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Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 4.
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Sonntag, den 7. Januar.
( Nachdruck verboten).
Das Weiberdorf.
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1900
Rheinländer hub an, auf dem engen Platz drchten sich an die dreißig Paare auf einmal.
Das war ein Stoßen, Drängen und Buffen. Jeder wurde auf die Füße getreten und trat wieder; noch keine halbe Stunde war vergangen, und die Luft war undurchdringlich von Staub, man konnte kaum sehen, durch den Dunst schimmerten die glühenden Gesichter wie rote Flecke. Man öffnete kein Fenster, nur die Thür stand offen, in dem dunkelsten Hausflur tanzten auch noch welche.
Lucia Miffert war eine begehrte Tänzerin; sie tanzte nicht leicht, man fühlte eine volle Last, aber gerade das war schön, man wußte, was man hatte, und sie verstärkte das noch, indem sie sich recht fest auf den Arm ihres Tänzers lehnte. Und dabei war sie nicht stumm wie die andern Weiber, die sich drehen ließen, immer mit dem gleichen feierlichen Ausdruck des Gesichts. Sie schwakte und lachte, ihre luftigen Augen blikten nah in die des Tänzers, ihr warmer Atem figelte seine Wange; kein Wunder, daß die Männer sie immer fester und fester drückten.
Roman aus der Eifel von Clara Viebig . Mit sprühenden Augen und erhobener Faust stand Miffert; nichts mehr von schläfriger Trägheit war an ihm, die war abgefallen wie ein Totenhemd, der lebendige Mensch stand da mit rollendem Blut in den Adern, jede Muskel straff. In grimmiger Wildheit biß Pittchen die Zähne aufeinander und dann brüllte er: Hal Dei Maul!" Seine erhobene Faust sauste nieder. Dat es för dat„ Luder" on dat" wieder hob und senkte sich die Faust- ,, dat es för dat Sanmensch" on dat on dat onnerstich dech noach ehs!" Wie der Hammer auf den Ambos', so sauste die Faust nieder hierher, dorthin-hei, waren das Schläge! Da mußten Funken sprühen und Eisen in Stücke gehn. Kein Mensch hatte sich gerührt, starr vor Ueberraschung Von einem Arm wanderte sie in den andern, ihre ge standen sie alle. Aber jetzt brachs los, mit Geschrei und Fluchen steiften Röcke wurden schlaff, das dunkle Haar hing ihr versprang man dem Mathes zu Hilfe. Bittchen wurde weggerissen, wirrt ins Gesicht. Ihr helles Lachen übertönte die Musik; in eine Ecke gedrängt, wehrte er sich mit Händen und Füßen, wo sich in den Tanzpausen die Männer am dichtesten zusammenBänke stürzten um, Gläser flirrten zu Boden Schimpfen, knäulten, da stand sie. ingatla Lachen, Drohen, Schreien, Stanipfen, Fluchen, Toben da die Thür ging auf!
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Wie erschrockenes Hühnervolk in die Ackerfurche, wenn aufscheuchende Schüsse knallen, so fiel es in die Stube ein mit Rauschen und Rascheln und Schwirren- die Weiber! Boran eine, die anderen durch ihre üppige Fülle alle in Schatten stellend.
Schkandal?" rief Lucia Miffert fragend. Entschlossen stieß sie die Vordersten beiseite, stellte sich vor ihren Mann und deckte ihn mit ihrer kräftigen Gestalt. Was gitt et hier?" rief sie hell, Rohig, Pitter! Dao haste ebbes!" Sie teilte dem ersten, der wieder auf sie eindrang, eine Maulschelle aus, halb scherzhaft, halb im Ernst; jedenfalls zeichneten sich alle ihre fünf Finger auf der Wange des Getroffenen ab.
„ Dunnerfiel!" Der Mann fuhr zurück und rieb sich das
Gesicht.
Suckste", lachte sie heiter, dat kömmt dervon! Laaßt Dommihaaten, heit wolle mir Pläfier haon, Ihr Mannsbiller!" Aus ihren schönen runden Augen fandte sie einen vollen Blick über die ganze Gesellschaft, ihre weißen Zähne bligten, ihre Stimme übertönte allen Lärm.
" Jesses, die Maunsleid, e su ebbes! Haha! Haun sech wie die Könner hahahaha!"
Sie wollte sich ausschütten vor Lachen; ihre gesteiften Röcke raschelten, ihr braunrotes Sonntagskleid, das sich knapp über die volle Brust spannte, frachte in allen Näthen.
