Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 249. juli Donnerstag, den 21. Dezember. do

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Elfe.dont ho moted

1899

G( Nachdruck verboten.) müße, die kleine, braune Mühe mit rosenroten Kinnbändern, welche aus dem unverwüstlichen Flohmantel zusammen ge näht war. out slibur

Von Alexander 2. Kielland. Aus dem Norwegischen von Leo Bloch  . Es war Licht in die Nacht der Erniedrigung gekommen, in welcher Else sich so lange herumgewälzt hatte. Gedanken aus ihren guten Tagen, die sie sonst fürchtete und wegtrank, tamen wieder, ohne daß es ihr weh that. Sie konnte wirklich in der halbdunkeln Kirche sizen und an ihre kleine Stammer bei Madam Spädbom denken. Denu Fräulein Falbe hatte das schlimmste von ihrer Schande ausgelöscht, sie fühlte sich vom Kopf bis zur Zehe reingewaschen, und mitten in alledem freute sie sich auf die Grüße.

Aber die Glocken, welche eine Weile gedämpft und gleich­sam hoch oben angeschlagen hatten, fielen jetzt mit großen, starten Schlägen ein, welche die Stirche füllten, daß es in den Ohren mitklang.

din Eine der Scheuerfrauen rückte zu gleicher Zeit ihr Licht so, daß alle die geschnigten Köpfe an der Kanzel hervor tamen. Jaid of Else stierte sie an, und ihre Augen folgten dem schwachen Licht in alle Winkel der Kirche über die hohen Bögen, wo neue Stöpfe zwischen ausgehauenen Steinblumen und Laub­werk erschienen.

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Und der starke Glockenton schien ihr schließlich aus der erleuchteten Kanzel zu strömen ganz wie damals, als sie bebend vor Madam Späckbom saß, während der Priester gegen die Sünden donnerte und harte Worte von Hölle und jüngstem Gericht über ihren Kopf ausschüttete; und nun hatten sich alle diese harten Worte hier und dort zwischen den Stein­blumen versteckt und steckten die Köpfe heraus, um zu sehen, ob sie da wäre.

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Ein Mann stieg aus einer Fallthüre in die Chordiele herauf, nahm die Laterne und näherte sich. Auf der weißen Wand fuhr sein Schatten wie ein langer, schwarzer Teufel, der sie holen fam. Sie sah ihn näher kommen; die Angst lähmte ihre Glieder, sie fonnte nicht von der Bank auf sie war festgebunden;-sie war eingesperrt allein in der Kirche eingesperrt; und da kam er, die Laterne schwingend, die Glocken brüllten ihr gleichsam ins Ohr; halb von Sinnen fuhr sie mit einem Schrei auf und lief; er war dicht auf ihren Fersen; tausend Köpfe und spike Finger zeigten auf sie: da ist sie dadasie stürzte sich auf die offene Thür, fie war draußen fie war erlöftschten es ihr erlöst aus den eigenen Krallen des Bösen.-- Das war nach aller Meinung ein rechtes Weihnachts­wetter; sternklar und gerade so kalt, daß man sich in seinem Belzwerk wohlbefand.

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Else stürzte fort zur Arche. Oben bei Falbes war Licht; aber sie hatte den Schreck aus der Kirche noch nicht ver­wunden, und sie wagte nicht, sobald hinauf zu gehen.

Deshalb schlich sie sich in Madam Späckboms Hofraum, wo sie sich so gut austannte. Ein Talglicht brannte auf der Küchenbank; Floh guckte hinein; aber niemand war da. Sie befam eine unwiderstehliche Luft, hineinzugehen; es sah so aus, als ob sowohl Madam wie das Dienstmädchen aus wären. Sie konnte aus alter Zeit die Klinke auf eigene Art heben, so daß man es nicht hörte.

Alles war wie früher; sie kannte jedes Ding, auch den Geruch in der Küche. Ein Teller mit Butterbrot stand auf der Bank. Floh war ungeheuer hungrig; aber sie rührte es nicht an; jetzt sollte sie ja gleich auf ehrliche Art Essen   be­tommen.

Aber um nicht versucht zu werden, öffnete sie vorsichtig die Thür zur Stube; da war auch niemand.

Die Gaslaterne draußen an der Ecke stand mitten vor einem der Fenster, so daß es im Winter in der Stube immer halbhell war, und auf dem Tisch sah Else drei, vier große Pakete liegen. Floh kaunte den Brauch des Hauses so gut, daß sie wußte, daß es Kleider und Effen war, das Madam Späckbom am Christabend an ihre Armen verteilen wollte.

