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nicht mehr ganz zu zerstören, und indem er sich straff aufrichtete, so weit es seine fleinen neuralgischen Zufälle gestatteten, rief er:
Ju der That! Was war denn jener, wie ein Gott angebetete Bismarck mehr als ich! Kann ich dafür, daß sich seine pommerschen Grenadiere besser schlugen als meine einfältigen Hochländer. Eine kindische Welt, die das bißchen Erfolg zum Maßstab des Werts erhebt indeß, ob kindisch oder nicht
ich will den Erfolg"
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Die Weihnachtsgloden tönten unablässig. Sie schienen immer lanter, wilder, orgiastischer zu klingen. Es war wie eine rasende Hezjagd nach dem Frieden, wie eine Ekstase der heiligen Stille und der brünstigen Weltliebe, wie ein wahnsinniger Rausch der Verföhnung und Verbrüderung.
Herr Chamberlain ergriff die Feder und schrieb eilig ein paar Zeilen auf einen Aftenbogen.
Es war der Befehl, eine Million Soldaten nach Afrika zu senden.
Die fromme Stimmung der Christnacht war über den Minister gekommen. Er kniete nieder, und betete lange, mit zudenden Lippen immer dieselben Worte wiederholend:
,, Gieb mir den Sieg, gieb mir den Sieg, und wenn das Waffer von London bis Kapstadt vom Blute sich röten müßte." Joc.
( Nachbruc verboten.)
Die Flüchtlinge.
Erzählung von Jwan Rajansti.
Raten Sie, wo ich im letzten Jahre die Weihnachtsgaus berzehrt habe," sagte Freund Konstantin und fuhr sich mit der Serviette über den weißen Bart, auf dem die Sauce in kleinen Tröpfchen perlte.
Wir wußten, daß sich unser Freund damals in seiner Heimat, in Rußland , aufhielt, und deshalb antwortete ich:
Sie haben jedenfalls in Ihrer Familie eine schöne Weihnachtsgans verspeist, Sie am Ufer eines Ihrer sibirischen Flüsse erlegt worden war, eines jener Flüsse, die breiter sind als unsere Meere." Konstantin schüttelte den Kopf.
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Sie errötete und verließ das Zimmer.
Der Großvater hatte sich fast zu meinen Stiefeln niedergekauert. Seine Augen schienen das Geflügel zu verschlingen. Von Zeit zu Zeit sah er mich an und lachte noch immer.
Man hätte wahrhaftig glauben können, unser Wirt habe nur auf diesen Zuwachs von Gästen gewartet, um sein Weihnachtsmahl zu teilen; es standen an jenem Abend alle Leckerbissen auf der Tafel, die ein sibirischer Muschit sich nur einmal im Jahre zusammen leisten fann; erstens die vorschriftsmäßige Kohlsuppe, der Tschi", dann Käse mit Butter, dann Rindfleisch, dann die berühmten gebratenen Gänse und endlich Cedernisse, um uns die Kehle und Zunge vom Fett zu reinigen, während das Ganze mit Kwaß" und Branntwein angefeuchtet wurde.
Das Mahl war in der Feststube aufgetragen worden, die man uns zu Ehren geöffnet hatte.
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mein
Wir waren im ganzen etwa zehn Personen bei Tische Kutscher und ich, wir saßen ganz oben, auf dem Gastplate. Als ich in diesen großen Saal eintrat, hatte ich am Fenster einen kleinen Tisch bemerkt, auf dem eine angezündete Lampe, ein Topf mit Kwaß und Brot standen; jedesmal, wenn eine neue Schüssel aufgetragen wurde, erhob sich die älteste Tochter und legte eins der besten Stücke auf diesen Tisch.
Neugierig fragte ich den Muschik:
Ein Gast, der Dir teuer ist, scheint das Fest versäumt zu haben? Oder hast Du einen lieben Verwandten im Hause, der frank darniederliegt?"
