Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 2.

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Donnerstag, den 4. Januar.

( Nachdruck verboten).

Das Weiberdorf.

1900

Zweige über dichte Weißdorn- und Wildrosenhecken, zuweilen wechseln sie ab mit morschen Bretterzäunen, die sich schief neigen und ihren modernden Holzgeruch( mit dem füßlichen Duft der Gebüsche mischen.

Roman aus der Eifel von Clara Viebig . Wie zwei Schatten schleichen die zwei Liebenden unterm Ein lange nicht gekanntes Wohlgefühl durchrieselte den Blätterdach dahin, von weißlichem Dunst in einer Wolke Burschen so füßt doch nur der Schatz in der Heimat! umschwebt. In dem nahen Wiesengrund erheben die Frösche Sein Blut, durch das eilige Wandern und haftigen Trunt ein leidenschaftliches Liebeskonzert- jekt verstummen die auch ohnehin erhitzt, schäumte über; nun war er es, der sie immer nichts regt sich, nichts lebt scheinbar rundum, und doch ist mehr hinein ins Dunkel drängte und gegen die Stallwand ein stummberedtes Fordern in der Frühsommernacht, eine warme treibende Sehnsucht. preßte. Er erstickte sie fast. den Gräsern und auf den gesenkten Scheiteln. Wie ein feuchtes Stärker und stärfer fällt der Tau, silbrig glänzt er auf Bäbb," flüsterte er zärtlich, mei Mädchen! Eweil sein Tuch legt es sich um die heißen Gefichter, um die heißen ech widder hei, eweil wolle mer ons verloftieren. Dat gitt Glieder; schauernd schmiegen sich beide Gestalten fest aneinander. en Pläsier! Kommn" er zog sie kosend dem Ausgang Sie stehen still und füssen sich, im schmachtenden Sternenlicht des Gäßchens zu komm ehs zom Krummscheidt, ech scheinbar in Eins verschmolzen. traftieren dech!"

Lorenz," ächzte sie endlich, laoß!" Ein schmerzlich

zitternder Seufzer folgte.

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Jao, jao."- sie schmiegte sich fester an ihn und drängte ihn doch immer wieder tiefer hinein ins Dunkel.

,,,," flüsterte sie dann hastig und verlegen, ech fann net ehnder met Dir giehen, ech moß Dir erscht ebbes faon."

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Wat dann? Waorom fannste net met mehr giehn?" Er hielt sie von sich ab, etwas erstaunt; nun fiel ihm auch fein Verdruß von vorhin ein. Waorom hafte medh e su laug lauern laossen, dau sakramentsch Dingen? Wollste mech for en Naor halen? Eweil es et schuns e su spät, ech han Honger on Dorscht!" Von einem plöglichen Merger erfaßt, rüttelte er sie: Haste geschlaof?"

,,,," sie drängte sich wieder ganz dicht an ihn .ech wollten dech nor vorerscht ebbes faon. Saog"-wie von einer dringenden Notwendigkeit getrieben, faßte sie seine Hand- wannch wolle mir onsen Hillig( Hochzeit) haalen?"

II. Die Männer von Eifelschmitt hatten nie viel Zeit; rasch wurde geliebt, rasch wurde gefreit. Zweimal im Jahr im Winter zu Weihnachten, im Sommer zu Peter und Paul­tamen sie heim ins enge Salmthal. Sie fonnten da nicht ihren Lebensunterhalt verdienen; der Erwerb ist knapp in der Gifel, farg hängen die Aeckerchen an den Bergen, lang sind die Winter, furz die Sommer.

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Irgend ein Agent hatte irgend einen Eifelschmitter hinaus gelockt man weiß nicht recht, wer der erste war er fam zu Besuch heim, Geld in der Tasche; da zogen die anderen hinter ihm drein wie die Schafe hinterm Leithammel. Vater, Sohn, Gatte, Bruder, alles wanderte aus in den siebziger Jahren nach Westfalen und tief ins Rheinland , wo auf der meilenweiten Ebene Fabrikstädte sich wie finstere Klumpen zusammenballen und mit ihrem nie stockenden schwarzen Atem aus Riefenschornsteinen den Himmel anfauchen. Die Luft ist dick von Kohlenstaub, die reinen Wolfen selbst sind au­Waorom?" fragte er verwundert und beunruhigt zu gegraut; ewiger Rauch, Geprassel, Gerassel, Gefeuch, Geächz, gleich. Und dann nach einer Pause des Bedenkens: Gestamps, Saufen von Rädern, Schnauben von Maschinen, " Zu Christdag; wat fraogste? Wann ech Bormann Pfeisen von Lokomobilen, Pusten und Stöhnen von Dampf. gänn!" Steffeln . Stein Raften, fein Ruhen. Zur Nachtzeit bricht , ehuder," sagte sie rasch und füßte ihn heftig: E su Lodernde Glut aus Riefenbauten, an den Oefen stehen bal als mielich( möglich)! Ech moß der ebbes faon" jest Männer, nadt bis zum Gürtel, heiß und berußt wie Teufel, flüsterte sie, aber ihr Flüstern war eindringlich, jedes Wort die Höllenfeuer schüren, Schweißtropfen rinnen, Junken hob sich deutlich heraus ech sein im sechsten Monat!"

