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zuzog, für die Anklage aber, wenn er, wie in diesem Falle, auf Antrag der Verteidigung gehört wurde.

Soubyranne bewies nun den Geschworenen aufs ein­dringlichste, daß die Angeklagte als ein Geschöpf mit unent­wickeltem Moraljinn ganz instinktmäßig handele, dabei leiden­schaftlich und in äußerstem Maße der Suggestion unterworfen sei, also notwendig demjenigen, der sich zu ihrem Herrn mache, blindlings und unbewußt gehorchen müsse. Sie erleide dabei eine wahre Beherrschung, wie die wilden Tiere unter dem Blick des Bändigers und wie die Vögel unter dem der Schlange; das sei die sogenannte Ophidiophobie. Ohne Zweifel habe Frau Vaupalière unter einem solchen Einfluß ihres Mannes, also willenlos, gehandelt.

Der Staatsanwalt protestierte entschieden gegen diese Gutachten; das Gleiche that der Verteidiger La Vaupalières, und es entspann sich daraus eine neue wissenschaftliche Debatte, von welcher übrigens die Geschworenen kein Wort verstanden, sondern nur Kopfweh oder Schlafsucht bekamen.

Kleines Feuilleton.

id 32016

br. Trinkgesetze der alten Steinhauer( wahrscheinlich aus dem 17. Jahrhundert stammend):

auf der linken Seite) zugeknöpft am Tische fizen. Niemand darf da 1. Jeder muß anständig, den Rock( die drei unteren Rockknöpfe her die Hand auflegen oder den Arm aufstemmen.

2. Niemand darf ohne Erlaubnis von seinem Siz aufstehen, oder, ohne ums Wort zu bitten, sprechen.

3. Wenn der Altgesell flopft, müssen alle aufstehen und den Hut abnehmen, bis es heißt, Gesellschaft soll bedankt und bedeckt sein. 4. Niemand darf ein Glas oder einen Becher mit der Hand darreichen, es müssen diese Gefäße vor jedem auf den Tisch gestellt 5. Krüge und Gläser dürfen nur mit der rechten Hand angefaßt

werden.

werden.

6. Niemand darf mehr Wein oder Bier verschütten, als er mit der Hand bedecken kann.

oder Würfeln spielen. Wer dagegen fehlt, dem wird die Büchse vor­7. Niemand soll unzüchtige Reden führen, auch nicht mit Karten gehalten, damit er Strafe bezahle.-

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Es folgte sodann das Plaidoyer des Staatsanwalts, der sich mit besonderer Heftigkeit gegen La Vaupalière wandte; Was alles im Wein enthalten sein kann. Nach dem nur aus raffinierter Habgier, in der Absicht, das Vermögen 1898er Jahresbericht der Untersuchungsanstalt für Nahrungs- und Courteheuses zu gewinnen, habe er sich um die Gunst der Genußmittel des Allgemeinen östreichischen Apothekervereins er­Frau bemüht, sie unter seine Gewalt gebracht, sie in sein gaben sich bei den vorgenommenen Untersuchungen von Wein und willenloses Werkzeug verwandelt. Beide Schuldigen verdienten Most folgende ungewöhnlich ungehörige Bestandteile: eine Kunstmoſt­säure mit 67,8 Proz. Essigfäure, 1,58 Proz. Extraft, 0,6 Proz. strenge." rücksichtslose Strafe. Mineralstoffen war mit einem Theerfarbstoff( Rumbraun) gefärbt, mit Saccharin versüßt, mit Birnäther( Amylacetat) parfümiert und enthielt Spuren von Metallverbindungen. Eine Weinprobe enthielt Kupfer und Nickel, eine sogar 7%, Milligramm Kupfer in einem Liter, eine andere gar Chloroform und wieder eine andere rohe Karbol­füßt, ein Most mit Rohrzucker gallisiert und gepantscht; eine Wein­fäure. Ein Sherry war gegipst, ein Süßwein mit Stärkezucker ver­probe enthielt größere Mengen gelösten Eiweißes, die beim Kochen sich ausschieden usw.-

Der Verteidiger La Vaupalières gab sich in feiner Replik Mühe, die Wirkung der Fowlerschen Tropfen nochmals in Frage zu stellen, und bemerkte, der Ankläger habe die That­fache ganz außer acht gelassen, daß La Vaupalière Hortense leidenschaftlich liebte, vergötterte. Sie mochte wohl in ge­wissem Grade von ihm beeinflußt werden, aber für jeden Un­befangenen war es klar, daß ihre Macht über ihn eine weit stärkere gewesen.

Droche endlich benüßte zunächst zu Gunsten seiner Klientin-Gegen das unzeitige Brüten der Sühner. Man seßt, die Ausführung des Vorredners, daß Courtcheuse überhaupt wie der Praktische Wegweiser"( Würzburg ) schreibt, die Brüterin in nicht an Gift gestorben sei, und stützte sich im übrigen auf aber etwas hellere Stelle ein Gefäß mit gutem Futter nebst Wasser. die dunkelste Ecke des Kellers und stellt zugleich an eine andere, das Gutachten Soubhraunes; ihr Wille sei schwach gewesen, Gewöhnlich bleibt die Henne einen Tag still fizen, nachher sucht und aber ihr Gemüt sei ehrlich geblieben und habe sie sowohl vor findet sie das Futter, sigt wieder still, und so bis zum dritten oder ihrem Beichtvater als hier in diesem Saale zum Geständnis vierten Tag, wo sie wieder in Freiheit gesetzt wird. Der feuchte getrieben. Die öffentliche Meinung protestiere gegen ihre fühle Kellerboden in Verbindung mit der Dunkelheit hat dem Tiere Schuld und fühle sich durch eine unwiderstehliche Strömung das Brüten verleidet, die normale Lebensthätigkeit beginnt wieder der Sympathie zu ihr hingezogen. Das öffentliche Gewissen und mit ihr das Eierlegen.- spreche sie frei, und so werde auch die Jury thun.

