963

emporfteigen. Hat man aber erst, so falluliert die Socialdemokratie, und Geschwister, sondern auch viele Aftermieter, Schlafburschen, und die Kinder durch Arbeitsentziehung um die Möglichkeit gebracht, Schlafmädchen gemütlich Hanſend in einem traulich engen. vorwärts zu kommen, so werden sie um so widerstandsloser später Raum. Und sie sollten auch frühzeitig allerhand Nüßliches lernen: der revolutionären Verführung zum Opfer fallen. Hunger, Siechtium und Arbeit, damit sie dann, gestählt im Kampf

-

Ebenso war das geplante, aber glücklicherweise verhinderte ums Dasein, Ruhm und Neichtum erwürben. Attentat auf die Kunst, das durch das gewünschte Verbot theatralischer Es begab sich aber, daß die gute und schöne Fee das zehnte Schaustellungen von Kindern versucht wurde, ein wohlüberlegtes, Kind zu denselbigen Eltern bringen wollte, die nichts zu beißen und tendenziöses Parteimanöver. Die Kunst erfreut des Menschen Herz, sie zu nagen hatten. Und als sie an der Thür, durch dessen Schlüssel­erzeugt nicht nur das Wahre, Gute und Schöne, sondern auch jene loch der Duft kochender Wäsche anmutig flatterte, bescheidentlich Zufriedenheit und Wunschlosigkeit, die in einem geordneten Staatswesen flopfte, erhob sich drinnen ein gewaltiges Schimpfen: Man habe stets belohnt wird. Das soll aber nicht sein, und darum soll die genug Jöhren, und wolle keine mehr. Und die zornigen Elterir Kunst verhindert werden, indem man die Aufführung von Kinder- riegelten sogar die Thür zu. Die Fee aber hatte zarte Nerven und rollen verbietet. Daß sich der socialdemokratische Haß insbesondere wagte es nicht, bei den Wütenden das kleine Geschöpf abzugeben. gegen Schillers Don Carlos" richtete das Stück ist unmöglich Thränenden Auges schlich sie mit dem Bündel die Treppe hinunter. ohne die dreijährige Infantin, die doch schlechterdings selbst auf wie sie nun auf dem Hof war, begegnete ihr eine zweite gee. Die cinem Hoftheater nicht von einem Unteroffizier gespielt werden fragte sie nach der Ursache ihrer Thränen, und als die andere ge­fann ist sehr begreiflich. Man empfindet das Wort des Marquis hört, wie übel man ihr mitgespielt, sagte sie tröstend: Bosa, eines fast ebenbürtigen, nicht nur bluts, sondern auch seelen­verwandten Ahnen unseres Staatssekretärs des Junern: Geben Sie Gedankenfreiheit" als gefährlich für diese Partei des Terroris mus und der Unterdrückung. Keine Gedankenfreiheit, fein Don Carlos, leine Infantin und darum keine Schaustellung von Stindern das ist die nichtswürdige Folgerichtigkeit der Hetzer und Agitatoren!

" 1

Gieb mir nur das Baby; ich werde es den Leuten schon beis

bringen!"

"

"

Aber sie haben die Thüre versperrt," seufzte die erste Fee. Dann trete ich sie ein, ich habe derbe Stiefel," sagte die

andere.

Da faßt die erste Fee Vertrauen und übergab das Kind zur­Ablieferung der anderen.

-

Bei Kommerzienrats   war ein Junge geboren, August mit Namen.

