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1:15 da war die Straße, hell vom Lichtschein, der aus den! geöffneten Fenstern und Thüren fiel. Alle, die er kannte, standen da umher, aufgeregt, lachend und schwakend; die Meiber hatten die Männer untergefaßt, die Mädchen begrüßten ihre Schätze.
Immer wieder suchten seine Blicke, enttäuscht fing er leise an zu fluchen- Dimmerfiel, wo war das Bäbb? Schlief sie schon so fest, daß sie den Lärm nicht hörte? War sie ihm untreu geworden? Da mußte er doch lachen, war denn hier wohl ein Mannsbild gewesen, um das sich's verlohnte, ihn zu vergessen? Er ärgerte sich, warum kam sie nicht? Ob er nach ihr fragte?
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Vor dem Wirtshaus hatten sich die ganz jungen Mädchen, die heurigen Hafen, in einer Reihe aufgepflanzt; neugierig und ein wenig neidisch guckten sie zu, wie die älteren Schwestern und Bekanntinnen mit ihren Burschen abzogen. Die Augen funfelten ihnen im Kopf, sie brachten die Mäufer nicht zu sammen. Sie stießen sich mit den Ellenbogen an und ficherten, als Lorenz nach ihnen hinsah.
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Das Vermächtnis.
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( Freie Voltsbühne.)
Die Halbwelt läßt die Welt" nicht ruhen. Immer wieder findet sich ein Dichter, der die Frage aufwirft, ob nicht doch die Halbwelt schließlich anständiger ist, als die Welt, die den Aufland nicht nur gepachtet, sondern in ihrem eigenen Intereffe auch erfunden hat. Die feiner Art sehr lustiges Gespenst, das aber sofort furchtbar wird, Halbwelt ist ein Gespenst der modernen bürgerlichen Gesellschaft, ein in wenn man ihm am hellen Tage begegnet. Die Gesellschaft hat gegen das Gespenst nichts einzuwenden, wenn es in dem Dunkel bleibt, das einem rechtschaffenen Gespenst zukommt. Die Sache wird aber sofort unangenehm, wenn das Dunkel schwindet, und das Gespenst auf den abenteuerlichen Gedanken kommt, den forretten Gentleman X. auch Unter den Linden zu grüßen. Der aufrichtige Mensch ist in unserer Zeit der schlimmste Verbrecher und wird eine Geliebte zu haben; aber er wird zimi Sünder, wenn auch ganz logisch als Verbrecher behandelt. Es ist jedem gestattet, er seine Geliebte liebt. Er darf ihr eine fostspielige Wohnung mieten Bapa bezahlt's. Er darf ihr ein Koupee mit echten Gäulen stiften die Mittel reichen. Was er immer an gewöhnlicher Sinneslust zur Verfügung hat, er darf's befriedigen. Die Gesellschaft segnet den Bund, und man braucht sich nur an den nächsten Ortspfarrer zu wenden, um einen Mann zu haben, der Handlung, so lange er uusittlich bleibt. auch die Gesellschaft segnet. Der Handel wird keine dramatische Die Gesellschaft hat, wenn auch feinen feinen Verstand, so doch einen feinen Instinkt. Die Unfittlichkeit nimmt ihr nichts und giebt ihr alles. Es ist daher vollkommen logisch, daß fie Tina zeigte lachend ihre weißen Zähne:„ Ech waaß net!" die Unfittlichkeit toleriert. Wenn sie sich bei dieser Freigeisterei Mutwillig blinzelte sie den Gefährtinnen zu, er fühlte seine vie üblich auf Leffing beruft, begeht sie eine Frechheit, die Hand ergriffen, fräftig geschüttelt und dann festgehalten. In man um ihrer Seltenheit willen entschuldigen kann. Tragisch- im einem Augenblick hatten ihn die Mädchen umringt; er stand bürgerlichen Sinn wirkt die Sache erst, wenn ein anständiger Mensch dazwischen kommt. Wenn so ein reiner Thor auf mit Tina in der Mitte, die anderen hopsten im Kreis, ausden Gedanken fommt, feine Geliebte als sein Weib gelassen wie junge Böcklein, um sie herum. zu behandeln, wird der Handel sofort unrein. Ein Duft von Sittlichkeit steigt auf, der ein allgemeines Naſerümpfen verursacht. Die Gesellschaft hat, um es noch einmal zu sagen, einen feinen Instinkt. Es lebe die Unsittlichkeit, damit wir leben können! Aus Kreuz mit dem Schächer!