Auf die Frage des Präsidenten, ob sie noch etwas ihrer Verteidigung hinzuzufügen hätten, schüttelte La Vaupalière verneinend den Kopf, aber Hortense erhob sich und sagte:

" Ich flehe die Geschworenen an, sie mögen mir es mög­lich machen, zu büßen."

Es war Mitternacht vorüber, als die Geschworenen nach anderthalbstündiger Beratung auf ihre Sitze zurückkehrten. Ein beklommenes Schweigen herrschte im Saal. Der Obmann las das Verdikt vor. Auf die erste Frage, bezüglich La Baupalières: Ja, mit Zulassung mildernder Umstände; auf die zweite, betreffend Hortense: Nein.

Man führe Frau La Vaupalière herein!" befahl der Präsident, mühsam seine Bewegung unterdrückend.

Sie erschien. Alles erhob sich; es entstand, da sie jeder sehen wollte, ein furchtbares Gedränge, in welchem man kaum die Worte des Präsidenten vernahm:

,, Sie sind frei!"

Sie verschwand sofort wieder; im Gange wurde sie von Mederic erwartet und stürzte mit dem Ruf in seine Arme: ,, Dein fürs Leben, für ewig!"

Er trug sie nach einem Wagen, der an der Thür wartete. Nun wurde La Vaupalière hereingeführt. Da er mit den Gerichtsgebräuchen vertraut war, so konnte er aus dem Umstande, daß er nicht zugleich mit seiner Frau eingeführt worden, bereits den Schluß ziehen, daß sie freigesprochen und er verurteilt war. Zum Tode?

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Der Gerichtsschreiber verlas das Verdikt und der Gerichts­hof zog sich zur Beratung über die Strafe zurück. Alles drängte sich vor, um das interessante Schauspiel der moralischen Agonie auf seinen Gesichtszügen zu lesen. Diejenigen, die nicht das Glück genossen, auf den ersten Bänken zu fizen, lärmten oder rissen Wize.

Als der Gerichtshof zurückkehrte, mußten die Huiffiers erst die nötige Ruhe schaffen, damit man vernehmen konnte, wie der Präsident mit feierlicher Stimme das Urteil verlas: " Zwanzig Jahre Zuchthaus !"

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Kulturgeschichtliches.

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dg. Märkische Fischerei. Die Wenden, die in grauer Vorzeit zwischen Sumpf und Heide hausten, waren ein geborenes Fischervolt. Die Bewohner der Flüffe und Seen bildeten ihr Hauptnahrungsmittel. Die märkischen Dörfer liegen noch heut oder lagen doch einmal am Wasser. Wenn man in Fidicins" Territorien der Mark Brandenburg" die mittelalterlichen Landkarten mit den neueren vergleicht, kann man noch deutlich den Weg verfolgen, auf Die Altertumsfunde, die man in der Mark gemacht, gehören beinahe dem das Wasser im Laufe der Jahrhunderte zurückgegangen ist. ausschließlich dem Fischfang und seinen Geräten an. Das märkische Musenm birgt eine interessante Sammlung alten und neuen Fischerzeugs. Wendische Nachklänge findet man heut in allem, was mit der Fischerei zusammenhängt. Wie Stadtrat Friedel festgestellt hat, sind eine die Blöße, Döbel, Raab, Kulebarsch n. f. w. In den Rießen" ganze Reihe unserer Fischnamen wendischer Herkunft, so der Ueklei, unserer Städte, dem ständigen Siz der Fischer, hat man die ehe malige Rizer oder Kizier, das heißt die Fischerhütte vor sich. Ob­gleich der Strom in der Vorzeit ziemlich frei war, hatte man die Fangverhältnisse doch schon streng geregelt und das Wassergebiet. unter die einzelnen Zünfte verteilt. Raubfischerei war verboten, über die Ordnung wachten die Prißstabel" oder Fischvögte, deren einer in Spandau , der andere in Köpenid saß. Den Berliner Fischern war das Fangen auf der Spree nur bis zum Ober- und zum Unterbaum erlaubt. Am Berliner Rathause befand sich im Mittelalter ein eiserner Fisch, dessen Größe das Maß angab, unter dem kein im Garn gefangener Fisch auf den Markt gebracht werden durfte.

Medizinisches.

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ss. Bergzahnweh. Eine eigentümliche Form der Berg frankheit, die sich gegen die Zähne wendet, ist zuerst in Italien und jezt nach den Beobachtungen von Bahnarzt Hafner in Zürich auch in den Schweizer Alpen entdeckt worden. Die Schweizer Viertel­jahrsschrift für Zahnheilkunde" schreibt darüber, daß sich bei einem Ingenieur des Jungfrau- Bahnbaues nach zehntägigem Aufenthalte nebeneinander stehenden Zähnen einstellte. Das Bahnfleisch und die in 2600 Meter Höhe ein heftiger pulsierender Schmerz in 3 bis 4. wange schwollen start an. Nach 5 Tagen verschwand die ganze Er scheinung, ohne irgendwelche Beschwerden zurückzulassen, und die befallenen Zähne erwiesen sich als vollkommen gesund. Von dieser