Unterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 1.
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Mittwoch, den 3. Januar.
( Nachdruck verboten).
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1900
Häh! Halloah! Gieht noach net schlaofen, eweil sein mir elao! Halloahoah-!" Einer da oben hielt die hohlen Hände vor den Mund und tutete hinein; dann warf er lustig sein Bündel in die Höh: Lorenz, Josef, Mathesen, Hanni, wän es dän erschten onnen? Hopp! Bonz onnen, Bonz owen( Kopf über, Kopf unter), voran gemaach!"
,, Trapp, trapp" hart klingen die Schritte auf der steinigen Landstraße. Männer, ein ganzer Trupp! Und nun noch ein Trupp, und etwas weiter zurück kommt noch ein Wie Pfeile schossen die Burschen bergunter, sie verdritter. Männer mit Schweiß auf den Stirnen, mit Staub schmähten die vielfach gewundene Fahrstraße, auf steilen auf den Stiefeln, mit der ganzen Glut des frühen Sommers Richtwegen schnitten sie die Serpentinen ab; polternd, prasselnd und des hastigen Wanderns auf den geröteten Gesichtern. stürzte ihnen loses Geröll nach. Auch die gesetzteren Männer Jeder trägt sein Bündel am Stecken über der Schutter, eilten sich, eine plötzliche Ungeduld hatte sie alle ergriffen, paarweise schleppen sie auch ein Köfferchen; alle haben sie das Blut floß nicht mehr träge in den Adern, es kreiste undie Taschen der städtischen Sonntagsröcke vollgestopft zum ruhig und stieg ihnen zu Kopf. Plazen.
Nun halten sie an auf der Höhe von Schwarzenborn und verschnaufen.
Da unten liegt das Salmthal, schmal und grün und lieblich; die klare Salm schlängelt sich als Silberband, dort, an der letzten Krümmung, ragen die Ruinen vom Kloster Himmerod , schon verschleiert vom Abendduft, und da, dicht zu Füßen, scheinbar mit einem Steinwurf zu erreichen, Eifelschmitt! Daheim, daheim!
Ein froher Schein glitt über die heißen Gesichter, ein tiefer Atemzug hob jedem der Wanderer die Brust unter dem zerfüllten Hemd. Da wurden rasch die Hüte vom Kopf gerissen und geschwenkt. Hurra! Heloa! Derhäm!"
Der Jüngsten einer, der schlanke Kerl mit dem Feldblumensträußchen am Strohhut, fing ein Lied an; er schmetterte aus Leibeskräften, sein starker, etwas fraßiger Tenor zitterte in mächtigen Schallwellen über die Bergrücken, unten im Thal erwachte ein Echo. Das machte ihm Vergnügen; er hielt den einen Ton an, gleich stark, endlos, die Bänder am Halse schwollen ihm, sein Gesicht wurde blaurot, die Augen quollen ihm vor- immer noch!
Die anderen bewunderten ihn:" Dän fann et!"
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Immer noch da, knacks, der Tou brach ab! In gefränkter Eitelkeit versuchte der Bursche noch einmal, aber die Stimme gehorchte nicht mehr.
,, En Krümmel in der Tröt( Kehle), saon se lao unnen zu Cöllen haha en Krümmel in der Tröt!" Die Männer lachten.
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Der Sänger wurde zornesrot und räusperte sich gewaltsam.
Looß fin," sagte begütigend einer der Aelteren und flatschte ihn freundschaftlich auf die Schulter. Hal Dei Maul Jong! Sei net so bubsterzig( eigensinnig), de Stimme kann mer net fommandieren, se es ken Maschien on te Framensch." Und dann augenzwinkernd:" Wat moanste, Lorenz, ob Lenzen Bäbb heit Awend besser pariert?"
..Dat Bäbbche?! Lorenz zeigte, schnell getröstet, die tadellosen Zahnreihen. Et gitt gäckig vor Freid. Se maanen all, mir kommen erscht morjen." Er patschte sich auf die Lenden. Helao, da gitt ebbes! Seit Weihnachten, en halw Jaahr ohn Schaß gefäß! Dat es net pläfierlich!"
,, Nä, nä, dat es et aach net!" Eine gewisse Rührung bemächtigte sich ihrer sämtlich; ein jeder dachte an die, die an seiner Brust liegen würde. Die Ehemänner dachten an ihre Frauen, die Ledigen an die Mädchen, die sie beim letzten Besuch zu Weihnachten am heißesten gefüßt, heiß gefüßt im talten Schnee. Und jetzt war Sommier die hatten lange fasten müssen!