„ Hahahaha!" Wieder das Lachen. Es flang so lustig, so leichtherzig; es wirfte auſteckend, die Mäuler zogen sich breit, alle Gefichter grinsten. Die geballten Fäuste thaten sich auseinander oder versenkten sich in die Hosentaschen.
Frau Lucia ersah ihren Vorteil; wieder sandte sie einen bollen Blick umher und wiegte sich lachend in den Hüften.
An der Thüre standen die andern Weiber zusammen gedrängt, jetzt wagten auch sie sich heran; jede packte ihren Mann unter dem Arm, die Mädchen hingen sich an die Burschen. Danzen! Danzen!"
Wie gerufen tönte in Ferne Musik. ,, Muhsik! De Muthsik!"
Das waren die Musikanten von Manderscheid , fünf Mann hoch kamen sie eben vom Berg herunter. Sie spielten sich felber zum Einzug was auf.
" De Muhsik fömmt! Helao de Muhsik!" Die Kinder auf der Straße fiießen ein gellendes Freudengekreisch aus, pfeilgeschwind rannten sie den Fünfen entgegen, umringten sie und begleiteten sie hüpfend und jauchzend zur Wirts hausthür.
Unentwegt fidelnd und blafend zogen die Musikanten in die Schenkstube; man ließ ihnen kaum Zeit, einen Trunk zu thun. Mit starken Armen schleppten die Männer die Tische auf die Straße, die Weiber rückten die Bänke längs der Wände nun war der Tanzsaal fertig. Der schwenkende
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Dent Peter wurde zugetrunken: Prost, dat Zeih soll Täten!"
Mit verdrossenem Gesicht stand er hinter der Stubenthür und folgte ihr mit den Augen. Er tanzte nicht mehr; als ein besonderes helles Lachen die Musik überschrillte, hatte er mit einer heftigen Bewegung plötzlich seine Tänzerin stehen lassen, die er vorher, trotz seines lahmen Beines, mit viel Gewandt. heit geschwenkt.
Die Männer tanzten mit der Cigarre int Mund, über die Schulter der Tänzerin paffend; durch den undurchdringlichen Qualm bohrte Peter die Blicke wo war sie? Mit wem tanzte sie?
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Gerade jetzt schwenkte sie der Bursche, auf dessen Wange sie vorhin ihre fünf Finger abgedrückt; es schien dem Peter, als schmiege sie sich besonders fest an den, als flüftre der ihr was Verliebtes ins Ohr.
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Mit einem Sat stürzte er sich auf das Paar- rechts und links im Gewühl Büffe austeilend nun hatte er sie erreicht. Gif Obacht, Zeih," sagte er halb bittend, halb grollend, danz net e su vill, ons Josefche schreit sons de ganz Naacht!"
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" Laoß hän schreien," lachte sie und tanzte weiter. Sie hatte seiner nicht acht.
Verzweifelt ging er vors Haus, er konnte das da drinnen nicht mehr mit ansehen.
Auf dem Prellstein an der Ede saß ein altes Weib mit einem fest eingewickelten Kind auf dem Schoß.
Römmt se noach net?" kreischte sie Miffert entgegen, dat Könd gitt schuns ganz bla för Schrein!"
Er beugte sich über das quiefende Bündel- die Augen hatte das Sechswochen- Kind geschlossen, aber das Mäulchen stand durftig offen, klagende Laute drangen daraus hervor.
Finster sah der Vater auf das verquollene Gesichtchen, langsam, in Gedanken, ging er dann zur Wirthshausthür zurück.
Er schickte einen Knaben hinein. Saog der Lucia Miffert, se soll ehs erauskommen. Aewer saoe net, wän naoch er schickt," schärfte er ihm ein.„ Saog: et pressiert!" Sie kam, die Wangen heiß gerötet, schnell atmend, mit wogender Brust und geöffneten Lippen. Neugierig spähte sie aus. " Dau-?! Wat willste?" fragte sie verwundert ihren
Mann. „ Ons Josefche," sagte er nur vorwurfsvoll und wies mit dem Daumen nach der Ecke hinüber. Klägliches Schreien kam von dort her.
" Jesses, ons Josefche! Dat hatt ech ganz vergäß! Mein arm Josefche!" Frau Lucia riß der alten Frau das Bündel vom Schoß, wiegte es tänzelnd hin und her, setzte sich dann auf den Prellstein, knöpfte ihre Taille auf und legte das Kind an die volle Brust.
Das hungrige Josefchen war still; sie selbst lehnte den