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glauben, daß dieser wilde Mann ein Lyriker ist, so zart und darauf hingewiesen, daß man mit Farben und Linien unmittelbar überfein empfindend, wie die nervöseste Frau?" Empfindungen auszudrücken vermag, und diese Ausdrucksfähigkeit beHeider wollte aufbrausen, seine schmalen, dunklen Augen mußt der Maler, er läßt die Farben und Linien ihre eigene künstlerische blizten, die rabenschwarze aufgesträubte Mähne über der breiten Sprache reden. Selbst in die Landschaft wird dieses Princip hineinStirn schien sich noch mehr zu sträuben. Aber, Herr Meier, getragen. Walter Leistikow hat zwei Bilder in der Ausstellung, die es in verschiedenem Grade verwendet zeigen. In seinem den wilden Mann will ich mir meinetwegen gefallen lassen, Walde", in dem gelbrot der abendliche Himmel zwischen den Baumaber Ihre Kritik meiner Lyrik stämmen hindurchleuchtet, sind die Bäume, obwohl das Bild noch „ Sei still, Kobes!" Erdmann zupfte ihn heimlich; er naturalistisch gehalten ist, doch so regelmäßig angeordnet, sie stehen sprach fast ängstlich und schien in Sorge, es mit dem so gerade und die Linien fallen so gleichartig steil ab, daß in dieser Verleger zu verderben. Die Anwesenheit einer Dame schien Gleichförmigkeit der Linien der Eindrud der tiefen Ruhe, der durch ihm auch peinlich, er trat von einem Fuß auf den anderen. die Waldstimmung an sich gegeben ist, noch bedeutend gesteigert Elisabeth konnte sich eines gewissen Mitleids nicht er- wird, und ebenso sind auch die Farben auf den einfachen starten Kontrast zwischen den fühlen, filbrigen Tönen der Baumstämme wehren war der schüchtern! Und einen Teint hatte er und den leuchtenden Farben des Himmels zurückgeführt. Weiter wie Milch und Blut, zu zart für einen Mann. An den noch geht derselbe Künstler in einem anderen Bilde„ Visby ", einer Schläfen sah man die blauen Adern, über der Nasenwurzel Ruinenstätte in bergigem Lande. Hier sind die Farben noch stärker zog sich ein blauer Strich; der Mund war fein und keusch, vereinfacht, auf wenige beſtimmte braune, grüne und blaue Töne, als hätte nur die Mutter ihn gefüßt. Der Hals war ängst- deren Komposition offenkundig nach ihren eigenen Harmoniegeſetzen, lich dünn und der ganze Mensch schien schwach, seine lang- viel weniger durch die Rücksicht auf die dargestellte Natur gegeben geschossenen Gliedmaßen steckten schlottrig in den Kleidern. ist. Dami aber ist die Zeichnung direkt in starken Umrißlinien einSie sah ihn voller Teilnahme an; da traf sie sein Blid, er getragen, die Ruinen find mit kräftigen Strichen umrandet, die Baumkronen als gleichförmige Flächen mit festen Grenzlinien ges hatte die scheugesenkten Lider aufgeschlagen waren das zeichnet, und selbst durch den Himmel ziehen sich, die Wolken ans Augen! Blaue, feuchte, große Dichteraugen mit einem heißen deutend, feſte Linien. Man wird zugeben, daß die schwere, Funkeln darin. Sie war überrascht. Auf diese Augen war melancholische Stimmung auch in dieser Art der Dar sie nicht vorbereitet gewesen- ein nahezu unheimlicher stellung herausgekommen ist; verständlich aber wird ein folches Bild eigentlich doch mur, wenn Kontrast! eine rein dekorative Arbeit anfieht, die vollkommen fertig erst in ihrer Ausführung als Wandschmuck, als Gobelin etwa, wird, für den eine die Flächen klar gegen einander abgrenzende Zeichnung aus technischen Gründen notwendig ist. So weit wie Leistikow in diesem Bilde gehen nur wenige der modernen Landschafter. Aber in Liebermann , Dill und Leistikow scheinen mir die Endpunkte aufgezeigt, zwischen denen die moderne Landschaftsmalerei sich bewegt; und es ist Sache der individuellen Veranlagung, zu welchem es den Künstler mehr treibt.
