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Herr Gantreh trat auf den ihm so gelegen kommenden Nacht-| der Gegenpriester, daß die Statuten auf einer Säule eingemeißelt wandler zu und sagte: Mein Herr, würden Sie die Güte haben, mir etivas Feuer zu geben? Der Andere blieb stehen, nahm seine Cigarre aus dem Munde und hielt sie ihm hin, und als er den Kopf erhob, rief der Bankier in fröhlichem Zone:

Wie, Du bist es, Adrien? Wo zum Teufel gehst Du denn zu dieser Stunde hin?"

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Verzeihung, mein Herr, Sie irren sich jedenfalls", versetzte der junge Mami, der instinktiv mit der Hand nach dem Hute ge­fahren war.

Her Gantrey blieb einen Augenblick, die Cigarre zwischen den Fingern, unbeweglich. Mit starren Blicken betrachtete er in eitvas berwirrter Ueberraschung sein Gegenüber, faßte sich aber schnell und fagte lächelnd:

,, Sie haben recht, mein Herr, ich täusche mich in der That, doch Ihre Aehnlichkeit mit meinem Sohn ist so außergewöhnlich

"

Er zündete ungefchidt seine Cigarre an, dankte dem Inbefannten haftig, grüßte und setzte seinen Weg nach dem Boulevard Malesherbes fort, wo sich sein Hotel befand.

II.

Als Herr Gantreh am nächsten Tage mit seiner Frau und seinem Sohne frühstückte, war er nahe daran, seinen Frrtum zu er zählen; doch gerade, als er es thun wollte, hinderte ihn etwas, ohne daß er sich darüber klar wurde, was dieses Etwas war. Mehrere Tage lang quälte ihn die Erinnerung an diese Be­gegnung. Diese Achulichkeit war wirklich unnatürlich. Nur die Stimme der beiden jungen Leute war verschieden. Doch welche Er­innerung die Stimme des Unbekannten in ihm wachgerufen, darüber

