Unterhaltungsblatt des Vorwärts
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Donnerstag, den 29. Juni
( Nachdruck verboten.)
" Das ist doch kein Vergleich," sagte Elisabeth. Sie war einigermaßen verletzt; zum erstenmal fiel es ihr auf, daß Ristemacher eigentlich nicht das größte Feingefühl besaß. Aber sie kommte ihm nicht böse sein, sie war gerührt, er entließ sie mit fo viel gutgemeinten Ratschlägen und Ermahnungen wie ein Vater seine Tochter.„ Nur nicht übereilen! Die VerJeger sehen schon, wo sie bleiben. Wenn er Ihnen ein Honorar bietet, verlangen Sie ruhig die Hälfte mehr. Schade, daß ich nicht mitgehen kann, es wäre besser!"
Luftschlösser mit goldenen Zinnen bauten sich auf vor Elisabeth, als sie zu Herrn Maier ging. Der Weg zur Königgrägerstraße wurde ihr nicht lang, ihr Gesicht war heiter, ihr Schritt zuversichtlich.
Ihre derben Lederschuhe sie stammten noch aus Meserig traten fest aufs Trottoir; über der frischgestärkten Leinenbluje blüten die rimden Wangen, der Mund lächelte. Die Vorübergehenden sahen sich nach ihr um.
Sie fummte sich leise cins; am liebsten hätte sie gepfiffen, lustig, hell und durchdringend wie die Burschen auf dem Feld, wenn der Schatz naht. Eine Ahnung kommenden Glücks war in ihr; schon fühlte sie seinen Flügelschlag.
1899
Zeitschrift verzichtet; obgleich körperlich sehr angegriffen, das Buch nahezu vollendet! Bequem zum Oktober herauszubringen."
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„ Aber ich weiß wirklich nicht" der Verleger machte ein etwas verdugtes Gesicht, worauf Sie hinauswollen?" Qu„ Ich?! Sie mißverstehen mich, licber Maier." Er wandte sich zum Gehen. A propos, lieber Maier-", er drehte sich noch einmal um worüber ich noch mit Ihnen sprechen wollte! Ich wundere mich, Sie haben ja fein einziges Talent meiner Schule im Verlag! Warum nicht? Da ist zum Beispiel die" Er dämpfte die Stimme. Jekt sprach Maier; auch leise. Es schien eine Debatte, noch dazu eine etwas erregte, werden zu wollen.
„ Nein," sagte der Autor plötzlich lauter, da halte ich es wirklich nicht für ratsam, in Ihrem Verlag zu erscheinen; ich bin ja völlig isoliert."
Maiers blasse Gesichtsfarbe spielte schon ins Grünliche. Der andere behielt immer das gleiche, überlegene Lächeln.
Sie sprachen wieder leise.
„ Nun denn, meinetwegen!" sagte plötzlich der Verleger. Es klang gereizt. Um Ihnen gefällig zu sein!"
„ Also schön! Ich halte Sie beim Wort. In circa vierzehn Lagen fönnen Sie auf mich zählen. Den unterzeichneten Kontrakt schicke ich morgen. Vergessen Sie nicht: zwanzig Abzüge auf Büttenpapier für mich!" Nach einem zweiten Es war nicht das Herrn Kistentacher so beunruhigende scharfen Blick auf das junge Mädchen verließ er das Bureau. Honorar, das locfte sie nicht, o nein, etwas ganz anderes; sie" Nun," sagte Herr Miaier, als er zurückfam, er hatte fomite es sich selbst nicht nennen. Etwas ganz Unbeschreib- den Besucher bis auf den Flur begleitet- da haben Ste bares, Unaussprechliches schwebte ihr vor im Wachen und im gleich unsern berühmtesten Autor gesehen: Wolfgang Traum. Es webte tausend Fäden um ihre Seele und verstrickte die ganz darein. Sie konnte nicht anders, sie zitterte nach jenent ungenaumten Großen.
Eisenlohr." „ Das
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das war er?!" Ein Zug großen Erstaunens flog über Elisabeths Gesicht. Den habe ich mir anders Schaffen, schaffen, mit nie ermüdender Lust. Leben, gedacht!" Leben, wohin man sieht! Nichts Staltes, nichts Totes: die So?" Maier unterdrückte ein Lächeln. Bitte, behalten Fluren leben, jeder Grashalm hat eine Seele, jeder Stein. Sie Platz, mein Fräulein." Und Stimmen flüstern im Windhauch, jauchzen, grollen im Sturm. Gestalten kommen und gehen, unverhüllt,-man sieht ihnen bis ins tiefste Herz.