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Da gefiel ihr der Andere besser. Sie wußte selbst nicht warum, gleich fühlte sie sich zu ihm hingezogen. Er sah so treuherzig aus und that, als hätte er sie schon früher gefannt. Sie tamen ins Plaudern und standen abseits vom Pult. Erdmann hatte sein Manuskript vor sich hingelegt und schlang die Finger ineinander, daß die Gelenke knackten. Er hatte etwas auf dem Herzen und wand sich wie ein Aal vor dem Verleger.
( Fortsegung folgt.)
III.
Der erste Eindruck, den man auf einer Ausstellung moderner Malerei empfängt, wird wohl für jeden die außerordentliche Mannigfaltigkeit der tüustlerischen Ziele sein, die in den aufgehängten Bildern zu Tage treten. Das Streben nach Originalität beherrscht die Maler, und Anklänge, die sich bei dem einen an das Schaffen des anderen finden, werden ihm sicher zuerst nachgerechnet. Es scheint aber nicht, daß in dieser exiremen Betonung der künstlerischen Eigenart gerade ein Zeichen der allgemeinen Stärke des Kunstlebens in unserer Zeit zu erblicken ist; sie dentet im Gegenteil eher darauf hin, daß die Kunst nicht tief in den Bedingungen des modernen Lebens wurzelt, sondern loss gelöst von diesen die Bahnen, die ihr in früheren Epochen vorgezeigt waren, erst suchen muß. Der Künstler der großen Zeiten der Kunst wuchs in die Kunstübung hinein als in etwas Selbstverständliches, seine Kunst hatte ihren Platz im Leben, fie stellte bestimmte Anforderungen an ihn, und er übernahm, was die vor ihm Schaffenden erreicht, als ein Pfund, mit dem er weiter im gegebenen Rahmen zu wuchern hatte. Heute fehlt diese Grundlage vollständig. Was der Künstler schaffen will, ist Sache der Neflexion. Gewiß treibt ihn seine Begabung, aber doch mir ganz im allgemeinen. Es bleibt für ihn die Frage: Wie soll ich malen? und besonders der Zusatz: Wie soll ich malen, daß meine Bilder anders aussehen, als die der anderen? Daß jeder Künstler sich vor diese Frage überhaupt gestellt ficht, hat es dahin geführt, daß es heut fast so viele Richtungen giebt als begabte Künstler. Eins darf dabei freilich nicht übersehen werden: Dieses bewußte Streben des modernen Künstlers ist mit einer großen Energie auf rein künstlerische Werte gerichtet. Jeder will mit den Mitteln seiner Kunst und mir mit diesen wirken, das Spekulieren auf außerhalb der Kunst liegende Empfindungen ist dem modernen Maler fremd oder wird ihm, wenn er nachgiebt, als schwerste Sinde angerechnet.