werden sollen, und daß der Vorstand für ihre strikte Junehaltung Sorge tragen werde... Man sieht, der Hergang dieser Vereinssizung ist ganz modern. Nach den Statuten muß das Aufnahmegesuch in den Verein zunächst beim Vorstand eingereicht werden. Die Mitglieder entscheiden dann selbst in geheimer Abstimmung, ob sie den sich Meldenden für würdig halten, unter die ehrenhaften Genossen des Batcheion" aufgenommen zu werden. Die Aufnahme ist mit ziem lich hohen Kosten verknüpft. Das Eintrittsgeld ist 50 Denare, cirka 40 M., der Beitrag beträgt ebensoviel. Aber in vielen Fällen ließ man eine Vergünstigung eintreten. Jedes Mitglied erhielt nach Er­legung des Eintrittsgeldes vom Priester eine Mitgliedskarte aus­gestellt, und erst dann durfte es an den Versammlungen des Vereins teilnehmen. Die regelmäßigen Zusammenfünfte fanden am neunten Tage jeden Monats statt, außerdem an den Stiftungsfesten und den Feiertagen des Vereinsgottes Dionysos  . Zu jeder Monatsversanın lung mußten die Mitglieder einen bestimmten Beitrag zum Wein zahlen. Davon befreit waren nur der Kassierer des Vereins und die Mitglieder, die bei einer mimischen Aufführung zur Unterhaltung des Vereins mitwirkten. Von dem Essen, das nach griechischer Sitte stets vor dem Gelage eingenommen wurde, hören wir wenig. Das Zechen war eben unverkennbar der Hauptzweck des Vereins. Es gab auch noch nebenbei allerhand besondere Trinkgelegenheiten. So wurden außerordentliche Freifneipen und Receptionsfneipen veranstaltet. Ueberhaupt war jedes Mitglied bei jeder sich bietenden Gelegenheit moralisch verpflichtet, seine Vereinsgenossen nicht verdursten zu lassen. Jedes frendige Ereignis im Leben eines Jobalchen" mußte von den weniger glücklichen Vereinsbrüdern mit einem fräftigen Freitrunk begossen werden. Selbst beim Tode eines Mit­glieds wurde den Teilnehmern am Leichenbegängnis ein Ehrentrunk für den Verstorbenen gereicht. Verordnungen über Ruhestörungen Nach und nach kam ihm diese Erinnerung vollständig aus dem und Schlägereien in den Vereinsversammlungen sind in aller Aus­führlichkeit vorhanden. Ungeregeltes Singen, Lärmen und Klatschen Sinn, und er hörte auf, im Publikum instinktiv nach dem lube- war verboten. Wer eine Rede halten wollte, mußte das Wort vom famiten zu suchen, der so seltsame Ideen in ihm wechgerufen hatte; Priester oder Gegenpriester erbitten; für Zuwiderhandelnde war nur manchmal sagte er sich, daß er ihn gern wiedersehen möchte. eine Strafe von 30 Obolen ausgescht. Wenn jemand sich ungebührlich Und er sah ihn wieder. Es war zwei Jahre später in einem betrug, zu streiten und zu schimpfen anfing, oder gar eine Kasino eines großen Seebades an einem Baccarattisch. Aus langer Schlägerei ausbrach, trat ein Kncipwart" in Thätigkeit, der den Weile spielte Herr Gantrey und gelvann natürlich. Er hielt die Bank, als er plötzlich ihm gegenüber den unbekannten jungen Mann Bacchusstab neben den Friedensstörer hinstellte, zum Zeichen, daß er erblickte. Inwillkürlich zuckte er ein wenig zusammen. Unter dem von der Kneipe verwiesen sei. Folgte er nicht gutwillig, so setten ihu die vom Priester bestellten hippoi", die etwa als Füchse" zu scharfen Lichte der Kronleuchter war die Aehnlichkeit noch größer. benken wären, an die Luft." Diese Füchse standen unter dem Hätte sein Sohn ihm nicht vor drei Stunden eine geschäftliche Kommando des Kneipwarts und bildeten einen Kreis für sich. Es Depesche aus Paris   geschickt, so hätte Herr Gantrey den Fremden bestand aber die Tendenz, Streitigkeiten unter den Mitgliedern inner­vielleicht angesprochen. Uebrigens fam ihm der Eindruck der halb des Vereins auszumachen, deshalb wurde auch derjenige be­nächtlichen Begegnung mit ungewöhnlicher Heftigkeit wieder. Der straft, der sich wegen einer beim Wein erlittenen Uubill an die Fremde war fein Unbekannter von damals. ordentlichen Gerichte wandte. Den Schluß der Statuten bilden die Bestimmungen über Wahl und Rechte des Vorstandes. Neben den priesterlichen Aemtern existieren die niederen Vorstandschargen, das Amt des Kneipwarts oder Fuchsmajors, des Inventarverwalters oder Kassierers, der sich auf eigene Kosten einen Schriftführer nehmen kann. Der letzte Paragraph handelt über die Ehrung der verstorbenen Mitglieder. Für jeden Toten ist ein Kranz im Wert von 5 Denaren, ca. 4 Mart, bewilligt. Die Statuten beweisen, trotz mancherlei Lücken, daß die schon im Altertum blühende Bereinsmeierei" die Vereinstechnik in hohem Maße entwidelt hatte. Theater.

Tonnte er sich nicht klar werden.

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Seine Stimme diese Stimme, die irgendwie mit der Ver­flang troden, denn gangenheit des Herrn Gantreh zusammenhing der junge Mann hatte, während er eine Reihe von Goldstücken auf das grüne Tuch warf, gesagt:

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" Fünfhundert Louisdor auf das zweite Tableau!" Herr Gautret) zögerte einen Augenblick etwas bei ihm ganz ungewöhnliches eine leise grundlose Angst erfaßte ihn, er fürchtete zu gewinnen.

Dann aber wurde er sich über seine Eindrücke kar, gab ruhig Karten und schlug mit der gleichgültigen Miene eines großen Epiclers ( Schluß folgt.)

die Nenn auf.

Ricines Feuilleton.

