Ms er von dem Amboß herabspringt, ertönt lauter Beifall. Dann schieden die Arbeiter und verließen schweigend die Fabrit, um ihre Wohnungen aufzusuchen, in denen Mutter alles so hübsch aufgeputzt hatte, um Vater zu erfreuen, wenn er am Silvesterabend heimtehrte. Aber an diesem Silvesterabend ertönte kein Freudenlied aus den kleinen Arbeiterhäusern.

Es war lange nach Mitternacht . Die Gäste hatten die Villa verlaffen. Der Fabrikant stand in seinem Brivatkabinett und über­dachte die Ereignisse des Tages. Aus seiner freudig erregten Stimmung tomte man entnehmen, daß er äußerst zufrieden mit sich felbst war. Das konnte er ja auch! Seine Gäste hatten sich in den schmeichelhaftesten Worten über seine Silvesterarrangements aus­gesprochen, und sein Freund, der Geheimrat im Kirchenministerium, hatte ihm deutlich zu verstehen gegeben, daß sein Name höchsten Ortes wegen seiner großen Mildthätigkeit genannt sei. Er hätte ja einen wertvollen Bauplatz zur Aufführung einer neuen Kirche geschenkt mnd würde wohl infolgedessen bald den Titel Kommerzienrat er­halten.

Nenjahrsmorgen. Es ist gegen 11 Uhr. der Fabrikbefizer ist noch nicht aufgestanden, aber jetzt erwacht er und hört ein seltsames Summen draußen vor dem Hause.

Eilig öffnet er ein Fenster und er erblickt seine eigenen Arbeiter, die unter Gefang auf die Villa zu marschieren. Noch kann er die Worte nicht unterscheiden, es muß wohl ein Neujahrslied sein. Die Arbeiter Tommen näher und nun vernimmt er deutlich die Worte des Liedes, deren Inhalt ihm Schrecken einflößt.

Dem Fabrikanten wurde unbehaglich zu Mute. Wollten seine Arbeiter Revolution machen? Er zog in Eile feine Kleider an, jetzt batten auch die Arbeiter die Villa erreicht und machten Halt. Drei Mann traten hervor und kamen die Treppe herauf. Da trafen sie auf einen Diener, der sie zum Chef hineinführte.

Wir kommen als Vertreter unserer Kameraden", nahm der eine das Wort, um Ihnen mitzuteilen, daß unser Lohn schon jetzt so gering ist, daß wir faum auskommen können. Wenn er noch weiter herabgesetzt wird, müssen unsere Frauen und Kinder Not leiden, und das wollen wir nicht! Dann stellen wir die Arbeit ein! Alle Kameraden sind mit ims darin einig!"

Als der Fabrikant fah, daß selbst seine alten Arbeiter, die ein gonzes Menschenalter in der Fabrit gearbeitet hatten, mit ihren Kameraden gemeinsame Sache machten, gab er bald nach.

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A18 fie hinunter famen, stand er hinter der Gardinte am Fenster und hörte, wie die Arbeiter ein Hoch auf die Einigkeit" aus brachten. llud dann zegen fie unter frohem Gesang von der Billa fort, um das neue Jahr zu feiern. ( Arbetet.")

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Kleines Feuilleton.

Der Kohlenwagen. Ein großes, schwver beladenes Kohlen­fuhrwert fuhr auf dem Tramvaygeleije, als eben ein Wagen der elektrischen Straßenbahn daher fam. Der Rutscher des Kohlen fuhrwerks fagte: wift, ahö, wüst" und fuhr so longiam aus dem Geleise, als wäre die elektrische Bahn nur eine Straßeuwvalze. Er bewerkstelligte auch, daß er gerade noch mit dem hinteren diade an den Wagen sticß. Das Mad brach und der Kohlenwagen fenfte sich Trachend mitten in das Geleije.

Du Nammel, Du g'scherter, fannst net nausfahren?" schrie der Kondukteur.

" Jest ninna, Du Rindvicch!" antwortete der Kutscher. Und er hatte ganz recht, denn eine Kohlenfracht Tann man nicht auf drei Rädern wegbringen.

