Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 222.
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Sonntag, den 12. November.
( Nachdruck verboten.)
Bwischen zwei Scherzen.
Erzählung von L. Verni.
Und Dein Mann ist ein so tüchtiger Maler, ein wirklicher Künstler!" fuhr Bianca in demselben begeisterten Tone fort. Sehr tüchtig", gab Elise zurück, noch trockener als vorher. Und es entstand eine Verlegenheitspause.
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Was waren ihr diese Rosen gewesen!
1899
Bianca wurde dieser Erregung gar nicht gewahr, weil deren Gründe zu sehr außer dem Bereiche ihrer Einbildungskraft lagen. Aber zärtlich, liebevoll, ahnungslos, wie sie war, that sie tausend verfängliche Fragen und drang freundschaftlich auf eine Antwort, eine vollständige Antwort ohne Rückhalt, so daß sie schließlich die herbe Verschlossenheit Elises fast besiegte.
Jene aufrichtige und unbefangene Güte hatte eine unwiderstehliche Gewalt und drang in die arme verhärtete Seele wie eine Liebkosung.
Nach einer langen Trennung, wenn man sich so viel zu fagen hat, geht es, wie mit einer vollen Flasche, die man plötzlich umkehrt: es gurgelt und gurgelt in der Kehle, aber fast nichts kommt heraus. Und die Fülle drückt, man möchte So nahm Elise Bemerkungen hin, die aus anderm Munde mehr herausbringen, aber an der Kehle fühlt mans wie einen sie in sich selbst hätten zusammenziehen lassen wie einen gel, Knoten, daß man zu ersticken glaubt. Endlich fiel es Bianca den man anfaßt, nahm sie hin, ohne sich dessen bewußt zu ein, daß nicht alle waren wie sie, und daß Frauen auch werden. Auch ihr eigenes abgetragenes Kleid kam ihr nicht manchmal Kinder hätten.
" Hast Du Kinder?" fragte sie sanft.
" Ja, ein Kind." und die Schleusen der Herzen öffneten sich. Sie hatte ein Kind! ein liebes, süßes Mädchen, aber so zart, so fräuflich! Es war eine Seelenpein, sie so leiden zu sehen! Und jetzt mußte Elise auch fort, schnell fort, denn die Kleine war allein zu Hause.
,, Gut, geh schnell", sagte die Freundin, ich begleite Dich." Elise sah unzufrieden aus; dann sagte sie entschieden: ,, Nein, komme nicht mit; wir sind arm, weißt Du. Unser Haus ist nichts für Dich."
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zum Bewußtsein, der völlige Mangel jeden Schmuckstückes sie hatte nicht einmal ihren Trauring. Der Kontrast zu jener anmutigen kleinen Frau in dem herrlichen Belz, mit dem Hütchen voll Blumen und Federn, den beiden riesigen Brillanten in den kleinen Ohren nein, all das kam ihr nicht zum Bewußtsein. Diese Einzelheiten in dem weichen eleganten Wagen trugen auch dazu bei, einen Zustand harmonischen, träumerischen Wohlseins in ihr hervorzurufen. Und Blatt für Blatt öffnete sich ihre Seele wie eine Blume unter den Strahlen der Sonne.
Wie viel wurde in der halben Stunde, während der Fahrt von der Villa der Gräfin Sassonuovo zu Elises Wohnung gesagt, wie viel verschwiegen? Konnte Elise, die freilich eine romantische Heirat gemacht hatte, aber gegen den der sie gehörte, konnte sie jemals all die moralischen Wunden, all das Widerwärtige und Gemeine aufdecken, die diese Che für sie zur Folge gehabt hatte? All die schmählichen Ausvege, die Schulden und so weiter? Und wie viel von alledem hatte die rosige Bianca aus den flüchtigen Anspielungen verstanden, sie, die immer in parfümierter Welt gelebt hatte?