Wir erkennen ohne weiteres an, daß die Berliner   Stadtverord Die andere Fee aber war eine böse Fee. Kaum war die gute neten Versammlung die demonstrativen, von schnödester Parteiselbst weggegangen, da verzog sie grinsend das Gesicht und sagte zu sich: fucht eingegebenen socialdemokratischen Anträge mit gebührender" Das Valg soll es nicht so gut haben. Die oben können lange Energie zurückgewiesen hat. Dennoch können wir auch der Mehrheit warten. Ja, mein Püppchen" dabei fuiff sie boshaft das Balg den Vorwurf nicht ersparen, daß sie nicht ganz frei von socialistischer in das Aermchen" Du sollst an mich denken; ich werde es dem Antränkelung ist. Die Mitglieder werden nicht eher völlig senchen Wurm eintränken." frei werden, bis sie nicht das schöne Anerbieten des Geheimrats Da verließ die böse Fee das Haus in der Ackerstraße, barg das Spinola annehmen, und einige Monate zur Gesundung Freibetten Kind in die Markttasche, die sie bei sich trug, setzte sich in seiner Charité beziehen. Alsdann werden sie einsehen, daß die Kinder die Straßenbahn und fuhr weit, weit, weit. Endlich war sie am nicht zu viel, sondern zu wenig beschäftigt werden. Die Kinder Ziel. Es war finstere Nacht, der Sturm heulte, und schaurig ächzten sind heute noch vielfach ein totes Sapital. Schon der alte eng- die fahlen Bäume der Tiergartenstraße. lische Dichter Swift hat auf die volkswirtschaftliche Bedeutung der Babys hingewiesen, die ein ebenso billiges wie schmackhaftes Bolts nahrungsmittel abgeben könnten. So weit können wir nun heitte, Die Nache der boshaften Fee war geglückt. August war statt schon wegen unserer dem Jahrhundertswechsel schuldigen Humanität, nach der Ackerstraße, wie die gute Fee gewollt hatte, nach der Tier­nicht gehen, immerhin dürfte die Einführung obligatorischer Kindergartenstraße verschleppt. arbeit von der Geburt an eine durchaus zweckmäßige und durch führbare Forderung sein. Schwierigkeiten mag ja die Ausbeutung Ser Arbeitskraft des Säuglings machen. Es können leider nicht alle Kinder im ersten Lebensjahr zum Regieren von Gottes Gnaden unter mütterlicher Vormundschaft verwendet werden. Wohl aber fanit man von den Fortschritten der Technik erwarten, daß demnächst eine Vorrichtung erfunden werde, mittels deren die int Strampeln der Säuglinge produzierte Straftleistung zur Bewegung. von Nähmaschinen verwendbar wird.

Gleich mit der Geburtsstunde begann für August das Elend. Er hatte für sich allein zwei große Zimmer. Eine Amme, ein Kindermädchen und eine französische   Bonne bewachten ihn. Seine Wiege war wie eine Blüte von Brüsseler Spiken. Jede halbe Stunde bekam er meite Betten aus Seide und Eiderdammen, und jegliches wurde mur einmal benutzt.

Und so ging die Not weiter.

-

Ein bildschönes Kind" fagte jeder, der August fah.

Der

So ward August in Spiel und Freude sieben Jahre. Jammer dieser Lebensweise schien dem Knaben kaum noch zu er tragen. Er verzehrte sich in einer unbestimmten Sehnsucht, ohne darüber an Rundlichkeit einzubüßen.

Inzwischen hatte endlich die gute Fee von dem abscheulichen Streich erfahren, den die böse Fee ihr und dem armen August ge spielt. Und eines Nachts erschien die gute Fee am Lager des Knaben, blickte ihn sanft an imb flüsterte: Unseliges Opfer eines Betruges, ich will Dich aus Deiner Not erlösen! Dit sollst Deine Heimat wiedersehen!..."