Der Kondukieur legte dem Fuhrmann noch einige Fragen vor. Ob er glaube, daß er das nächste Mal aufpassen wolle; ob er viel leicht nicht aufpassen wolle und ob noch ein solcher dummer Stert Fuhrmann ici.

Dies alles brachte den Kutscher nicht aus seiner Ruhe. Er fticg ab und stellte fest, daß das Rad vollständig faput sei. Und da er infolge dieser Thatsache die Meinung gewann, daß sein Auf­enthalt von längerer Dancer sein werde, zog er die Tabakspfeife aus der Tasche und begann zu rauchen.

Erst jetzt faßte er den Kondukteur näher ins Auge, und als er ihn genug besichtigt hatte, erflärte er dem sich aufammelnden Publi­fum, daß er nicht aufpasse, weder auf die Tramway, noch auf den Kondukteur. Und dann lud er die Alliengesellschaft, sowie deren sämtliche Bedienstete zu einer intimen Würdigung seiner Rück feite ein.

In diesem Augenblice drängte sich ein Schuhmann durch die Menge und stellte sich vor den Wagen hin.

Was giebt's da? Was ist hier los?" fragte er. A hinters Radl is los," jagte der Kutscher. So? Das wer'n wir gleich baben," erwiderte der Schutz mann, und ich glaubte, daß er ein Mittel angeben wollte, wie man amgestürzten agen am schnellsten auf die Räder hilft.

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vielleicht aufhören zu pfeifen?" fragte der Schußmann und blickte den Schaffner durchdringend an, während er den Bleistift mit der Zunge naß machte. So," fagte er dann, indem er sich wieder zu dem Kutscher wandte, jest jagen Sie mir, wie Sie heißen thun." Matthias Küchelbacher."

"

Mat- thi- as- chel- bacher. Wo thun Sie geboren sein?" " Han?"

" Wo Sie geboren sein thun?*

3 Lauterbach."

" So? In Lau- ter- bach. Glauben vielleicht, es giebt bloß ein Lauterbach? Wollen S' vielleicht sagen, wo das höft ist? Thun S' ein bissel genauer sein, Sie!"

Inzwischen hatte sich die Menge, welche den Wagen umstand, immer mehr vergrößert. Ein Herr in der vordersten Reihe unter­suchte mit sachverständiger Miene den Schaden. Er bückte sich und sah den Wagen von unten an; dann ging er vor und faßte die lange Seite scharf ins Auge, und dann bückte er sich wieder und klopfte mit seinem Stocke auf die drei ganzen Räder. Und dann sagte er, es sei bloß eins faput, und wenn es wieder ganz wäre, könne man sofort wegfahren.

Die imstehenden gaben ihm recht. Ein Arbeiter sagte, man müsse versuchen, ob man den Wagen nicht wegschieben könne. Er spuckte in die Hände und stellte sich an das hintere Ende des Wagens. Dann sagte er: öh ruck! öh ruck!" und schüttelte den Wagen, und spudte immer wieder in feine Hände, bis ihn die Schußleute zurüdtrieben. Diese entwickelten jetzt eine große Thätigkeit. Sie gaben acht, daß die Zuschauer sich anständig be nahmen und in einer geraden Linie standen. Das war nicht leicht. Wenn sie oben fertig waren, drängten unten die Neugierigen wieder vor und deshalb liefen sie hin und her und wurden ganz atemlos dabei.

Noch dazu mußten fie acht geben, daß jeder Schußmann, der hinzu tam, seinen Platz erhielt; wenn ein Vorgesezter erschien, mußten sie ihm alles erzählen, und wenn ein neuer Tramwaywagen daher fuhr, mußten sie dem Kondukteur einschärfen, daß er nicht durch die anderen Wagen durchfahren dürfe.

Ich weiß nicht, wie die Sache ausgegangen ist, weil ich nach zwei Stunden zum Abendessen gehen mußte. Aber ich las am nächsten Tage mit Befriedigung in den Blättern, daß der Polizei­direktor, der Minister des Innern und unsere zwei Bürgermeister am Blaze erschienen waren. Ludwig Thoma im Simpliciffimus.