Bianca wurde ganz rot. Was lag ihr an dem Hause? Das Kind, die Kleine wollte sie sehen. Und während sie die andere. liebevoll zwang, einzutreten und sich zu setzen, fügte sie hinzu: Sich auf die Uhr, es ist eben zehn, ich habe Willen der Eltern, ohne die Zustimmung der Gesellschaft, zu gerade Zeit: Alberto frühstückt bei Thompson, ich bin feierlichst 31 Tante Jda eingeladen hent' ist ihr Namenstag in einer Viertelstunde ist der Wagen zur Stelle. Wenn Du einstweilen das Album anschen willst... Ich ziehe mir schnell ein Kleid an und in fünf Minuten bin ich wieder hier
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Aber aus den fünf Miniten wurden zehn, vielleicht fünf- Gewiß ist, daß Bianca nicht erstaunt war, sich auf einer zehnt, und Elise, die sich zu Anfang in den Sessel zurück- engen, dunklen, steilen Treppe zu befinden, auch nicht, als sie gelehnt hatte, mit dem einzigen Wunsche, sich auszuruhen, einen Ausdruck des Efels auf dem Gesichte der Freundin sah mit der lässigen Aumut der Frau, die sich in ihrem Element bei dem Tone einer männlichen Stimme, die dann glücklicherbefindet, began sich umzusehen: schwere Vorhänge aus rotem weise in der Ferne verhallte. Wenn sie sich auf dem letzten ganz durchlöchert
Damast, alte Delbilder, all' die tausend wertvollen Nipps- Teile der Treppe, die aus Holz war uns auf dem letzten
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sachen fostspielig und überflüssig, wie manche desserts und bei jedem Schritte knackte, eines Gefühls der Beängstigung alles voll, übervoll, auf jedem Tisch, in jeder Ecke, an jeder nicht erwehren konnte, so vergaß sie doch, an der Thür anWand chivas, und etwas, das augenscheinlich sehr wertvoll gelangt, alles andere über dem Verlangen, die Kleine zu war, ein aufdringlicher Luyns, der nicht unbeachtet bleiben sehen. Während Elise den Schlüssel umdrehte, schien ihr plög. wollte. Und je länger Elise hinsah, umso mehr richtete sie lich ein Gedanke zu kommen; sie wandte der Freundin ihr sich auf und nahmt wieder ihre steife und abweisende Gesicht zu ein so sorgendolles Gesicht--: Haltung an.
Als Bianca zurückffam, fand sie die Freundin auf einem fleinen Rohrstuhl, steif wie eine Statue.
Wie viel schöne Sachen Du hast", sagte sie leichthin, als wolle sie plößlich den Ton der Gesellschaft anschlagen, die zu diesem Salon gehörte.
" Ja," antwortete Bianca beim Hinausgehen, alles Albertos Verdienst. Das Empfangszimmer hat er eingerichtet. Wenn ich Dich zu mir hineingeführt hätte, wären wir gar nicht mehr fertig geworden. Denke Dir, ich habe sogar noch das Nadelkissen mit dem Vergißmeinnicht, das Du mir ein mal zum Namenstag gestickt hast."
Und unter dem Einfluß dieser liebevollen Wärme, der sie unwillkürlich unterlag, taute Elise von neuem auf.
Als sie im Wagen waren, schon am Fuße des Hügels, auf dem die Villa lag, rief Vianca mit leichtem Bedauern aus: Wie schade! wir hätten die Rosen, die in der Vase find, mitnehmen können... Hat Deine Kleine Blumen gern?"
Verzeih, aber mir fällt ein, daß Mary nie einen fremden Menschen sieht; ich möchte nicht, daß es sie aufregte... verzeih... ich benachrichtige sie vorher... warte einen Augenblick hier..." Und dann ließ sie Bianca auf dem Treppenabsah stehen.
Die Wohnung war sehr eng, so daß Bianca nicht anders fonnte, als alles verstehen. Ein leises Flüstern drang an ihr Ohr; erst sprach Elise, dann eine kleine schrille Stimme, schwächlich, aber entschlossen:
„ Nein, nein, ich will niemanden; nur meine Mama. Ganz für mich. Niemanden will ich, niemanden!"
Und dann wieder das leise Flüstern, Elises Stimme, die augenscheinlich zu überreden suchte, aber sauft, ohne Eifer. Für sie waren jetzt die Wünsche ihres Kindes heilig geworden, etwas, denen auf alle Fälle gewillfahrt werden mußte. Beim Tone des Kinderstimmchens, das immer schriller und kreischender wurde, in einer krankhaften Aufregung, fühlte sich Bianca das Herz zusammenschnüren. Sicher war es besser, ein Ende zu machen; es war auch so talt auf dem Treppen,, Ach! und wie gern!" sagte die Mutter Teife, und beinahe abjak. Und sie stieß die Thür auf. Sofort verstummte die traten ihr die Thränen in die Augen. Bianca hatte in eine Kinderstimme: Die kleinen mageren Aerichen, die um den offene Wunde gefaßt, denn die arme junge Frau war gerade Hals der Mutter geschlungen waren, santen herab, das darum, um ihrem Kinde eine Rose zu bringen, nach schmerzlich verzogene Gefichtchen glättete sich, von einem der es schon lange verlangte, bis nach den Hügeln von sanften Lächeln erhellt. Fiesole gegangen. Aber wie hätte sie die fünfzig Centimes zahlen können, die der Gärtner dafür verlangt hatte! Und Bianca hatte ein Dugend Rosen bei der Hand gehabt! Deshalb that ihr der. Ton flüchtigen. Bedauerns weh.
Oh, Mama... ist es die Mutter Gottes?" rief die Kleine, voll Bewunderung die Vision auschauend.
Ach über die glückliche, wohlthätige Sicherheit dessen, der immer gern gesehen, inner bewundert und geliebt worden