Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 138.
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Dienstag, den 18. Juli.
( Nachdruck verboten.)
Es lebe die Kunst!
Roman von E. Biebig.
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1899
Ah, Du!" Elifabeth zog sie herein; Leonore warf den toftbaren Pelzmantel ab.
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" Fühle, wie ich glühe!" sagte sie und hielt des Mädchens Hände an ihre Wangen.„ Du mußt wirklich eine andere Wohnung nehmen! Ich bin ganz außer Atem von Deinen vier Treppen. Mehr in unserer Nähe. Und dann der AufAlle Menschen waren gut; nicht einer, der nicht freundlich gang vom Hof aus, das geht doch nicht! Ich muß Dir gegen sie gewesen wäre! Elisabeth wußte selbst nicht, wie ihr rasch erzählen, wunderbar, herrlich!"' murot die Tage hingingen trübe Wintertage, und doch im gol- Was denn? Nimm Platz!" denen Sonnenschein! Sie sah ihr Buch in den Schau-" Denke, denke!" Leonore lief aufgeregt in dem kleinen fenstern der Buchhandlungen, ihre Einfachen Geschichten", Zimmer hin und her. Denke, da trifft mein Mann vor acht kostbar gebunden,- ihr dünkte der schreiende Ein- Lagen im Wintergarten Schwertfeger, Du weißt doch, den band ein Wunder von Geschmack fie las ihren neuen Direktor! Sie sind Landsleute, sie haben zusammen Namen in den Zeitungen, wurde bald hier bald auf der Schulbant gesessen. Zufällig reden sie von Littedort eingeladen, mit Liebenswürdigkeiten überschüttet, als ratur- Mädchen, hast Du ein Glück, müssen die gerade eine Persönlichkeit mit Auszeichnung behandelt und darauf kommen! Mein Mann verfehlte nicht, Deinen Namen das sollte immer, immer so weitergehen?!„ Das kommt noch zu nennen; Schwertfeger kannte ihn noch nicht. Ich hatte ganz anders!" hatte Leonore Mannhardt gesagt und befriedigt natürlich nichts Eiligeres zu thun, als ihm Dein Buch zu gelächelt. schicken; nun bedankt er sich heute bei mir und schreibt, daß Wie ein Rausch stieg es dem Mädchen zu Kopf; da er ganz entzückt sei, daß ihn besonders der dramatische Zug lagen Kritiken, ein ganzer Pack, und jede sprach ihr von Er darin sehr gefesselt habe. Da ist es mir klar geworden"- folg, von ihrent großen Erfolg! effiod susie machte eine Pause und sah das Mädchen bedeutungsvoll Was tönte in ihren Ohren nicht alles wieder?! Eine an- Du mußt ein Stück schreiben!" wunderbare bethörende Mujit mind SORG Nur Heider hatte nicht in die allgemeine Anerkennung mit eingestimmt; er hatte gesagt: Daß Sie Talent haben, Elisabeth, erkenne ich gern an. Aber es ist noch nicht reis. Ihr Buch ist eine Talentprobe, aber fein Sunstwerk." Sie wollte aufbrausen. Aber unbeirrt sprach er weiter:„ Wenn auch die Lente vor Bewunderung platt auf dem Bauch liegen, so umß ich doch
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Sie hatte ihn nicht ausreden lassen, empfindlich fagte fie: ,, Geben Sie sich feine Mühe, Sie können mir meine Freude nicht verderben und mir den Glauben an mich selbst auch nicht rauben. Ich werde fleißig sein, arbetten. Maier will mein nächstes Buch gern verlegen. Er hatte gefürchtet, dieses wäre nichts fürs Publikum; ich sollte den Titel ändern: Leidenfchaften",- ich habe auf den„ Einfachen Geschichten" bestanden. Wie lange noch, und die zweite Auflage ist nötig. Denken Sie, die zweite Auflage!" Sie lachte hell auf, glück felig wie ein Kind und klatschte in die Hände.
Er hatte die Achseln gezuckt. Wenn Sie das befriedigt!"
Sie schmollte mit ihm. Oft drängte es sie, hinzulaufen, ihm dieses oder jenes mitzuteilen, aber ihr Künstlerstolz verbot es ihr; sie war getränkt und hatte es ihm übelgenommen, daß er nicht mit einstimmte in den allgemeinen LobesHymnus. Das war der einzige bittere Tropfen in dem Freudenbecher.