Alle schwiegen, und die Blicke der Gäste wandten sich unserem Wirte mit so augenscheinlicher Verlegenheit zu, daß ich ganz verwirrt wurde; doch er erwiderte, ohue fich den geringsten Zwang aufzuerlegen, mit ernster Stimme:
Dieses Brot, diese Lampe und dieses Getränk werden tagtäglich in unsern Häusern für die hingestellt, die man nicht sehen darf." Nach dieser Auskunft fing man wieder zu trinken an und sang dazu ländliche Melodien.
Ich hatte die Antwort des Muschits nicht recht verstanden, daher bemußte ich eine Sekunde, wo man in der Fröhlichkeit des aufsteigenden Rausches auf mich nicht mehr acht gab, um meine Nach barin zu fragen:
"
Wer sind die, die man nicht sehen darf?"
" Die Brodiadji", erwiderte das junge Mädchen, und legte einen Finger auf die Lippen ,, die Flüchtlinge!"
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„ Nein," sagte er, ich hatte meine Verwandten bereits verlassen und fuhr seit einer Woche auf dem Wege nach Europa dahin. Ich reiste im Schlitten, um Irkutsk , die Dampfschiffe und Eisenbahnen Daran hatte ich thatsächlich nicht gedacht; das Dorf Zitma ist zu erreichen. Wir hatten ausgerechnet, daß wir in der Stadt am eines der ersten auf der Landstraße nach Europa , wenn man von Abende vor Weihnachten eintreffen würden, und gedachten, uns eine Njertschinst kommt, wo sich die Minen von Kava befinden, in denen Woche dann aufzuhalten. Doch die Wege waren schlecht und der die Sträflinge arbeiten. Da dieses Zuchthaus das grausamiste von Schnee blendete unsere Pferde so stark, daß wir gegen 7 Uhr einige allen ist, so entfliehen die Verurteilten in jedem Jahre zu Hunderten. Kilometer vor Irkutsk vor der ersten Jsba( Haus) eines kleinen Wohlverstanden brechen sie mit Vorliebe im Frühling aus. Doch Dorfes ausspannen mußten, das den Namen Zitma( Winter) führte. man wählt sich nicht immer die Gelegenheit zur Flucht, man ergreift Wie fast alle fibirischen Dörfer ist auch Bitwa " eine lange sie, wenn sie sich bietet. Kommt sie im Winter, so kann man nicht Straße, die nach Europa führt. Unsere Pferde hielten von selbst daran denken, sofort Europa zu erreichen, man versucht, sich etwa vor dem ersten Lichtstrahl, der über den Weg fiel. Die Nacht war hundert Meilen zu entfernen und sich für Obdach und Wohnung bei so schwarz, daß wir ohne dieses Licht an dieser Jsba vorüber- Bauern zu verdingen. Uebrigens können die Flüchtlinge vom Jimern gefahren wären. Doch mein Kutscher, den der Lichtschein erweckt, Sibiriens bis zum Iral nur von Almofen leben; wenn sie Geld sprang zur Erde und klopfte an die Thür. befäßen, so wären die Gasthöfe nicht für sie sicher. Sie wandern in der Nacht vereinzelt, und können sicher darauf rechnen, auf ihrem ganzen Wege das erleuchtete Fenster zu treffen, das sie nur aufzu stoßen brauchen, um das Stück Brot und das Glas Kivaß zu finden, das ihrer harrt. Man hilft ihnen, denn es ist Gottes Wille, der ihnen die Thür zur Flucht geöffnet hat". Doch man will sie nicht sehen, um nicht in Versuchung zu geraten, ihr Erscheinen den sie verfolgenden Soldaten anzuzeigen
" Heda! Ist die Herberge in der Nähe, Onkelchen?" fragte er einen Muschil von sehr ehrwürdigem Aussehen, der in seinem roten Hemde, mit einer Lampe in der Hand, auf der Schwelle er schienen war.