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Den Schnurrbart aufdrehend, trat er zu ihnen das Geficher wurde stärker. N'Aowend, dir Mädercher!" " Boschur, Lorenz," sagte fed die erste.
Tina?" sagte er erstaunt. Zu Weihnachten war sie noch halbwüchsig gewesen, und jetzt trug sie einen langen Rock und sah ihn an mit dreisten Augen. Es dat Bäbbche net mich hei, Tina?" fragte er hastig.„ Lenzen Bäbb?-"
" Dommhaaten! Laoß los!" Unwirrsch suchte er sich frei
zu machen.
,, Autsch, autsch!" Tina schlenkerte ihre Finger, gleich darauf packte sie ihn aufs neue; wie ein Wall stemmten sich die Mädchenleiber ihm entgegen.
Schneidersch Lorenz, fucktelhei, Schneidersch Lorenz! Haha, hahahaha!" Sie lachten wie die Tollen; dem Burschen schwirbelte es vor Augen und Ohren, er wurde hin und her gerissen, von einer gegen die andere gepufft, Tina hängte sich wie eine Klette an ihn, er wurde sie nicht los, nirgendwo konnte er den Kreis durchbrechen.
" Dunnerfnippchen noachehs, wuh es dat Bäbb?" stieß er mit einer letzten Anstrengung heraus. Bäbb hin, Bäbb här,
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hahaha- 1"
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Schnißler, der die eben geschilderte Tragikomödie behandelt hat, Tomte in der Freien Voltsbühne auf ein dankbares Publikum rechnen Frauen, die von der Korrektheit so weit entfernt find, wie etwa ein und hat auch ein dankbares Publikum gefunden. Männer und Geheimrat von der historischen Vernunft, mußten seinem Stück ursprüngliche Sympathien entgegen bringen. Der Beifall, der es fand, kommt zum größten Teil auf Rechnung der Tendenz. Menschen, die selbst gelitten haben, haben auch Mitleid und sie machen von dieser Gabe keinen unwürdigen Gebrauch, wenn sie sie an ein Wesen wenden, dessen Ehrbarkeit von der ehrbaren Gesellschaft bestritten wird.
Schnitzler hat sich nun freilich die Sache leicht gemacht, zweimal ,, Bäbb, dat es en Zoddelbär Teicht sogar, wie wir gleich sehen werden. Er hat eine Dame zu Immer dichter umdrängten sie ihn, immer schallender wurde seiner Heldin gemacht, die schließlich auch nach bürgerlichen Begriffen das Lachen, immer wilder das Drehen; er fühlte Tinas Hände ein durchaus anständiges Weib genannt werden muß. Seine Toni ist an seinem Rock, sie preßte ihm seine beiden Arme fest an den nicht nur eine brave Geliebte, die um ihren Liebhaber in Sack und Leib. Jedesmal, wenn sie aufhüpfte, figelten ihn ihre krausen Asche trauert, sie ist daneben auch Mutter, und zivar eine sehr treue Haare unter der Nase, ihr Gesicht kam dem seinen ganz nah und aufopfernde Mutter. Daß aber ein solches Wesen unser Herz da, ehe sie sich's versah, hatte er die Arme frei, er schlug sie gewinnt, ist, selbst vom bürgerlichen Standpunkt aus, selbstverständihr um die Taille, ein derber Schmat brannte ihr auf dem Man wird ihm gerecht, aber man spricht ihm auch sein Urteil, wenn lich. Schnitzler hat eine Frage gestellt, die gar keine Frage ist. Mund. Sie schrie hell auf und wandte sich zur Flucht; mit lautem ntan fein Stück ein Thesenstück nemnt. Was er aber verficht ist keine Gekreisch stoben sämtliche Mädchen davon, er hinterdrein, hier These, sondern ein Gemeinplatz. Selbst die Welt" hat immer gesuchte er noch eine zu fassen und da eine. Die Röcke flatterten. wußt, daß es in der Halbwelt anständige Menschen giebt. Jetzt waren sie, uni das Wirtshaus herum, im Dunkel verschwunden.
