst mit Boulnois, der vor den dreißigtausend Franks Rente der Mutter Artauts und dem schönen Hause, das sie am anderen Ende des Dorfes, auf der Straße nach Elboeuf, inmitten großer Bäume bewohnen, gewaltige Achtung empfindet.
In einem Hause einer kleinen Straße, die von der Rue de Champs- des- Oiseaux nach der Rue de l'Avalasse führte, nahe bei dem Bahnhofe der Nue Verte, hatte sie eine kleine Wohnung gefunden, die sie mieten würde. Dort würden sie sich jeden Freitag sehen, ihr Abendessen würde ihnen von den Mietsleuten bereitet werden; um Mitternacht würden Boulnois hatte dieses zwei Jahre lang vergeblich durch sie sich tremen, er, um den letzten Zug zu das Notariat ausgebotene Haus der Mutter und dem Sohne nehmen, sie um in einer Droschke nach der Rue des zu zeigen gehabt und beide, als er ins Bureau zurückfam, Fault zurückzukehren. Sonntags, wenn die Bureaustunden nicht genug zu rühmen gewußt.
beendet wären, würden sie sich bei schlechtem Wetter in ihrem Höchst anständige Leute, hatte er erzählt, die Mutter ist Restchen, bei gutem hingegen auf einem Bahnhof ober die Witwe eines in Cochinchina gestorbenen Kaufmannes; der oder unterhalb Rouens wiederfinden, um von dort aus Sohn hat jüngst sein Freiwilligeneramen beendet und seine Spaziergänge im freien Felde zu unternehmen, wo sie keinen Mutter ist so vernarrt in ihn, daß sie während des Dienst Begegnungen von Leuten ihrer Bekanntschaft ausgeseht wären: jahres Mamers bewohnte, wo sein Regiment stand; alle schöne Spaziergänge, die sie als verliebtes Pärchen machen Freunde des Sohnes hatten freien Tisch bei thr. Jetzt will