Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 5.

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Dienstag, den 9. Januar.

( Nachbruc verboten).

Das Weiberdorf.

Roman aus der Eifel von Clara Viebig .

Es dunkelte jegt start. Immer noch eilten Gestalten ins Wirtshaus; unter den Spätkommenden waren auch Lorenz und seine Verlobte, die heute zum ersten und letztenmal Auf­gebotenen.

1900

biele kommen und mit einem Kratfuß bitten: Leih mer Dei Mensch!" nur er taugte mit ihr. Er war galant und be­stellte Wein, Bier und süßen Liqueur.

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Sie trant alles untereinander; zulekt wußte sie nicht mehr, was sie sprach, was sie that, sie faß unbeweglich und starrte mit glasigen Augen vor sich hin. Da führte er sie hinaus.

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Das war fein Zanzen mehr, das war ein Rasen. Kein Taft, kein Schritt, fein Drchen mehr, nur ein wildes Durch­einanderhopffen. Lenzen Bäbb war mitten dazwischen; der Bäbbi sah veriveint, aber doch strahlend aus; der Bursche Lorenz war schwer betrunken, er wirbelte sie herum, daß sie weniger strahlend, mit einer gewissen gleichgültigen Energie gegen alles anstießen, gegen Menschen, Bänke, gegen den gewappnet. Sie hatten heut einen schweren Stand gehabt, Schenktisch gulegt fam er mit ihr zu Fall. Stein Mensch den ganzen Nachmittag hatten sie bei den alten Schneidersch half ihr auf; man stolperte über sie weg. Jeder hatte mit um die Kammer neben dem Stall gebettelt; da sollte mit sich zu thun, keiner stand mehr fest auf den Füßen. die junge Frau wohnen, wenn der Mann wieder über alle Wer noch gehen konnte, ftaht sich mit seinem Schatz zur Berge war. Thür hinaus. Ein Paar nach dem anderen schlich um die Noch schluckte Bäbbi an ihren Thränen, aber stolz er- Regentonne an der Stallwand, hinein ins dunkle Hecken­hobenen Hauptes ging fie an der Hand ihres Lorenzwer fonnte ihr jetzt etwas nachsagen?!

In der engen Thür stießen sie mit den Mifferts zu fammen; etwas unsanft prallte Bittchen gegen die Braut. Sein Mund verzog sich, er zwinkerte pfiffig. Helao, dat Lenzen Bäbbi! Ech dachten, et wär en Luftballon!"

Lucia ficherte.

gäßchen.

Horch! Im Dorfe der erste Hahnenschrei! Er klingt wie eine Fanfare, wie ein Trompetenstoß zum Beginn neuer Lust. Der zweite Kirmestag bricht an.

III.

Es ist früh am Morgen, die Sonne noch nicht auf Lorenz schnob ihn wütend an: Kehr vor Deiner Diehr! gegangen, nur über den Bergen im Osten rötet sich schwach Duh nor net e fut, als ob dat Zeih alleweil uf em Extra- eine Wolfenschicht. Grau liegt das Thal; von Frühnebel die stiehlche gesäß hätt. On Dau, Dau sollst et doch säliver Wiesen überwogt, wie von wallendem Wasser. Die Hähne wissen, Schürzenhänker-" schreien sich heiser, Hunde schlagen an.

,, Still biste!" Lucia legte ihm die Hand auf den Mund. .Net e su onmanierlich, mein Jong!" Ihre weichen, wenig verarbeiteten Finger drückten fest und warm, jedes zornige Wort starb dem jungen Mann auf den Lippen.

Neist for ongud," murmelte er. Laoß los, Zeih!" Ech gradelieren Der, Lorenz," sagte sie freundlich; und dann sich mit ihrem strahlenden Lächeln zu Bäbb wendend, schüttelte sie der herzlich die Haud:" Ech gradelieren Der, Bäbb Dau sollst glöcklich gänn!"

Merci!". Das Mädchen brachte den Mund nicht zusammen, die Gratulation machte ihr so viel Vergnügen. Wir machen fein groß Hochzeit", sagte sie dann wichtig ,,, en Stöcker fünnef zehn oder zwanzig, äwer wenn Dir forlief nehme wollt, et soll ons freien!"

Merci!" Die Miffert titigte zierlich. Met Verlöw, mir fein gären von der Pardi!"

Ganz fern am Horizont blinkt noch ein Stern, ein schwaches Abbild früheren Glanzes. Drei Uhr.