August wurde dick und rosig. Jeden Tag zerbrach er für Hundert Thaler Spielzeug, er fuhr und ging spazieren, jede Arbeit wurde Vom zweiten Jahre ist es dann leicht, die angemesseit Harte ihm ferngehalten, dafür mußte er nach dem Beschluß der bösen Thätigkeit zu finden. Die nutzlose, volkswirtschaftlich unproduktive, Feedett ganzen Tag lachen, fingen und umhertollen. Er war und Geist und Gemüt verödende. Spielsucht der Kinder muß imintanständig gesund und frevelhaft glücklich. Dienst der Jndustrie, des Handels und Verkehrs fruchtbare Ver wendung finden. Ist es nicht schließlich für ein Stind eine edlere Beschäftigung, statt im übermütigen Spiel die Treppe hinunter­zufallen und das Genick fich zu brechen, an irgend einer Gewerbe­frankheit im Dienste der allgemeinen Wohlfahrt zu verenden? Selbstverständlich ist auch der Schulunterricht. eine zinslose Spielerei. Die Generation wird dadurch verweichlicht und ihrem Berufe ent­fremdet, unter der Führung hochherziger und hochintelligenter Unter­nehmer volkswirtschaftliche Werte zu schaffen. Gerade die Kindheit ist mehr als jedes andere Alter geeignet, treu und fleißig mit voller ausschließlicher Hingebung dent befeuchtenden Kapital zu dienen, fehlen doch in diesen Jahren noch die verwüstenden m nächsten Morgen war August aus der Tiergartenstraße vera Leidenschafteit, die später von dem ernsten Beruf ablenken und schwunden. Dafür war die Familie in der Ackerstraße um ein Mit­in wilden Genüssen dem Unternehmer einen erheblichen Teil der glied reicher. Und hier begann für August ein rechtes, herrliches Arbeitskraft entziehen. Leben, das ihn schlaut machte und die unedle Nöte von seinen Wangen löfte. Früh um 4 Uhr erhob er sich von seinem Strohsack, den er mit den jüngeren Geschwistern teilte, und trug dann treppauf treppab die neuesten Zeitungen aus. Nach Hause zurückgekehrt, schnitzelte er aus Holz hübsche Tiere und bot sie nachmittags zum Verkauf aus. Des Abends und Nachts aber wanderte er durch die Sneipen, Streichhölzer, Pfefferminzplätzchen, Apfelfinen und Zimmet bregeln feilbietend. Unwillig legte er sich dann für ein paar Stunden zu Bett und Harrte ungeduldig auf den Morgen, um die Arbeit wiederzubeginnen. Hatte er hier fund da einmal ein paar Extras Pfennige beiseite bringen können, so fanfte er sich dafür fromme Schriften und vaterländische Bücher. Augusts Thätigkeitstrieb wuchs noch, als ihm ein Kamerad gesagt hatte, daß für besonderen am Ende als Lohn ein in der Charité gewährt würde. Freibett Seitdem war dieses Ziel der: Traum seines Ehrgeizes. Indessen dem braven Knaben sollte noch. reichere Spende werden.

Bedauerlicherweise sind solche vernünftigen Anschauungen über den Segen der Kinderarbeit immer noch nicht zur allgemeinen Geltung gelangt, und es ist deshalb zu begrüßen, daß unser verehrter Mit­bürger, der Direktor der Charité, sich der Mühe unterzogen hat, in poetischem Gewande die neue Lehre zu predigen. Noch rechtzeitig vor Weihnachten werden erscheinen:

Abgehärtete Weihnachtsmärchen für arbeitende Kinder

Voit

Geheimrat. Spinola.

Da jeder Käufer des Buches als Prämie ein Freibeit in der Charité erhält, so wird dieses Werk des patriotisch gesinnten Manues zweifellos die verdiente Verbreitung finden, zumal sich seine Phantasie auf den höchsten Wogen schaufelt und das Lehrhafte in den schimmernden Schleiern solider und preiswürdiger Poesie erscheint. Aus den uns gütigst zur Verfügung gestellten Aushängebogen wollen wir zur Probe das folgende stimmungsvolle Märchen mitteilen: Der selige August.

Es war einmal eine gute und schöne Fee. Die brachte den Menschen die kleinen Kinder. Weil sie aber gut und edel war, darum ging fie immer nur zu den Armen und Aermisten, und gab sie auf dem dritten Hof, Seitenflügel int fünften Stock ab. Die lieben Kinder sollten eben immer hübsch Gesellschaft haben, nicht nur Eltern

und Eifer

Weihnachten war in diesem Jahre sehr falt. Es war heiliger Abend. Der Schnee firschte unter den Schritten der heimwärts eilenden Menschen. August hatte heute vergeblich mit seinem Korbe die Wirtshäuser durchstreift. Niemand hatte ihm auch nur für einen Sechser abgekauft. Ohne Erlös aber mochte er nicht heimkehren. So strich er rastlos durch die Straßen. Hinter den Fenstern flammten die Weihnachtsbäume auf und man hörte das Lachen von Kindern.