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,, Da gitt en Freid!" Man warf sich in die Brust, man brachte ja das Glück. Schnell noch einen Blick hinunter ins dämmernde Thal da warteten die Hütten im milden Abendlicht, leichter Rauch kräufelte sich vom heimischen Herd. Da träumten die Wiesen und die Büsche am Waldjaum Lockten mit verschwiegenem Dunkel.
Heller und heller flimmerten unten die Lichtchen, sie warfen einen trauten Schein aus den engen Kammerfenstern voran, voran! Süße Vogelstimmen piepten im Nest- voran, quer durchs Brombeergestrüpp! Da saß schon eine weiße Hausfage auf der Lauer, sie sprang nicht fort, sondern stieß den sammetweichen Kopf schnurrend gegen die sie streichelnden Hände. Aber weiter, die warteten!
Der Berghang wimmelte von dunklen kletternden. Gestalten; uun kam der lezte Absatz, man rutschte, man glitt, man sprang mun lag das Dorf ganz nah, melodisch tönte das Muh" einer Suh, ein sehnsüchtig langgezogener Liebesschrei. Noch atemlos begann Lorenz zu schmettern, da war feiner, der nicht mit einstimmite:
Rommen wir in dieser Nacht, Fein Liebchen, fein!
Seid Ihr tot oder lebt Ihr noch, Fein Liebchen, fein?"
Da war schon das erste Haus.
Will das Mädchen net obstohn, Fein Liebchen, fein!
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So wollen wir's in die Blozz drohn( in die Pfütze werfen), Fein Liebchen, fein!"
Summer lauter wurde der Gesang, er schwoll an und wuchs und drängte:
,, Will das Mädchen sich net tummeln.
Wollen wir de Thür ufftrummeln."
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Horch, ein heller Schrei:" Jesses, die Mannsleit!" Die Thür des ersten Hauses war aufgeflogen, ein Weib in Unterrock und halbgeöffneter Taille stürzte heraus, mit einem Satz stand sie mitten unter den Männern, wild sah sie sich um wieder ein Aufkreischen da, sie stürzte dem einen an den Hals.
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Jesses, Hubert, Iao biste! Somm erein, Mahn, komm erein! Ech haon uf dech gelauert! Dag on Nacht, onsen Hährgott woaß et- gelowt sei de Jongfra Maria!" Sie befreuzte sich und ihn. Könner, Könner"- schon sprang sie wieder zur Thür Könner, dän Vadder es elao!" Sie zog ihren Mann hinter sich drein, kaum daß sie ihm Zeit ließ, den Kameraden zuzunicken; sie hielt ihn so fest am Aermel, als fürchte sie, ihn gleich wieder zu verlieren. Die Frau mit dem schon faltigen Gesicht und den Zahnlücken zeigte die Glut einer Zwanzigjährigen.
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,, Se sein hei, se sein hei!" Nur dieser eine Ruf und alle Häuser waren plöglich belebt, alle Fenster hell, alle Thüren geöffnet. Kinder, in Hemden und barfüßig, wie sie aus dem Bett gesprungen, standen auf der Schwelle; Frauen und Mädchen eilten auf die Gasse. Der weiche Sommernachtwind spielte mit ihrem halbgelösten Haar und den hastig übergeworfenen Kleidern. Laternen tauchten auf vor den Ställen, in den Höfen, im Wirtshaus wurden alle Lampen angezündet Es schwebte etwas herauf, es tam mit dem Wind und Peter Krummscheidt stieg eilig in den Keller und stach ein Faß flüsterte ins Gras; die Luft foste leise und weich, Nebel- an. Die Straße wimmielte von Menschen, wie mit Zauberstreifen wie winkende Brautschleier stiegen aus dem Grund schlag waren sie alle erschienen, alle umiringten die Ankömmtam Bach, Bäume streckten verlangende Arme aus jekt linge. Das war ein Gesumm, cin Lachen, ein Geschrei:„ Se hier, da, dort glomm ein Lichtchen auf, blasse Sterne, sehn- sein hei, se sein hei!" füchtige Augen in einsamer Kammer.
Niemand mehr auf den abschüssigen Aeckerchen still, wie begraben.
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alles
Lorenz Schneider stand an der Ecke am Prellstein. Hier ging's hinein in ein dunkles Gäßchen, erst zwischen Stallwänden, dann zwischen Hecken nichts rührte sich drin
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