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-r. Friedrich Wilhelmstädtisches Theater. Des Herrn Inspektor Bräsigs Hinweis auf den Ueberschuß von Firigkeit, der das Mauko an Richtigkeit ersetzen müsse, macht sich kein Theater­direktor mehr zu eigen, als Herr Samst, der behende Leiter des gk. Ein antifer Kneipcomment. Ueber das Treiben von Musentempels in der Chausseestraße. Es giebt in der That vom Ancipvereinen im Altertum sind nur wenig Nachrichten erhalten. Tingeltangel bis zur Oper kein dramatisches Gebiet, auf dem Herr Um so mehr verdient eine Inschrift Beachtung, die die Statuten einer Samit sich nicht schon destruktiv bethätigt hätte, und so kann es dionysischen Kaltgenossenschaft aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. ent- eigentlich nur den lukundigen verblüffen, wenn der vielseitige Here hält. Sie wurde bei den Ausgrabungen des deutschen archäologischen jetzt Emile Bolas Germinal", jenes gewaltige Juftituts in Athen   in einem römischen Van oberhalb des alten Epos des Klassentampfes, für ſein Institut ausschlachtet. Der vom Grubendirektor Dionysios- Heiligtunes auf einer Säulentrommel eingemeißelt ge- lange Theaterzettel zählt gewissenhaft funden und enthielt außer den Statuten noch einen Bericht über Hennebeau bis zum Schlingel Scanlin alle markanten Gestalten des die Sigung, in der diese Vereinsordnung angenommen worden Romans auf. Aber du lieber Himmel, was ist aus ihuen gemacht war. Auf Grund dieser Inschrift, die in ihrer Bedeutung worden! Alles, was Proletarier ist, badet in einem Meer von Weh­für die Entwicklung des antifen Vereinslebens bisher zu wenig leidigkeit; und wenn der Grubeneinsturz kommt, mit dem die un­berücksichtigt worden, entwirft Engelbert Drerup   in den soeben er- freiwillige somit des Bearbeiters urplößlich die Handlung abschließt, schienenen Neuen Jahrbüchern für das klassische Altertum" ein an- so muß man glauben, daß die große Wassersnot von den vielen schauliches Bild von dem Zusammenleben der dionysischen Zechbrüder Bergmannsthränen und nicht vom leidigen Souvarine herrühre. des Altertums in ihrem Batcheion", so lautete der offizielle Immerhin soll bemerkt werden, daß in der Mührseligkeit des Stückes ein Name des Vereine. Der Veteran des Bakcheion" war Aurelius gutes Teil zeitgemäßer Tendenz stedt. Die Klagen über die verderbliche Nikomachos, der 23 Jahre das Priesteramt im Verein verwaltet Wirkung des Streits und über die schlechten Absichten seiner Leiter hatte und nun das Amt des Gegenpriesters bekleidete, nachdem er nehmen einen verdächtig breiten Raum ein. Besonders macht aber zu Gunsten des Klaudios Herodes freiwillig von der Priesterwürde die schon gekennzeichnete poctische Licenz des Bearbeiters, die den zurückgetreten war. Die Korporation hatte schon lange bestanden, Streitführer Stephan bei der Grubenkatastrophe einen jämmerlichen, and es ist nicht unwahrscheinlich, daß sie auf die klassische Zeit zurück- aber wohlverdienten Tod finden läßt. bas sociale Drama" zur geht, denn schon damals bestand der Kult der, Jobakchen"; so wurden Aufführung bei Fabrilfestlichkeiten und ähnlichen Unternehmer­die Mitglieder des Bakcheion" genamit. Die Bechlumpane würden so veranstaltungen vorzüglich geeignet. Anerkenning verdient die cine altehrwürdige Tradition repräsentieren. Im 3. Jahrhundert u. Chr. Sorgfalt der Negie. Die Massenscenen, mit denen das Stück war aber das Vereinsinteresse im Schwinden begriffen, und man beginnt gespickt ist, waren von kundiger Hand wirkungsvoll aufgebaut. deshalb mit einer Nenordnung der Statuten, die zeitgemäß aus­Mufit. gestaltet werden sollen. Der Priester und Gegenpriester berufen eine geschäftliche Sitzung ein, die neue Vereinsordnung wird verlesen Wenn wir neulich die Regimentstochter" das Hohelied der und durch Handaufheben einstimmig angenommen. Darauf erklärt| Naturwüchsigkeit nennen konnten, so gebührt der Name eines Hoch­

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