" Weshalb fuchst Du die Herberge auf?" fragte der Greis, mein Haus steht für den Weihnachtsgast offen, und mein Stall für seine Pferde".
" Ich habe aber einen Reisenden bei mir!"
,, Auch er ist willkommen!"
Bei diesen Worten setzte der Muschit seine Lampe hin, trat aus der Jsba, näherte sich dem Schlitten und lud mich in äußerst höflichem Tone ein, abzufteigen.
Ich sah sogleich, daß unser Wirt ein Bauer der wohlhabenden Klasse war, und der Anblick der Jsba bestärkte mich in dieser Meinung; das Gebäude war nach dem landläufigen Gebrauche durch einen ziemlich breiten Gang in zwei sehr große Stuben geteilt; rechts die Gorniza", das heißt die Stube für die Feste, das Zimmer, in dem die schönsten Möbel stehen und die Bilder hängen; links befand sich die Küche, in die wir eintraten.
Bei unserem Anblick erhoben sich die Frau des Muschits und seine beiden Töchter, um uns zu begrüßen, und der Großvater stieg vom Ofen herunter, von dem aus er das Drehen des Bratspießes beobachtet hatte.
Ich erinnere mich, daß er ein sehr alter Mann war; er lachte Taut, als er uns die Hand gab, wie jemand, der seinen Verstand nicht mehr beisammen hat.
" Dremja," sagte unser Wirt, sich an seine älteste Tochter wendend, überlaß Deinen Platz den Reisenden, auf daß sie sich
wärmen."
Das junge Mädchen nahm mir mit vieler Aumut meinen Belz ab; sie trug den roten Saraphan der heiratsfähigen Mädchen, und ihre in einen einzigen Knoten geflochtenen Haare deuteten darauf hin, daß sie noch nicht verlobt war.
"
Ich wünsche Dir einen Mann nach Deinem Herzen," sagte ich und setzte mich auf den Holzstuhl, den man mir ans Feuer geschoben hatte.
Während das junge Mädchen mir diese Einzelheiten mit leiser Stimme berichtete, veranlaßte uns ein leiser Schlag au das hinter uns befindliche Fenster, uns schnell unzudreheit. Sofort verstummite wie mit einem Schlag der Gesang der Trinker, und aller Augen wandten sich dem kleinen Fenster zu, das, von außen aufgestoßen, halb offen stand. Gleichzeitig sprach eine Stimme, die aus der Nacht, aus dem Schnee kam, die Worte:
„ Mit Dir ebenfalls!" erwiderte der Muschik. Er erhob sich und fuhr, doch ohne seinen Blaß zu verlassen, fort:
"
Wir erwarten Dich; Deine Mahlzeit ist aufgetragen!"
Draußen unterschied man ein Geräusch), als wenn jemand auf den Schnee stampfte, dann knarrte das Fenster, öffnete sich noch mehr und eine Hand erschien; sie tastete einen Augenblick, ergriff das Brot und kehrte in die Nacht zurück.
Wir hatten uns ebenfalls erhoben, dem Beispiele unseres Wirtes folgend. Niemand sprach. Nur der Großvater lachte noch immer. und zum zweitenmal erschien die Hand und ergriff die Flasche. " Nimm sie mit", sagte der Muschit, ohne den Kopf zu wenden; es ist Weihnachten. Willst Du sonst noch etwas?" Betet für mich!" sprach die Stimme.
Man hörte das Stöhnen des Mannes, der in langen Zügen trinkt, dan von neuem ein Geräusch knirschender Schritte, die sich auf dem Schnee entfernten..
*
Konstantin schwieg; er starrte vor sich hin; seine Blicke schweiften wie verloren nach jenen fernen Lampen, der Muschits, die vom Innern Asiens bis zur Schwelle Europas in der sibirischen Nacht den Weg derer beleuchten, die man nicht sehen darf."
Berantwortlicher Redacteur: Paul John in Berlin . Drud xnd Beriag von Mar Bading in Berlin .