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Elisabeth saß und sann nach. Sechsundzwanzig Jahre!" fagte fic laut id hielt die gespreizten Finger gegen das Licht Der Lampe . Das Viut schimmerte warm, rosig, fast glühend durch die zarte Haut noch jung, und schon so viel erreicht! Sie schloß, wie vom Schwindel erfaßt, die Augen- sie war einen hohen Berg hinaufgelaufen, in unglaublich kurzer Zeit hatte sie den Gipfel erreicht, mun stand fie atemlos oben, und min
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Sie dachte plöglich an Ebel. Noch ein paar Mal hatte fie ihn gesehen, bei Marie Ritter und zufällig auf der Straße; aber da hatte er sie nicht angeredet, sondern sie nur respektvoll gegrüßt. Sie hatte ihm ihr Buch geschickt mit ein paar Zeilen der Widmung das war sie ihm doch schuldig. Und er hatte ihr dafür in einem Brief gedankt, der weit entfernt war von jeder Schmeichelei, schlicht, ehrlich, männlich gerade so, wie sie ihn selbst zu fennen glaubte; aber aus jedem Wort sprach innige Verehrung. Sie hatte den Brief mehr mals hintereinander gelesen mid darauf niedergeblickt, bis ihr das Blut zu Kopf stieg.
Jetzt wollte sie ihn noch einmal lefen. Sie ftand langfam auf und ging wie fräumend zum Schreibtisch. Draußen rührte sich die Klingel. Elisabeth schreckte zusammen. Rasch lief sie hin Mile war nicht da und sie erwartete jetzt jeden Tag ein neues Glück. Es kam ja immer mehr, mehr, es fonnte gar nicht enden!
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Mit klopfendem Herzen riß sie die Thür auf- Leonore Mannhardt stad draußen.
Ich?!" Elisabeth war sehr verwundert.
" Ja, Du! Ich helfe Dir dabei. Ein Stück, das ist der einzige Weg, um rasch berühmt zu werden. Ein Theatererfolg ist mehr wert als hundert Bücher. Wir werden das schon machen. Schwertfeger ist uns sicher. Goedeke ist pekuniär bei dem Theater beteiligt, ich werde mit ihm sprechen."
„ AH--1" Elisabeth wußte nicht, was sie dazu sagen sollte, sie lachte anhaltend, lant und lustig.
Frau Leonore mußte auch lächeln, des Mädchens Lachen wirkte so ansteckend; aber dann sagte sie ein klein wenig ärgerlich:" Du bist kindisch!"
" Ich? Hahaha!" Elisabeth schüttelte sich. Ich soll ein Stück schreiben? Kann ich ja gar nicht, fällt mir gar nicht ein!"
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Du mußt nicht eigensinnig sein! Höre auf meinen Rat!" Frau Leonore machte ein ernſtes Gesicht.„ Nun haben wir Dich so weit lanciert, mit Glück, das mußt Du doch fagen; num mußt Du aber auch das Deinige thun!"
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,, Das Meinige?!" Elisabeth sah sie groß an, ihr Lachen war verstummt. Und habe ich denn nicht das MeinigeSie stockte.
,, Natürlich, natürlich! Du bist ein großes Talent! Du mißverstehst mich!" fagte Leonore nach einem raschen Blick in des Mädchens Gesicht.
Es flopfte an der Entreethür.
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Das ist Frau Sistemacher!" Elifabeth sprang auf. Die schellt nicht, die klopft nur."
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Wie unangenehm!" Leonore zog das Näschen krans . Das ist wohl die Zahnarztfrau? Ich wundere mich, Liebchen, daß Du Dich mit denen so angefreundet haft. Sind es denn wirklich gebildete Leute?"
" Oh, sehr!" Elisabeth ging, um zu öffnen. Sie blieb eine ganze Weile draußen; nian hörte murmeln. Dann kam fie allein zurück. Frau Kistemacher tommt gleich wieder." fagte sie. Als sie hörte, Du wärest hier, wollte sie nicht hereinkommen, sie war in Morgenrock und Schürze."
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,, Also solchen Respekt! Ich bitte Dich, das ist doch wirklich nicht nötig wenn mein Mann noch hier gewesen wäre! Aber vor mir?" Leonore lächelte bescheiden.„ Aber in der That, die Frau hat ganz Recht."
,, Sie ist eine sehr liebe Frau, und er ist wirklich ein ffuger Mensch!" Elisabeth fühlte sich gedrungen, Kistemachers herauszuftreichen und erzählte von ihnen. Leonore hörte zu, eine gewisse Herablassung in der
Miene.
Sie sind sehr gut zu mir," faloß das Mädchen. Da flopfte es schon wieder.
" Das ist ja sehr rasch gegangen." setzte sich aufs Sofa.
Frau Mannhardt
Elisabeth führte Frau Kistemacher herein. Diese war sehr rot und heiß. Ich habe noch nicht die Ehre gehabt- sehr angenehm." Sie machte der Dame im zartgrauen Tuchkleid, die so vornehm auf dem Sofa saß, eine förmliche Ver