Unterhaltungsblatt des Vorwäris
Nr. 167.
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Sonntag, den 27. August.
( Nachdruck verboten.)
Joseph Conen.
1899
seinem Charakter eigentlich nichts zu thun hatte, und doch wäre dieses Etwas dazu angethan gewesen, ihn nach gewisser Richtung hin zu verändern. Sein Gesicht war abgemagert, gespannt hätte, wenn es ihr nur eine reichlichere NahrungsWarum? Weil die Kage weiß, daß das Hinterviertel zufuhr erlaubt hätte. Der Hunger hatte ihm seinen echten der Ratte giftig ist," autwortete Mrs. Elwin. Bußten Sie das denn nicht?"
Roman von John Law . Aus dem Englischen von J. Cassierer und nur lose bedeckte es die Haut, die sich gern wieder fester Warum?" unterbrach Onkel Cohn.
" Ich bin mir darüber nicht ganz klar," entgegnete Onkel Cohn. Plötzlich hielt er aber in seiner Rede inne und fragte: „ Aber sind sie auch wirklich giftig?... Wer hätte das gedacht!"
Mrs. Elwin glättete ihr seidenes Kleid und schlug mit Selbstgefallen ein Blatt in dem Predigtbuch um. Es war nicht leicht, einen Zweifler zu befehren; um so größer aber dann der Ruhm, wenn das Werk gelungen war.
Wohin gehst Du?" fragte sie Polly. " Ich habe mich mit Jos verabredet.". " Hat Jos Coney jezt Arbeit gefunden?" fragte Onkel Cohn.
Arbeit!" rief Mrs. Elwin. Ich wünschte, er hätte welche. Ich weiß nicht, was heutzutage in die jungen Leute gefahren ist. Als der felige, viel beweinte Mr. Elwin mit mir ging, da hatten die jungen Leute massenhaft Arbeit. Ich glaube, jetzt wollen sie nicht arbeiten. Mir soll man davon nicht sprechen, daß keine Arbeit zu finden ist, wenn man wirklich welche sucht?"
Bolly, wann wirst Du wieder zurück sein?" " Vor dem Gottesdienst, Mutter. Darf ich Jos zum Abendbrot mitbringen?"
Stempel aufgedrückt, ein Zeichen, das die wohl zu deuten verstehen, welche die schmerzliche Kunst, ihr Leben mit einem Nichts zu fristen, durchgemacht haben, das aber niemals von denen verstanden werden kann, die ihr tägliches Brot ohne Anstrengung und ohne Nachdenken erhalten. An seiner ganzen Erscheinung würde der verständige Beobachter sofort gesehen haben, daß der junge Mann noch kein Sonntagsmahl zu fich genommen, und er würde auch wohl vermutet haben, daß schon seit mehreren Tagen für ihn der Genuß eines Mittagbrotes in das Reich der unerfüllbaren Wünsche gehörte.
Beim Anblick der Blumenmädchen schüttelte der junge Mann den Kopf. Als er plötzlich seiner Rockärmel ansichtig wurde, deren Ränder abgestoßen waren, fuhr er mit der Hand in die Tasche. Er holte einen Penny hervor, und nachdem er dafür eine rote Rose erstanden hatte, steckte er die Blume in fein Sinopfloch. Das Blumenmädchen sah ihm zu und reichte ihm eine Stecknadel, um die Rose anzustecken. Sie würde sie ihm wohl selbst angesteckt haben, wenn nicht gerade in derselben Minute eine Hand seine Schulter berührt hätte. Sich sofort umdrehend, rief er:
„ Polly!"
" os!" antwortete das schöne Methodisten- Mädchen. unter, und als sie einen„ roten" Pferdebahnwagen frafen, Sie gingen nun zusammen den Whitechapeler Weg hinstiegen sie auf dessen Verdeck und saßen dort Hand in Hand
Nein, ich will ihn nicht haben. Wenn Du mir folgen würdest, müßtest Du überhaupt zu Hause bleiben. ch nebeneinander, ohne ein Wort zu sprechen. möchte gern wiffen, ob er es wagen wird, um Dich anzuhalten."
Polly antwortete nicht. Sie schlich sich ruhig aus dem Zimmer, und ein paar Minuten später hörte man die Hausthür hinter ihr zufallen. Onkel Cohn trat aus Fenster und sah ihr nach, wie sie die Straße hinunterging. Mrs. Elwin legte das Predigtbuch aufgeschlagen auf den Schooß und breitete ihr Taschentuch über das Gesicht.
Dieses Zeichen verstand Onkel Cohn sehr gut, er nahm feinen Hut und ging nach seinem Laden.
III.