So früh ist man sonst in Eifelschmitt nicht auf den Beinen; heut flappen alle Thüren, Weiber, notdürftig be­kleidet mit Hemd und Unterrock, eilen hinaus in den grauen Morgen zum Brunnen. Feucht geht es nieder, als hätte es geregnet; die niedrigen Scheiben der Fenster sind dick an gelaufen.

Aus jedem Schornstein fräufelt schon Rauch und steigt mühsam durch die schwere Luft zum farblosen Himmel.

Mit finster durchfurchten Stirnen stehen die Frauen am Steinherd und kochen den Kaffee; unterm hängenden Kessel schwehlt das feuchte Reisig, der Dampf beißt in die Augen, daß sie weinen. Die Küche ist kalt, das Herz schwer wie Blet. Drinnen im Ehebett liegt noch der Mann und wälzt sich in den Federn; er fann gar nicht herausfinden, der Kopf Lorenz machte ein böses Gesicht hatte der Bitter nicht ist ihm schwer vom letzten durchzechten Abend. Er stöhnt auch einmal um sein Mädchen herumgeschnuppert? Die und flucht. Bäbb hatte es ihm selber erzählt. Daß ihm das nicht eher Wie Gespenster schleichen die Weiber herum, blaß, über eingefallen war! Wie lang wars her! Traue einer den nächtig, hohläugig; die blühendste Wange ist heute bleich, der Frauenzimmern! Er glaubte ein Blickewechseln zwischen den lachendste Mund schmerzlich verzogen. Langsam tappen die beiden zu bemerken. Zornig riß er Bäbbi mit sich fort: bei der Kirmes müde getanzten Füße. Komm doch!"

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Der letzte Morgen!

Auch Peter sagte ungeduldig:" Kommt!" Reine war doch Rasch, rasch, die Zeit vergeht! Noch haben sie weit zu wie seine Zeih! Er hatte mit ihr fort mögen, dahin, wo fein wandern, und die Eisenbahn wartet nicht. Mit vor Hast un­anderer Mensch war; feiner sollte sie sehen, feiner sie lachen geschickten Händen hilft die Frau dem Mann in die Kleider; hören! Bärtlichkeiten werden nicht mehr getauscht, die haben sich er­Als er mit ihr tanzte, preßte er sie, daß ihr der Atem schöpft in den paar Tagen- und wozu auch? Er geht jetzt berging. fort in die weite Welt, und sie bleibt sißen im engen Thal Rund herum wirbelten die Paare. Immer rascher Jmmer rascher so ist's nun mal! Mit der gewöhnlichen Alltagsstumpfheit wurden die Tanziveisen, immer wilder schwenkten die Röcke, nimmt man schon wieder sein Geschick auf sich. stampften die Schuh; die glattgeflochtenen Zöpfe lösten sich, hier und da hingen einer schon die losen Haarsträhnen über

den Rücken.

Immer fester packten die Männer zu. Die kleine Tina hatte auch einen Schatz gefunden, der stupsuafige Laven hielt sie in den Pausen auf dem Schoß und ließ sie aus seinem Glase trinken.

Heute nachmittag erst hatte sich das angebandelt. Tina hatte in ihres Vaters Garten gestanden und den Hals gereckt, als der Bursche vorüber kam. Ihre begehrlichen Augen zogen ihn an, er blieb stehen; die Arme auf den Zaun gestützt, sprach er zu ihr hinüber. Sie war im hellen Staat, Blumen hatte sie vor die Brust gesteckt.

Lange hatten sie miteinander geschwatt, sie schnippisch, neugierig und verliebt, er im Tone eines Eroberers.

Nun war sie sein erklärter Schat. Da konnten noch so

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Die kleinsten Rinder nur schlafen noch, die größeren bringen Hut und Stock und stecken dem Pappa" noch ein Brot und ein Stück altbackenen Kirmesfuchen ins Bündel; sie wagen nicht zu sprechen, der Vater ist unwirsch, die Mutter haut beim geringsten Lärm zu.

Still, still! Als wäre ein Toter im Haus, so schleichen sie; winselnd schnuppert der Hund herum und drückt sich dem Herrn an die Füße. -

In der Kammer der jungen Schneiderschen Eheleute brannte noch das Lämpchen; es war so dunkel hier neben dem Stall, nicht Licht noch Luft kani durch das schmale Fensterchen.

Bäbbi wankte hom Herd zum Tisch, vom Tisch zum Bett, vom Bett zum Schrank; immer vergaß sie noch etwas. Nackt und kahl engten die rohgetünchten Wände die dürftige Stammer ein, wirr glitt ihr Blick drüber hin, ein Grauen