Indem sie halb neugierig, halb gedankenlos jedes Paket befühlte, warf sie schließlich etwas auf den Boden.

Sie nahm es auf und besah es im Gaslicht. Elfe kannte das kleine, weiche Ding: es war ihre eigene Kinder­

Sie konnte sich nicht mehr der Zeit erinnern, als sie selbst die Müze getragen hatte; aber oft hatte sie in Madam Späckboms Schublade gesehen, und jedesmal sagte Madam, daß sie sie für ihr erstes Kind haben sollte.

Jetzt mußte sie also ganz aufgegeben sein; ihre Mühe das Einzige, was sie auf der Welt besaß, sollte ein anderer bekommen.

Sie drückte die Mütze an ihr Gesicht; aber als sie den alten Geruch von Madam Späckboms Schublade erkannte, brach sie in Thränen aus.

So stand sie eine Weile und weinte über ihre Kinder­müße, während ihr Mut sant und sank, bis sie etwas auf dem Gange hörte; da steckte sie die Müze in die Tasche und schlich sich auf dem Weg hinaus, den sie gekommen war. Die Uhr mußte über sechs sein; Fräulein Falbe wartete sicher. Floh überwand sich, in die Hausthüre zu gehen und die Treppen herauf. Aber bei Falbes Thür blieb sie stehen und horchte. Christian ging auf und nieder wie gewöhnlich; durch das Schlüsselloch konnte sie bloß seinen Schatten sehen, welcher auf der Wand kam und ging. Es war klar, das Fräulein war noch nicht heimgekommen. Floh fühlte, daß es ihr unmöglich wäre zu ihm allein hinein zu gehen, sie wollte lieber draußen warten bis Fräulein fäme.

Aber auf einmal schien es ihr, daß er sich der Thür näherte; erschreckt flüchtete sie einige Stufen die Bodentreppe hinauf: und während sie dastand und horchte, ob er heraus fäme, hörte sie von oben einige Töne, wie sie nie zuvor ge­hört hatte.

Es war weder die Trommel, noch die Flöte, noch das Klavier, sondern lange, klagende Töne, weich und geheimnis­voll- als ob sie all ihr Elend kennten und sie zu trösten kämen.

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Als sie vorsichtig die Thür zu Schirrmeisters Kammer öffnete, sah sie den alten Mujifanten aufrecht vor der Lampe  stehen; er spielte Violine.

Das Licht fiel gerade in sein kleines runzliges Gesicht; aber die feuchten, schwammigen Augen hatten einen eigenen Glanz, und mit einer würdevollen Verbeugung begrüßte er Else.

Er hatte seinen alten Rücken gerade gerichtet, und während der Arm mit altmodischer, steifer Eleganz den Bogen führte, beugte er den kleinen Stopfer war tahl wie ein Rettich lauschend über die Violine.

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Seit Jahr und Tag hatte er sein Lieblingsinstrument nicht gespielt. Aber heut abend war es so wunderbar über ihn gekommen; er nahm die Violine vor, flickte die Saiten einigermaßen zusammen und mun spielte er seine Jugend, seine Träume, feine fleinen Triumphe und seine große Niederlage.

Er spielte Prume und Rode und schließlich das Adagio von Spohr, welches ihm den Beifall des Meisters verschafft hatte, und er spielte ohne auch nur einmal fehl zu greifen- rein und korrekt, wie es der Meister haben wollte.

Da war nichts mehr von den verhungerien Noten­schreiber und dem versoffenen Musikanten. Mit zurück­geworfenem Kopf und weit offenen Augen stand er da im Licht der rußigen Parafinlampe, und bei seinem Spiel wurde die Dachkammer zu einem Stuppelfaal mit hundert Lampen und Reihen von atemlos lauschenden Herren und Damen Das Elend fiel von ihm ab, und der Künstler stand wieder da; und der halberloschene Junte in seiner Seele schlug auf in herrliche Glut, als ob ihm die Musik vergäbe Mujit, welche er geliebt und verraten hatte; schließlich kam der große Meister, legte die Hand auf seinen Stopf und sagte: Er wird es weit bringen."

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Mit dem Instrument unter dem Arm und gesenktem Bogen verneigte fich Anton Schirrmeister in der Stube. Darauf legte er eilends die Violine in den Kasten, schlug das Schloß zu und warf sich auf einen Stuhl, die Hände vor den Augen. Aber als er etwas später auffah, faß Floh mitten vor ihm auf der Kiste an der Thür. Auch fie hielt die Hände vor den Augen.