Der Maler will durch Farbe und Zeichnung wirken, er will den Stimmungsgehalt feines Motivs erschöpfen; aber wir haben gesehen, wie verschieden das Gewicht sein kann, das dem einen oder anderen Element seiner Kunst beigelegt wird. Ein Gegensatz zieht sich durch die moderne Malerei hin, in dem sich diese verschiedene Bedeutung der Kunstmittel besonders scharf markiert: zwischen der einfachen Darstellung der Natur und der stilisierenden Richtung. Auch der naturalistische Maler arbeitet in seinen Bildern längst nicht mehr ohne wohlüberlegte Komposition; im Gegenteil, es ist auch bei ihn Ergebnis sorgfältigster Erwägung, wie sich das Bild dem Nahmien einfügt, wie Linien und Farben über die Fläche zu verteilen sind, Aber der stilisierende Maler geht weiter, bei ihm wird die Komposition der Farbe und insbesondere der Zeichnung zu einem start mitsprechenden Faktor der Wirkung. Man hat oft
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Das Bestreben, kräftiger in die Farbe zu gehen, beherrscht nach einer Periode der„ Graumalerei" die Maler unserer Tage fast allgemein. Wir sahen, auch in Liebermanns letzten Bildern tommt dies zum Ausdruck. Die Worpsweder , von denen einige in der Ausstellung vertreten sind, suchen die faftigeren Farben in dem Moorlande, in dem sie sich festgesetzt haben. Es will aber scheinen, daß in ihrer Entwickelung ein Stillstand eingetreten ist, nur Haus am Ende ist mit einem kraftvollen Bilde eine weite, hügelige Ebene mit reifen Kornfeldern vertreten. Auch das ist des öfteren erwähnt, daß der Abend mit seinen tieferen Tönen viele Maler stärker anzieht als das volle Licht des Tages. In Benno Beckers Florentiner Villa", die ganz in dunklen, grünen und bläulichen Tönen gehalten ist, tritt diese Tendenz bes sonders charakteristisch auf. Sehr beachtenswert ist auch der Versuch Paul Schulze- Naumburgs, in der„ Burg Planen" eine weite Uebersicht mit wechselnden Motiven, nicht nur den kleinen Ausschnitt aus der Natur zu geben: im Mittelgrunde die Burg, davor am Fuße der niedrigen Felsen ein Dorf, zu dem eine schwere steinerne Brücke führt. Im Hintergrunde liegt das weite Bergland, durch das der im Hellen liegende Weg sich hinschlängelt. Der Himmel ist bewölft, unruhige Lichter gleiten über das Land. Das Ganze ist in Tempera etwas schwer, aber kraftvoll gemalt.
In der Interieurmalerei gestaltete sich das künstlerische Problem natürlich etwas anders als in der Darstellung der freien Natur. Gewiß gilt auch hier das Licht- und Luftproblem, von der die Landschaftsmalerei ausging, aber es ist nicht möglich, bei der Nähe, in der Menschen und Dinge im Interieur vor uns stehen, dieselbe Die summarische Art der Behandlung anzuwenden wie dort. charakteristische Darstellung der Figuren, die Durchbildung der Zeichnung wird ein wesentlicher Teil der künstlerischen Aufgabe. Der Begriff Zeichnung gilt hier im weitesten Sinne; einen Kopf zeichnen heißt dann nicht nur, seine Konturen richtig an sondern die auch Innenfläche in geben, ihrer förperlichen Erscheinung durchbilden, ihn so geben, daß man durch Sie auch in ihrer Eigenart gekennzeichnete Haut das feste Knochengerist gleichsam hindurchfühlt, daß jede Fläche in ihrer besonderen Belichtung erscheint.
Daß auch für die Interieurmalerei das Licht- und Luftproblem besteht, dafür mag Ludwig Dettmanns" Crypta" als ganz ausgezeichnetes Beispiel dienen. Man sieht in das enge Gemach, Altar und dessen gewölbte Decke von Spigbogen getragen wird. Wände find wie übersät mit all dem goldenen und farbigen Gerät. Nur die Kerzen auf dem Altattisch geben dem Raum ihr zartes, feierliches Licht, in zitternden Wellen bewegt es sich durch den Naum, streicht an den Wänden, an den Spizbogen hinauf, über den Boden und über die Tische hin; ihr Schein verblaßt bald und verliert sich mählich. Dieser Kampf des Kerzenlichts mit dem Dunkel ist wundervoll zart herausgebracht. Dettmann ist nie vorher etwas jo Gutes gelungen. Auch sein anderes Bild, ein Abendmahl in einer protestantischen Kirche im hellen Tageslicht, ist, wenngleich dem Gegenstand entsprechend fühler und nüchterner, eine tüchtige Arbeit. Bekannt ist bei ihm die Art des landschaftlichen Bildes. zwei Liebende, die einander eng umschlungen haltend bei sinkendem Abend den einsamen Pfad zwischen Kornfeldern wandeln.
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