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Menschen! Meine Menschen!" Neber des Mädchens lächelndes Gesicht glitt ein liebevoll warmer Ausdruck. Das Blut schoß ihr in die Wangen, sie fühlte einen Strom der Liebe zu ihrem Herzen dringen. Da war keiner zu gering. Sie hatte mit den Tagelöhnerfindern gespielt und Blicke in die Häuslerstuben gethan; sie kannte sie alle draußen, ihre Leiden, ihre Freuden. Und unsichtbare und doch starke Fäden leiteten von da herüber in die große StadtMenschen sind Menschen. Selig, wer die Kraft hat, sie zu schildern! Selig, wer mit ihnen lacht, selig, wer mit ihnen
weint!
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Sie war unwillkürlich aufgesprungen und hatte sich dem Pult genähert; hier sollte sie ihr Urteil empfangen. Eine lette Scheu mischte sich in ihre Glückszuversicht, hier hatte der große Autor gestanden! Erwartungsvoll, mit glänzenden Augen sah sie den Verleger an.
Er zog einen Schub auf; da lagen ihre Manuskripte. Er nahm sie heraus:„ Eins, zwei, drei, vier, fünf! Fräulein, ich bin nicht abgeneigt. Ihre Novellen zu verlegen. Hier, die zwei schon in dem Käseblättchen abgedruckten und die drei noch ungedruckten, giebt einen zwei Mark- Band."
Es schwindelte Elisabeth. Stand sie denn fest auf ihren Füßen? So viel Glück! So viel Glück! Sie faßte nach der Tischplatte, um sich daran festzuhalten.
Er sah ihre Erregung und nickte:„ Sie haben Glück! Elisabeth preßte die Hände ineinander, der starke Atem Andere müssen Jahre und Jahre warten," schvellte die Brust dreinial felig! Sie schloß die Augen" Ja, sehr viel Glück!" Wie beschämt sentte sie den wie sonnengeblendet sie fühlte die ganze Schöpferwonne. Kopf. Der Verleger lächelte; er ließ seinen Blick wohlgefällig auf ihrer mädchenhaften Gestalt ruhen. Sie sind noch sehr jung, Fräulein!"
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Guten Morgen, mein Fräulein," sagte Herr Maier freundlich, als Elisabeth vor ihm stand. Bitte nehmen Sie einen Augenblick Play." ,, nein," sie wurde rot ,, ich bin schon sechsundEr wandte sich wieder ganz dem Herrn zu, der mit unter- zwanzig." geschlagenen Armen und in nachlässiger Haltung am Pult" Ich hätte Sie für jünger gehalten," sagte er ohne jede lehute. Das edle Profil desselben hob sich scharf gegen das Artigkeit. Viele unserer Autoren haben sich in dem Alter lichte Fenster ab; Elisabeth konnte nicht umhin, es be- schon fast ausgeschrieben. Heutzutage ist es Mode, in den wundernd zu betrachten. Sie war enttäuscht, als er ihr das Windeln anzufangen. Es kann einer gar nicht grün genug volle Gesicht zukehrte ein selbstgefälliger Mund, ein sein. Ihr Glück, Fräulein, daß Sie nicht zu früh angefangen weibisches Kinn!
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Er betrachtete sie scharf sekundenlang. Sie errötete tief unter seinem Blick.
Aber", sagte Herr Maier Halblaut, ich wüßte doch wirklich nicht, inwiefern wir Ihnen nicht entgegengekommen wären? Wenn wir allen unseren Autoren"- sein Blick streifte das junge Mädchen„ folche Honorare zahlen müßten, dann" Er sprach nicht weiter.
haben!"
Elisabeth sah ihn offen an:" Ich hätte wohl schon eher gemocht, ich habe mich nur nicht getraut. Ich hatte zu großen Respekt!"
Er lachte. Vor wem?" ,, Vor der Kunst!"
,, und den haben Sie jetzt nicht mehr?"
,, ja, erst recht!" Sie nickte eifrig. Jezt, wo ich mich Ich bitte Sie," der andere lächelte, Sie können mich selbst mühe, weiß ich erst, was dazu gehört. Ich habe eine doch auch unmöglich mit Ihren jungen, unbekannten Autoren große Bewunderung für alle, die etwas erreicht haben." auf eine Stufe stellen, ich verlange gar kein Entgegen-" Wollen sehen, wie lange diese Bewunderung dauert," fommen, nur mehr Rücksicht, Rücksicht! Ich habe Ihnen zu Liebe auf das vorherige Erscheinen meines Nomans in einer
jagte er mit steptischer Miene; und dann, den Ausdruck ändernd, fragte er nach ihren ersten litterarischen Versuchen,