Kreizdonnerparaplii!" Es entfuhr ihm so wider Willen - das kam zu plötzlich! Er stieß sie zurück und erhob die Hand wie zum Schlag. Maach! Gott verzeih mer de Sünd dau Onglöcksmensch!"

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Sie fing an zu weinen.

Sprüthen.

Hier kann man die Eifeljöhne finden. Unglüht von Flammen, eingeengt von Mauern, mögen sie wohl sehn­süchtig des Heimathimmels gedenken, der sich rein und fühl über den Eifelfuppen wölbt; unter dem die wohnen, die ihnen unapodas Leben gegeben haben; die auf sie warten, denen sie die Ehe versprochen oder die sie schon gefreit haben; wo die Kinder nach den Vätern verlangen. Aber der Eifeler ist zäh, der hält was ans.

Stumm stand er neben ihr und schob den Hut von einem Ohr auf das andere.

Auf der Straße war der Lärm verstummt, auch die Helle war weg, die Thüren hatten sich hinter den Glücklichen ge­schlossen. Stein Mensch mehr draußen, die meisten saßen im Wirtshaus. Jest tönte da der Jubel, bis in den dunklen Winkel hinter der Regentonne verirrte sich das Gläserklingen und Juchzen.

Nächte.

Und dann die Heimkehr! Durchjubelte Tage, durchjubelte Heute saßen sie alle bei einander im Wirtshaus. Der. alte Strummscheidt mit seinem vertrockneten Holzgesicht fom­mandierte hinterm Schänktisch, ein ganzes Regiment Frauen Die Sterne waren aufgezogen, immer mehr entfalteten war zur Bedienung gedungen, mit lachenden Gesichtern, flint sie ihren Glanz. Nachttau fiel, man hörte ihn in den Hecken wie Wiesel, liefen die Dirnen ab und zu. Bald wurde die tropfen, dazwischen Klang leises Schluchzen. In dem ver- von ihrem Schatz gerufen, bald jene; dann setzte sie sich für schleierten, bleichen und doch durchdringenden Licht, das vom zwei Augenblicke neben ihn, wohl auch auf seinen Schoß. Himmel niederzitterte, sah Lorenz zum erstenmal deutlich die trant aus seinem Glas und ließ sich die glühenden Wangen entstellte Gestalt seines Mädchens. streicheln.

Mit einem Dunnerfiel" fuhr er zurück, aber gleich darauf Die schmalen Holzbänke längs der gescheuerten Tische streichelte er die Weinende. Kreisch net, Bäbbchen", sagte er waren dicht bescht. Wann reihte sich an Mann; Frauen gutmütig, freisch net e su, domn Dingen! Wat passiert es, waren wenige dazwischen, die kamen erst gegen Abend, wenn es passiert, duh fann niemand neist dran ännern. Gonndag das Tanzen losging und die Musit, wenn das Ver es Peter on Paul, dän erschten Stirmsdag, onsen gaaftlichen guügen so groß wurde, daß der Boden dröhnte vom Stampfen Hähr verfünn ons, ein for allemaol; hän es su ebbes gewehnt, der Füße, Bänfe umpolterten, Gläser in Scherben flirrten. annere han aach schuns Malör gehatt. Mir maachen strafs Hochzeid on dann" er fragte sich hinterm Ohr jao, dann es dän Urlauw zo End. Mir Bochumer han zehn Dag, den annern von Dortmund on Steele han aoch net länger. Aewer uf dän Momang mösse mir redur komm. Kreisch net, Bäbb!" Er schlang den Arm um ihre Hüfte; langsam wandelten sie den Heckengang weiter.

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Auf dem Plak vor der Kirche, um die paar Buden, drin Halsketten, Fingerringe, Rosenkränze, Lebkuchenherzen und Gerstenzuckerstangen feil geboten wurden, trieben sich Kinder herunt, große Stücke Stirmestuchen in den Händen, die mit Blaubeerenmus beschmierten Mäuler begehrlich gespigt. Es hockten auch ihrer welche auf der Kirchentreppe, bliesen in die neuen Trompeten oder zeigten einander die vom Pappa"

Rechts Garten, links Garten; Obstbäume hängen ihre mitgebrachte Puppe.

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