V
Die Leute im East End geben einander ihre Liebe durch Zeichen und Bewegungen kund, aber sie sprechen nicht viel. Tags vorher hatten Polly und Jos verabredet, den Sonntagnachmittag im Victoria Park zu verbringen; sie wechselten daher kein Wort, bis der Wagen in die Cambridge Straße einbog. Dann fragte Polly:" Jos, hast Du jetzt Arbeit ge
funden?"
,, Nein!" lautete seine Antwort.
Dann verfielen sie wieder in Schweigen und ihre Gedanken gingen nach verschiedenen Richtungen auseinander.
Häufern bebaute Straße entlang gingen. Ein Kleines Haus in Hackney zu haben, erschien Polly als das Paradies. Ein kleines Haus mit Jalousien vor den Fenstern und einen messingnen Thürklopfer konnte, wie sie sich einbildete, nur glückliche Menschen beherbergen; jedenfalls bot es doch die Gelegenheit zum Glücklichwerden, und alle anständigen Leute würden eine derartige Gelegenheit doch gern erfaffen, wenn sie ihnen geboten würde.
Polly fiel es auf, welch' ganz anderes Aussehen doch hier Polly ging bis an das Ende der Straße, in der das die Leute hatten; als der Pferdebahnwagen näher nach Hackney Haus ihrer Mutter lag, und nachdem sie dann links eingebogen herankam, trafen sie Eltern mit ihren sauber und nett gewar, erblickte fie einen jungen Mann, der an der Ecke der Cannon fleideten Kleinen, junge Frauen in ihrem Sonntagsstaat Straße, welche in den Whitechapeler Weg mündet, wartete. und junge Männer, denen man das frisch genommene Er drehte ihr den Rücken zu, und feine Aufmerksamkeit war Sonntagsbad noch anmerkte, alle waren auf dem Wege nach durch ein paar Blumenmädchen in Anspruch genommen, die dem Victoria- Bart. Straße und Wege selbst sahen freundlich ihm ihre Sträuße, einen Penny das Stück, zum Kauf anboten. und heiter aus, als sie und Jos die Treppe des PferdebahnSeinem sauberen Anzug konnte man es fofort ansehen, daß wagens hinunter stiegen und eine] mit niedlichen kleinen er auf dem Lande gearbeitet worden war. Sein schwarzer Bratenrock war schon ziemlich abgetragen. Als er seinen Hut abnahm und mit feinem rotbaumwollenen Taschentuch sich über die Stirn strich, bemerkte man, daß er schwarzes Haar hatte, das er ganz furz geschoren und ohne Scheitel trug. Sonst bot seine Erscheinung weiter nichts Bemerkenswertes. Er war von mittlerer Größe, seine Schultern waren von normaler Breite; die Brust stand im richtigen Verhältnis zum übrigen Körper, die Hände waren lang und schmal, und die Finger sahen nervös aus. Hals und Geficht waren von der Sonne verbrannt, ebenso die Stirn bis zu der Stelle, auf der der Hut auffaß. Er hatte regelmäßige Gesichtszüge, das Kinn ettwas geneigt. Er trug nur einen kleinen schwarzen Schnurrbart, der feine Oberlippe bedeckte und er hatte die nervöse Angewohnheit, denselben öfters in den Mund zu nehmen. Er jah so aus, wie fast alle jungen Leute seines Kreises ausfehen; einem aufmerksamen und verständigen Beobachter Jos Gedanken bewegten sich in einer ganz anderen hätten wohl seine grauen Augen, die tief in ihren Höhlen Richtung. Er überlegte, ob er sich eine Pfeife anstecken follte lagen und große Pupillen hatten, auffallen müssen, und er hätte und heftete seinen Blick auf die grünen Bäume, die er vielleicht versuchen mögen, aus ihnen seine Vergangenheit von weitem sah, Bäume mit wirklichen Blättern, und nicht Zukunft zu lesen. verkrüppelte Stämnie nit Dingern daran, die wohl Blätter Hätte derfelbe verständige Beobachter ihn an jenem sein sollten, es aber nicht sind, wirkliche Aefte, die weit in den Sonntagnachmittag sehen können, so würde er in seiner blauen Himmel hineinragen, und einem dabei so sehr an das äußeren Erscheinung noch etwas bemerkt haben, das mit Land erinnern.
und
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"
Wer," dachte Polly bei sich, wer würde es wagen, die Solidität jemandes zu bezweifeln, der ein kleines Haus in Hackney bewohnt? In einem fleinen Hause mit Jalousien vor den Fenstern und einem messingnen Thürklopfer können nur anständige Leute wohnen, die ihre Rechnungen pünktlich zahlen, zur Kirche gehen und jeden Sonntag Fleisch auf dem Tische haben... Ach, welches Glück, in einen kleinen Hause in Hackney wohnen zu dürfen!"