,, Verflirte Rognaosen," schimpfte der Bursche und doch schmunzelte er dabei die Tina war gar nicht garstig, noch schmeckte er ihre frischen Lippen. Er schnalzte mit der Zunge, sein Durst war erwacht
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wo blieb die Bäbbi?
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Wenn Schnitzler ein Dichter und nicht ein poetisches Talent gewesen wäre, hätte er die Frage anders gestellt. Dan hätte er uns die brave Toni geschenkt und hätte uns eine geschminkte Toni gegeben, die schon in ihrem Aeußern die Negation aller Jungfräulichkeit gewesen wäre. Er hätte uns eine Toni gegeben, die wie ein Mensch trauert, nicht aber wie eine Heilige. Er hätte uus eine Toni ge geben, die fein Kind hat und auch kein Kind wünscht. Kurz und Langsam kehrte er zu seinem Prellstein zurück, in vergut: Er hätte die Frage Halbwvelt und Welt offen und ehrlich gedrossenen Gedanken blieb er dort stehen. Da- er schreckte auf, stellt. Eo aber hat er mir gefragt, ob nicht eine anständige Dame jemand zupfte ihn von hinten am Aermel. Am Eingang des der Halbwelt mehr wert ist, als eine unanständige Bourgeoissippe. Heckengangs stand eine weibliche Gestalt. Und das ist ich bitte sehr um Verzeihung im letzten Grund Wohl aber liegt hinter der ganzen überhaupt keine Frage. die sich mit einer angemessenen Mitgift verheiraten, oder ob man Affaire eine folgenschwere Frage. Ob die Damen anständiger sind, den Damen die Balme reichen muß, die ohne Hoffnung auf irgend eine Mitgift das Leben nehmen, wie das Leben ihnen kommt- das ist allerdings ich bitte wiederum um Verzeihung eine Frage. Eine Frage, die Schnitzler nicht beantworten konnte, weil er nicht einmal das Talent hatte, sie zu stellen.
Bäbbchen?" fragte er zweifelnd. Sie fam ihm so wenig schlank vor, Lenzen Bäbb war lang nicht so völlig gewesen.
Bäbb?"
" Heihin!" Schon zerrte sie ihn hinein in das dunkle Gäßchen, es schien ihr noch nicht dunkel genug, sie schob ihn hinter die Regentonne an der einen Stallwand. Jeht schlang sie die Arme um ihn und füßte ihn, daß ihm der Atem verging. Sie gebärdete sich wie närrisch, lachte und schluchzte und drückte ihn, ohne ein Wort zu reden; ihre warme Brust bebte an der feinen, schiver hing sie ihm am Halse. Immer wieder preßten sich ihre Lippen auf seinen Mund, sie fangten sich förmlich daran fest.
( Fortsetzung folgt.)
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Schnißler aber hat sich, wie wir bereits andeuteten, auch in anderer Weise die Sache leicht gemacht. Wenn man unbarmherzig feimvill, handelt es sich in dem Stic gar nicht um die Halbwelt, sondern feffor Lojatti nur den Wunsch seines sterbenden Sohnes, wenn mur um ein Vermächtnis. Schließlich erfüllt der sehr ehrenwerte Proer die Toni in sein Haus aufnimmt. Der Konflikt zwischen Welt und Halbwelt, der dem Stück seinen Sinn gegeben hätte, wird hier wiederum zu Gunsten eines anderen Konflikts ausgeschaltet. Zuerst