Seebeben. Der in Batavia erscheinende Java Bode" bringt folgende interessante Schilderung des Seebebens, das in der Nacht vom 29. zum 30. September v. J. eine ungeheure Flutwelle gegen die Südlüfte der Insel Ceram oder Seram schleuderte: Die Nacht war still und flar, als wir plöglich gegen 13/4 Uhr durch eine starte horizontale Bewegung des ganzen Bodens, die etwa eine Minute dauerte, geweckt wurden; wie fich später zeigte, rührte diese Bewegung aller Wahrscheinlichkeit nach von einem Secbeben, deffen Centrum zwischen der Insel Ceram und den Banda- Inseln lag, her. Nach dem Stoß, der zwar sehr start, aber nicht heftig oder abrupt war, war es ungefähr eine halbe Stunde lang vollständig ruhig, bis dann an dieser Zeit eine mächtige Flutwelle in die Bucht von Amboina hineinströmte, ohne indessen Schaden zu thun. Furchtbar sind da­gegen die Verwüstungen, die die Flutwelle in den Provinzen Baulohy, Samasörö und Malarili anrichtete. Die ersteren beiden hatten eine Bevölkerung von 1700 Seelen, und von diesen sind nur 40 nachgeblieben. Das ganze Land ist verwüstet und mit Leichen bedeckt. In der Elpapötih- Vai schlug die Welle mit voller Gewalt auf sie ging über hohe Bäume glatt himveg und riß alles mit sich vorwärte Die Eingeborenen wissen schredliche Geschichten von den Scenen, die fich abipielten, zu erzählen: Einer fand eine Leiche auf der Spitze einer Sagopalme, andere fanden Körper, die von Haifischen zerrissen waren, wieder andere sahen viele Leichen ohne Köpfe und glaubten, daß die Alsuresen, die als Kopfjäger bekannt sind, die Toten nach träglich enthaupteten. Die Flutwelle führte große Steine mit sich und hatte einen ausgesprochenen starken Schwefelgeruch. Die Panik unter den Eingeborenen ist furchtbar und die meisten find in die Berge geflohen; wie groß der Berlust an Menschenlebeit überhaupt ist, läßt sich heute noch nicht übersehen."

"

Musik.

Bm. Es fonnte Verdacht erregen, daß die Erstaufführung der dreialtigen Märchenoper" König Drosselbart im Opernhause auf den Silvesterabend verlegt wurde. Denn es ist schon zu einer festen Tradition der Intendanz geworden, das gemütlich veranlagte Publikum dieses Abends zu beugen, um mit seiner Hilfe folche Novitäten" um die Premieren- Ede" zu manövrieren, für die von vorn herein start auf mildernde Umstände" plaidiert werden muß. Eine ähnliche Befürchtung lag hier um so näher, als der Versuch, ein liebliches Stückchen aus Grimms Kinder- und Hausmärchen zu einem wenn auch musikalis schen- Drama auszuveiten, an seiner Bedenklichkeit nichts eingebüßt hat, wenn auch Humperdincks eigenartiges und starkes Talent mit Hänsel und Gretel " den Erfolg auf seine Seite ge bracht hat. Die Textdichtung von Agel Delmar ist an sich auch nicht gerade geeignet, Vertrauen zu erwecken. Aber giebt es ein einziges Textbuch zu einem musikalischen Werke dramatischer Gatting, Was ist denn das für ein unverschämtes Gepfeife? Woffen das für sich einem gebildeten litterarischen Geschmack Genüge thäte?

Der Schußmann zog ein dickes Buch aus der Brusttasche, öffnete es und nahm einen Bleistift heraus, der an dem Deckel steckte. Während er ihn spigte, tam wieder ein elektrischer Wagen angefahren. Der Lenker desselben machte großen Lärm, als er nicht vorwärts fonnte, und der Schaffner blies heftig in sein silbernes Pfeifeben.